44.

Einer vertreib seinem alten weib das hauptwee.

[54] In einer statt, am Rheinstrom glegen, wonet ein seer reiche und karge alte wittfraw; deren stalten vil alter reicher wittweling nach und vermeinten, sy zů erwerben; ir aber was gar kein sattel gerecht. Dann sy gab allwegen die antwurt, sy wolt selber über ir hab und gůt meister sein und keinem mann mer das under würfflich machen.

Es begab sich über lang, das ein lantzknecht in die statt kam, gar ein schöner, gerader, freidiger junger kärle; der hort von diser wittfrauwen so vil sagen, das er im entlich fürnam, er wolt sein heil versůchen. Er was wol außgebutzt mit kleidung, tratt der gůten alten frauwen für das hauß, begegnet ir zů kirchen unnd strassen, sprach sy gantz tugentlich und früntlich an. Die gůt alt frauw, so über ir sechtzig jar was, meinet, der jung hett ein solchen gunst zů ir, nam auch je lenger je meer acht auff in, fieng im auch an gar früntlich zůzůsprechen. Der gůt schlucker meinet, die glock wer jetzund schon halb gegossen, er kaufft einen schönen schlöyer und fügt sich mit flyß an ein ort, da er meint, die wittfraw allein zů betretten. Es geschach nach seinem willen unnd wunsch; dann sy kam im gleich zů gesicht. ›Zarte liebe fraw,‹ sagt er, ›es hatt mich eüwer früntlich unnd tugentlichs ansprechen dermassen in freundschafft unnd liebe gegen eüch bewegt, wo ich in eüwerm verstand, vermögen und wesen wer, und ir meine jugent nit scheuhen dörften, wißt ich in aller statt kein weibsbild, mitt deren ich lieber haußhalten wolt. Diß hab ich eüch nit können verhalten, wiewol ich weiß, das ir meines gunstes ein klein acht haben; aber von wegen meiner freflen wort, so ich jetz so unverschampt mit eüch geredt hab, wöllend dise kleine gab von mir zůr straff nemmen, bitt eüch darby, mir zů vergeben.‹ Die gůt alt vettel, wölche zůvor der narr gegen dem jungen stach, meint im aller worten ernst sein. ›Junger,‹ sagt sy, ›wann ich deinen worten getreüwen dörft, wolt ich mich der sach nit lang nemmen zů bedencken, wiewol nit on ist, es werben vil alter eerlicher reicher mann umb mich, so mir am alter gleich sind. Was[55] wolt ich mich aber zeihen, das ich ein alten mann nemmen wolt! Über nacht so legen wir beidsammen da, unnd wißt keins dem andren zů helffen, weren beidsammen kranck und schwach. Darumb ich mir langest fürgenummen hab, ein gůten frummen gesellen zů nemmen, ob er gleichwol nit so gar reich ist, wann er mir nůr gůts thůt. An gůt und gelt sol im nit manglen.‹ In summa, kurtz davon geredt, sy wurden der sachen eins; sy versprach im die ee.

Als nun der kirchgang beschehen was, fieng der gůt jung mann an, gar haußlich zů sein, versach alle sachen noch dem basten; dann er befand, daß im die fraw ir barschafft und kleinot noch nitt gar offenbart hatt. Als er sy aber mit fuchßlisten hindergieng, das sy im jetz alles geeigt unnd gezeigt, hatt er von tag zů tag angefangen abspinnen, sůcht im kurtzweil und fröud bey seinesgleichen. Wann er dann zů hauß gieng, kam er selten allein, er bracht allweg ein gůten gesellen [oder] zwen mitt im; die sassen dann zůsammen biß mittnacht spilen, schlemmen und temmen. Und wann dann die gůt fraw etwas zůr sach redt, tribend sy nur ir spey- unnd fatzwerck mit ir. Darvon die gůt fraw in grossen widerwillen kam, so dorft sy es iren fründen auch nit klagen, diewil sy ires radts nit gepflegen hatt.

Was ist zůletst geschehen? Einsmals kam er heim mit einer vollen rott. Sein fraw hatt sy von weitem ersehen, vermeint, sy wolt ein andre kunst versůchen, damit sy doch einmal semlicher gest abkummen möcht. Sy nam eylentz ein handzwehlen, wand die umb den kopff und legt sich auff die gautschen. Der mann mit seiner burß kam in die stuben, findt sein fraw also ligen; er gieng zů ir und sagt: ›Mein liebe haußfrauw, was gebricht dir? Liebe, biß gůter ding; kumm, loß uns leichtsinnig sein!‹ – ›Laß mich zůfriden,‹ sagt sy, ›du trewloser mann! Hast du mir das zůgsagt unnd versprochen?‹ – ›Liebe fraw,‹ sprach er, ›ich weiß doch keinen mangel, so du hast. Bistu nit versehen genůg mit megten, so ding dir noch ein par! Schmackt dir ein wein nit, so stich dir ein ander faß an und kauff darneben, was dich lustet! Was wilt du doch mer haben?‹ – ›Waß solt ich haben wöllen?‹ sagt sy, ›ich wolt, du blibest daheim, versehest dein[56] hauß. So gaast du tag und nacht zů deinen gesellen, von wölchen du nichts gůts thůst lernen, und laßt dargegen mich arme frauw ligen in angst und schmertzen. Dann mir thůt mein kopff so wee, das ich nit weiß, wo ich bleiben soll. Wie wilt du doch sömliche untrew verantworten?‹ – ›Wie?‹ sagt er, ›solt ich ein so liebe alte fraw haben und solt leiden von einem liederlichen kopf, das er sy beleidiget! Daß soll einmal nit sein.‹ Semlichs geredt, riß er ir die handzwehel vom kopf, und mit beiden feisten fieng er an zů schlagen und sagt: ›Hey, kopf, woltest dich der meisterschaft annemmen und meiner frawen, von deren ich gůt und ehr hab, wee thůn! Ich wolt dich ee zertrimmern.‹ Die, gůt alt můter wußt nit, wie sy es verston solt; dann sy marckt, das kein auffhörens da was. Darůmb můßt sy sich der nechsten freyheit behelffen. ›O lieber mann,‹ sagt sy, ›laß dein zorn ab gegen meinem kopff! Er thůt mir nimmer wee.‹ – ›Daß vergelt im,‹ sagt er, ›ein spitzhöltzlin! Nun stand auff, mein liebe haußfravv, und loß dich keinen solchen bösen kopff mer anfechten! Ich bin gůter hoffnung, er soll dirs nit meer thůn.‹ Also můßt die gůt alt můter von irem angenummenen siechtagen aufston, zů ires mannes gesten sitzen und ein gůten můt haben, es wer ir lieb oder leid.

Als sy nun zeletst von irem kiflen abließ und den mann nicht mer also frettet, stůnd er selbs von seiner weiß einstheils ab.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 54-57.
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