33.
Reichardus berüffet den patron des schiffs zům nachtmal, leben also in frewden bey einander, biss jetz die zeit kumpt, das man zů beth gon solt, jederman an sein rhů gewisen ward.

[206] Reichart, welcher von natur freundtlich, getrew und gůtig was, hat yetzund von dem patron verstanden, das er des nächstkünfftigen morgens von land und wider in Brabant schiffen wolt. Er liess im alle ding zů schiff tragen, befalhe auch seinem fründ Lasaro, das er seins sůns kleider und was er mit im füren wolt, auf das schiff solt verschaffen. Das ward alles mit gantzem fleiß ausgericht. Richart bat den patron des schiffs, er wolt in nit verschmahen und das nachtmal mit im essen, und so er yemands uff dem schiff het, so ihm anmütig were, denselbigen möcht er mitbringen. Diss bewilliget im der patron, nam also seinen jungen sůn mit im,[206] dem älteren aber befalhe er das schiff zů bewaren. Also zugen sie miteinander von dem schiff in die statt in das haus Richardi. Da wurden sie gar schon und ehrlich empfangen von seinem weib, die dann einem yeden, wer der was, sein gebürend reverentz thůn kund. Da was auch ein herrlich malzeit bereitet. Uff die bestimpte zeit unnd stund kamen alle die, so zů dem nachtimbis berůfft waren, zůsamen, damit sie mit dem jungen Lasaro sich letzten. Es war auch kein person inn diser gastung, so ihm nit ein letzgelt zů einer zerung verehren ward, des ihm dann Lasarus nit wenig frewd nam. Sie wunschten im auch alle hertzlichen ein glückselige ausfart, und das sein widerkunfft auch mit grossen frewden geschehen solt.

Amelia, die junckfraw, was noch nit zůgegen, dann sie noch an ires liebsten jünglings arbeit was. Zůletst kam sie mit einem schönen sammatten paret in den saal gegangen, das trůg sie auff irem haupt. Daruff was ein schöne guldene schnůr mit gůten orientischen perlin geziert; es waren auch daran gebunden gar kunstliche und conterfetische von feiner seiden gewirckte blümlin, so Amelia mit iren händen gearbeit het; dann sie derselbigen kunst ein meisterin was. Als nun die junckfraw in mitte des schönen wolgezierten saals kumen ist, hat sie den sitzenden fründen und gesten die speiss gesegnet, ist damit zů Lasaro, dem jüngling, mit züchtigen geberden gangen, hat das paret von irem haupt unnd goltfarben har abgenummen, dem jüngling auff sein blosses haupt gesetzt und gesagt: ›Mein allerliebster Lasare, ich vernim, das du morgens frü von hinnen schiffen würst. Dieweil du nůn von allen deinen lieben freunden reilichen abgeletzet bist, bit ich, wöllest dise meine gab und letze nit verschmahen und die von meinentwegen von hinnen füren und, so dir müglich sein mag, etwas darvon harwider bringen; wil ich mich hiezwischen, so mir gott mein herr gesundtheit verleihet, umb ein schöneren und besseren wilkum arbeiten; das soltu erfaren.‹

Der jüngling vor grosser scham und freuden der junckfrawen nit antwurten kundt. Zůletst aber erholet er sich, und mit grosser reverentz bedanckt er sich umb die gab, versprach[207] der junckfrawen darbey, dise gab in grossen sorgen und ehren zů haben, wie dann solchs von im geschahe. Also stůnd Richhardus auff, nam sein tochter Amelia und satzte sie neben Lasarum an den tisch. Da wurden sie von der freundtschafft und den anderen gesten gar züchtiglichen und mit verborgenen schimpflichen worten gefatzet, davon sie beidsamen zům offternmal gantz schamrot wurden, davon sie dann gar vil schöner den gesten erschinen.

Nach langem gespräch und beschehenem ymbiss wurden die tisch auffgehaben, gott dem herren umb seine vilfaltigen gůtthaten lob und danck gesagt. Der schiffpatron nam urlaub von Reicharten, Lasaro und iren beiden weiben. Richart vermeint in mit früntlicher bitt bey im zů behalten. Er aber wolt nicht von dem schiff beleiben und sagt: ›Früntlicher Richarde, du waist, was grossen gůts mir auff disen tag auff mein schiff geantwurt worden ist. Wann ich dann schon gern bey dir zů herberg beleiben wolt und auff das allerbest gelegt, des ich ungezweiflet bin, würd ich doch meinen schlaff nit mügen haben, sunder stetigs auff mein schiff gedencken. Darumb so du mir gern an güte rhů wilt helffen, so verschaff, das ich zů schiff kume, damit deine und anderer kauffherren wahr versorgt sey!‹

Also beleitet Richardus und Lasarus sampt seinem sůn den patronen biss uff das schiff. Alda was ein herrlicher schlaaffdrunck zůbereitet von mancherley latwergen und confecten. Der aber ward nit lang gehalten; dann jederman eilet an die rhů, damit sie des morgens zů rechter zeit möchten ire sachen ordnen. Sie namen urlop von dem patron mit gewünschter gůter nacht, zugen zů haus und volbrachten die nacht mit rhů.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 206-208.
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