23.
Wie die gůten herren gůt wind und wetter überkamen, zů follen gehn Lisabona geseglet hand.

[176] Als yetzund wider ein gůter wind entstund, haben[176] sie das land verlassen, die schiffart zu follen an die hand genumen und in kurtzer zeit das künigreich Portugal zů follem erreichet. Da sie nůn gar nahend gehn Lisabona kumen sind, habend sie alles geschütz, so auff dem schiff gewesen, abgohn lassen, ir paner auffgesteckt, welchs mit des hispanischen künigs wapen und schilt bezeichnet gewesen. Bald ist das geschrey in aller statt erschollen, wie das ein solch mechtig schiff mit gütern aus Hispanien kumen. Das ist herren Roberten kuntbar worden; der hat sich eylends zů seiner lieben tochter verfügt und das bottenbrot an sie gefordert, desgleichen an sein liebe gefatterin Lucia. Demnach ist er an das port gegangen und des schiffs sampt deren, so darauff gewesen sind, mit freuden erwartet.

Sobald nůn das an land kumen ist, sind die Portugaleser, so daruff gewesen, mit ersten an den land getretten. Richart von seinem schwäher gar früntlichen empfangen ward. Er fordret auch von Lasaro das bottenbrot umb seinen jungen sůn, davon er hertzlichen erfrewet ward. Sie zugen mit einander zů haus; da wurden sie erst von iren weiberen und der alten můter mit grossen freuden empfangen. Es kamen auch Richarts gůte günner und fründ, so gros verlangen nach im hetten gehabt. Sie hiessen in früntlichen wilkum sein, fragten in, wie es im uff solcher rayß ergangen were, das er inen dann zům theil anzeiget. Under disem gespräch ward ein herliches mal zůbereittet. Die gůten fründ beliben bey in, damit sie sich gnůgsamlichen mit in ersprachten.

Als sie nůn in dem besten imbis waren, fing Richart an und sagt: ›Ir meine allerliebsten und getrewisten fründ, wiewol ir von vilen kauffmanschätzen, so mir aus Hispanien bracht, gehört, so hab ich euch doch von der liebsten kauffmanschafft noch nichts gesagt. Wiewol die ein geringes kostet, so waiß ich dannocht, Lucia würt die für die kostlichsten wahren erwelen.‹ Dise red kunten sie alsamen nit verston; und wiewol sie den Lasarum berůrt, so kundt er es dannocht nit mercken. Sie alsamen in gemein begerten zů wissen, was doch das für ein kauffmanschatz sein möcht; dann sie alsamen wol gedachten, es lig ein fatzman darunder verborgen.[177]

Also fing Richart an und sagt: ›Lieben fründ, ich beger von euch zů vernemen, wann einer under euch einen solchen jungen und starcken mann feil fünd, wie der Lasarus ist, was wolt er mit gůtem willen umb in geben?‹ Disen worten nach verstund Lasarus erst, wo Richart hinaus wolt. Derhalben er gantz schamrot under seinem angesicht ward und sagt: ›Wolan, ich můs mich leiden; dann gemeinlich ist ein semlicher brauch in der welt, das man einen zů seinem schaden spayet.‹ Damit saget er zů Richarten: ›O Richarde, ich wil dich fast gern von meinem unfal hören reden, dieweil mir gott durch dich geholffen hat, das ich selber zůgegen sein kan, und nit also in der schnöden Türcken gefäncknüß hab müssen verderben und umkumen. Drumb bitt ich, wöllest yetz die histori, wie sie ergangen sey, deinen lieben und gůten fründen erzelen.‹

Reichart sagt: ›Fürwar, Lasare, es wirt keinem bas gezimen dann dir, dwil du in allen weg darbey gewesen bist.‹ Also fieng Lasarus an zů erzalen die gantz handlung, wie es ihm erstlichen mit dem verräter ergangen was, als er im aus vertrauter meinung all seine heimligkeiten geöffnet; item, wie er des morgens frů Richarten in seinem beth gelassen und willens gewesen wer an dem port zů spatzieren, als der verräter zu im kumen, in auff ein türckisch schiff gefürt, daruff verraten und verkaufft; zůletst, wie ihn Reichart umb 20 ducaten von dem türckischen patronen erkaufft und gelediget; sunst wer er von disem schiff nit mehr kumen.

Als Lucia solliche wort vernumen von anfang biss zum end, ward sie dem so tieff nachgedencken, das ir steinhart hinder dem tisch geschwand; sanck also onmechtig Richarten in sein schoss. Davon sie all zůmal seer erschracken unnd von dem tisch auffwuschten. Cassandra saumpt sich nit lang bey dem tisch; sie nam ein glass mit krefftigem wolschmackendem wasser von dem schafft, strich das der schwachen Lucien an ire schläff. Bald kam ir verschwundener gaist wider. Sie blicket iren Lasarum an und sagt: ›O Lasare, wann mir solcher unfal zů wissen gewesen wer, gewiss würd ich meiner schwären kranckheit zů grund gangen sein. Ach gott, mein allerliebster Lasare, bistu in solcher[178] grossen gefor und angstbarkeit gestanden, und haben wir zů Lisabona nichts darvon wissen mögen!‹

Die gůten herren, so zů tisch gesessen waren, als sie sahen, das Lucia wider zů ihren krefften kummen was, sassen sie wider zů dem tisch. Lasarus fing an sein gemahel mit gar fründtlichen worten zů trösten und sagt: ›Du mein allerliebste gemahel und getrewe haushälterin, nit wöllest so hart zů hertzen nemen die unfäl, so schon dahien und verflogen sind! Las uns aber vor allen dingen gott fleyssigen danck sagen, das er mir durch seine hilff wider zů land, haus und hoff geholffen hat, dir und mir auch einen semlichen frölichen anblick hat bescheret! Sodann sollend wir auch grossen danck sagen Richarten, unserem liebsten fründ, der durch sein fürsichtigkeit erfaren hat, uff welchem schiff ich gefangen gewesen binn, davon er mich wider umb zwentzig ducaten erkaufft und erlöset hat. Darumb, mein Lucia, las dein trauren faren und las uns mit disen lieben herren und fründen einen gůten můt haben! Dann sie alsamen grosse freud von unser gesunden zůkunfft überkumen hand.‹

Disen trost gab Lasarus seiner hausfrawen; dergleichen trösteten sie auch die anderen herren und gäst, so zů tisch sassen. Also follendeten sie die überig zeit mit grossen freuden. Und als die malzeit volbracht ward, der tisch auffgehaben, hand sie gott umb seine manigfaltigen gaben fleyssig und von hertzen danck gesagt. Demnach sind sie von hoff gescheiden, ein yeder heim zů haus gangen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 176-179.
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