9.
Cassandra würdt von irem vatter unnd ihrer můter zů red gesetzt von wegen Richarten des jünglings; sie aber gab gleich iren gůten willen darzů.

[143] Alsbald die baiden herren zů haus kumen sind, ist das morgenmal gar lustig zůgericht gewesen; das haben sie mit freuden und kurtzweiligem gesprech volbracht. Nach dem essen hatt Robertus sein weib uff ein ort genumen, auff solche weis mit ir angefangen zů reden: ›Mein allerliebste Sophia, du weist, das wir yetz in die fünffundzwentzig jar in gantzem friden früntlich mit einander haußgehalten, in welcher zeit uns got in die zehen kinder beschert, welche er auch nach seinem gütlichen wolgefallen in verstandnem alter durch den natürlichen tod wider zů seinen gütlichen gnaden berüfft und genummen bis an ein tochter, welche er uns seines gefallens[143] gelassen, mit der [wir] bißhar nit wenig freud und ergetzligkeit gehabt haben. Nůn sichstu, mein allerliebste Sophia, was zů diser zeit für arglistiger kupler und kuplerin in der welt sind, so da schencken und gaben von andren fründtschafften nemen, manchem biderman ein kindt an ein ort verkuplen, da die älteren weder gunst noch willen hin haben. Nůn ist unser tochter schon erwachsen, das es nit viel umbsehens mer bedörffen will. Darumb wer mein rhat, wann ein waidlicher gsel kem und iren zů den ehren begert, wolten wir sie ihm geben.‹

Sophia antwurt: ›Ach mein Roberte, mit was newen unerhörten thäding gest du da umb! Du hast mir fürwar mit deinen worten ein eyßkalten stral durch mein hertz gedrungen. Wehe mir armen weib! Wie solt es mir doch ewigklichen ergohn, solt ich mein allerliebstes kindt von mir geben! Ich bin des gantz gewiss, das ich vor meiner uffgesetzten und geordneten stund meinen geist müßte gott dem herren auffopffern.‹

Darauff antwurt Robertus: ›Du solt dir, mein liebe Sophia, die sach nit so hart auffnemen, unser tochter zů verheuraten. Dann sie nicht dest weniger bey uns in unser wonung und behausung bleiben würd in einen weg als in den anderen. Damit aber du die sach recht verstandest, so wiss, der Richhardus, welcher jetzund ein zeitlang sein uffenthalt bey uns gehabt, der begert ir, hatt sich auch erbotten, den allernächsten in Hispanien zů schiffen, sein hab und gůt, so er darinnen hett, alles zů verkauffen und haraus zů wonen, so anderst wir im die tochter zů einer gemahel geben. So habe ich in Engeland und uff dem schiff wol von andren kaufleuten vernumen, das der wechsel und handel, mit dem er umbgath, sehr gros sey. So hat er auch gar ein grosse summa seines eygenen gelts hin und wider in den geselschafften ligen, so ihm alle jar ein grosses eintreit. Wir haben auch nůn dalest sein wesen und geberd, derzeit er bei uns gewesen ist, zimlich erlernet. Darumb, mein liebe Sophia, wöllest mir dein entliche meinung zů verston geben. Wolt dir dann mein fürschlag gefallen, so wolten wir mit unser tochter Cassandra auch reden, ob ir die sach anmütig were oder nit. Ich bin einmal des vorhabens, ir keinen man zů geben, sie habe dann[144] ein lust zů im, und wann er gleich eines fürsten gůt hette und vermöcht.‹

Alsbald Sophia dise wort von irem herren verstůnd, hůb ir die sach an zů gelieben. Jedoch stůnd sie in sorgen, Richarten möcht mit der zeit das hertz widerumb in Hispanien ston. Darumb sagt sie: ›O mein hertzallerliebster Roberte, wann nit ein sorg darauff stůnd, sobald Richart die tochter von uns brecht, möcht er sagen, seiner gelegenhait wer inn Portugal nit zů wonen; er wolt wider in Spanien.‹

Darauff antwort Robertus: ›Mein Sophia, desselbigen solt du gar kein gedenckens haben, dieweil er all seine verlaßne güter inn Hispanien verkauffen und zů barem gelt machen, dasselb hie an einem wechsel anlegen würt. So sagt er auch, das er einen sundren lust bei uns zů wonen hab.‹ – Daruff sagt Sophia: ›Wolan, so mag ich leiden, das wir unser tochter Cassandra die sach fürhalten und ir gůtduncken hören, damit wir iren willen und meinung auch verston mügen.‹

Alsobald ward die junckfraw Cassandra berůffen, und ward ir alle meinung des heurhats halben fürgehalten, wie es dann oben nach der lenge anzeigt. Und in summa, das ichs bekürtz, die junckfraw gantz züchtigklichen anfieng zů antworten und sagt: ›Ir mein allerliebsten älteren, die ir mich so schon unnd zärtlich in gar grosser liebe erzogen hand, wie möcht ich anderst gedencken, dann das euch lieb und ein gefallen ist, ich geschweig zů thůn! Darumb so setz ich euch die ding gantz in eweren willen und gefallen. An herr Richarten, dem jüngling, habe ich gantz keinen mangel, so ferr und er euch gefallen thůt.‹

Also was es alles schon richtig, und manglet nicht mer, dann das Richart nit zůgegen was und ein priester, so sie zůsamengeben. Robertus, der gůt alt herr, was in grossen freuden, dieweil er sein tochter und gemahel so gantz gůtwillig funden hett. So was fraw Sophia nit minder frölich, das ir tochter dermassen sich verheuraten solt und dannocht bey ir im haus bleiben. Wie frölich aber Cassandra gewesen sey, gib ich einem yeden selb zů erachten. Der jüngling was schön, so het er auch, ein grosses gůt; davon Cassandra nit wenig heimlich frewd an irem hertzen trůg. Also ward die sach von[145] den alten gar dapffer getriben, damit es bald zů einer hochzeit keme. So was Reicharten auch schon alle meinung verkündet; deshalben er auch gar frölich was.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 143-146.
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