22.
Wie sich die zwen auff ein schiff satzten und wider in Portugal mit gůtem wind schiffeten.

[174] Richart und Lasarus hetten yetzunder schon alle ire geschefft in Hispanien ausgericht. Zů allem irem glück funden sie ein schiff, so in Portugal säglen wolt mit etlichen güteren und kaufleuten, des sie dann gar wol zů můt wurden. Sie kamen zů dem patronen, wurden mit im eins umb ein lon, was er nemen wolt. Als nůn der bestimpt tag kam, blies man zů schiff. Da versamleten sich die kaufleut, sassen auff das schiff und sägleten mit gůtem glücklichem wind und wetter von land. Sie hatten sehr gůte geselschafft auff dem schiff, davon inen dann die zeit auff dem mer sehr kurtz ward, biss das sie yetzund schon das künigreich Portugal ersehen haben.

Da erhůb sich ein sehr gros ungewitter uff dem mer.

Also můsten sie wider iren willen in einem hafen anckeren und etliche tag darin verharren, biss wider wind und wetter kam, welchem sie vertrawen dorfften. Dieweil sie aber still ligen můsten, fingend sie alle kurtzweil an. Sie hetten auch[174] nahend bey in einen wald, in dem wonet gar vil gefügels und ander wiltbrett. Es waren sehr gůt schützen under in; die zugen täglich auff das bürschen, kamen nimmer lär, brachten alzeit wiltbrett und gefügel mit in, davon ir malzeiten wol gebessert wurden. Die andren aber bliben bey dem schiff, sutten und brieten. Etlich sengten das wiltbrett von den geschossenen wilden schweinen, dise zugen die reher ab, die andren waren emsig, die feißten fasanten und holtztauben zů rupffen und an die spiss zům feur zů bereiten. So waren auch etliche, so sich des geköchts gar nichts underzugen, sunder hetten iren eignen fleiss, grůben feine sitz in die erden, liessen in der mitte einen vierecketten platz; das waren ire tisch, auff welchen sie die speis namen. Also verging ein gantze woch, das sie můsten auff wind warten, das dannocht iren keinem die zeit lang was. Wann dann die jäger des abents mit dem wiltbrett kamen, so was schon das essen auffs fleissigst bereittet. Alsdann sassen sie zůsamen und waren frölich und gůter dingen.

Es waren etliche under inen, die in nit gehn Lisabona gewünschet hetten. ›Habend wir nit gůt an disem lustigen ort zů bleiben?‹ sagten sie. ›Wir finden doch nach unserm wunsch und begeren fisch nach forteil zů fangen; so hand wir einen grossen überfluss an wiltbrett, so uns gott allen tag bescheren thůt; an gůtem süssen wasser hand wir gar keinen mangel, das mügen wir selb aus den frischen brunnenquellen empfahen, die mit starckem getös aus den harten felsen lauffen. Wir geschweigen der edlen und kostlichen früchten, so wir täglich von den baumen ablesen mügen; deren granaten, pomerantzen und feygenbeim ist ein überfluss in diser inseln. Schad ist es, das sie nicht von menschen bewonet würt.‹ – Diser meinung waren gar vil under inen. Andere aber waren auch eins andren gesinnet, und insonderheit Lasarus und Richardus, die weren lieber daheim in iren heusern gewesen, da sie dann auch gůten rhat zů finden wußten. Andere belanget an die ort und end, da sie dann ir gewerb und händel brauchen wolten.

Also het ein yeder seinen besonderen fürschlag, wie dann das gantz menschlich geschlecht zů unrů geboren und erschaffen[175] ist. Ein yeder můs nach gottes ordnung sein arbeit und lauff volbringen. Der arm mann aber, wann er gesund ist, hat er es zů dem besten. Des morgens gath er frü an sein arbeit; sein speis, wie schlecht und rauch die ist, schmackt sie im doch überaus wol; die nacht ist im nit zů lang, er schlafft sie mit freuden und rhüwig durch aus. Der reich burger, so sich můs seiner zinß und renten behelffen, můs mit andrer arbeit sein stündlin erlangen. Sein arbeit ist müsam; dann er sitzt ein gantzen tag zů gedencken, wie er von disem schuldner müg bezalt werden und wie er den andren mit recht bekümbern wöl. Des nachts ligt er in seinem beth ongeschlaffen, hat dise und jene sorg, gedenckt stetigs, wie er sein gůt zůsamenhauff. Wann er gleich köstlich speis und tranck auff seinem tisch hat stohn, laßt in doch sorg und angst die nit mit lust niessen; schmackt im nit so wol, als dem armen mann ein rauhes stücklin brot bey einem wasserkrůg und kraut. Also auch der kauffmann, der můs durch gross gefärligkeit seine wahren und güter zůsammenbringen. Dann auff dem land sind im die strassenreuber auffsetzig, můs sich alle zeit seines leibs und gůts vor inen besorgen. So er dann auff dem mör faren thůt, machend in die grausamen und erschrockenlichen wällen angsthafft, so das im auch speis unnd tranck nit wol schmacken thůt. Der keyser, künig, fürsten und herren, wann die schon gleich gůten friden haben, müssend sie sich doch täglichen vor iren heimlichen finden, so in durch gifft nachstellen, besorgen, also das sie auch keinen eintzigen mundtfoll ohn sorg oder mit freuden essen. Darumb sag ich wie vormals, das die speis an keinem ort mit grösserem lust und frölicher genossen werd, dann wo armůt und gros arbeit under einem tach wonen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 174-176.
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