53.

Ein gůter schlemmer dichtet ein liedlin, damit ward sein würt bezalet von den Fuckern.

[69] Auff dem reichstag zů Augspurg anno [1530] geschach ein gůter schwanck von einem singer an deß hertzog Willhelmen[69] helmen von München hoff. Er was ein berůmpter musicus und componist, hieß mit seinem nammen N. Grünenwaldt. Er was ein gůter zechbrůder, nam nit vergůt, was im an seines gnedigen fürsten und herren tisch fürtragen ward, sunder sůcht im anderßwo gůt gselschafft, so seines gefallens und kopffs waren, mit im dapffer dempfften und zechten; kam so weit hinein, das alle schencken und was er in barem gelt mitt im dahin bracht, in nasser war und gůten bißlein dahingienge. Noch můßt die maus bas getaufft werden; er macht dem würt bey den acht gulden an die wand. In summa, es kam auff die letst dahin, das der hertzog von München sampt andern fürsten, herren und stetten aufbrechen wolten.

Der würt erfůr die sach, kam zů dem gůten Grienenwald, fordret sein außstendige schuld. ›Lieber würt‹, sagt Grienenwald, ›ich bitt euch von wegen gůter und früntlicher gesellschaft, so wir nun lang zůsammen gehabt, lassend die sach auff dißmal also berůwen, biß ich gen München kum! Dann ich bin yetzůmal nit verfaßt. Wir haben doch nit so gar weit zůsammen; ich kans eüch all tag schicken; dann ich hab noch kleinot unnd gält zů München, das mir die schuld für bezalen möcht.‹ – ›Das gunn dir gott,‹ sagt der würt, ›mir ist aber damit nit geholffen. So wend sich meine gleübiger mit worten nit bezalen lassen, namlichen die, von denen ich brot, wein, fleisch, saltz, schmaltz und ander speiß kauffen und bekummen můß. Es můß allwegen bargelt da sein; kumm ich auf den fischmarckt, sehen die fischer bald, ob ich umb bargelt oder auff borg kauffen wöll. Nimm ichs auf borg, můß ichs doppel bezalen. Ir gesellen aber setzt eüch zům tisch; der würt kan eüch nit gnůg aufftragen, wann ir gleichwol nit ein pfennig in der täschen hand. Darumb merck mich eben, weß ich auff dißmal gesinnet bin! Wilt du mich zalen, mit heil; wo nit, will ich mich den nechsten zů meines gnedigen fürsten und herren von München secretarien verfügen; derselbig wird mir wol weg und steg anzeigen, damit ich zalt werd.‹ Dem gůten Grienenwald was der spieß an bauch gesetzt, wußt nit wo auß oder wo an; dann der würt, so auch mit dem teüffel zů schůlen gangen, was im zů scharff. Er fieng an, die allersůsten und glettisten wort zů geben, so er sein tag je studiert[70] und erdencken mocht; aber alles umbsunst was. Der würt wolt sich aber keinswegs nit schweigen lassen und sagt: ›Ich kan nicht vil umbstend; glatt geschliffen ist bald gewetz. Du hast tag und nacht wöllen voll seyn; den besten wein, so ich in meinem keller gehabt, hab ich dir müssen aufftragen. Drumb darffs nur nit viel meüß. Hast du nit gält, so gib mir deinen mantel, dann so wil ich dir wol ein zeit lang borgen. Wo du aber in bestimpter zeit nitkumpst, wird ich dein mantel auff der gant verkauffen lassen. Diß ist der bescheid mit einandern.‹

›Wolan,‹ sagt Grienenwald, ›ich will der sachen bald radt finden.‹ Er saß nider, nam sein schreibzeüg, papeir, fäder und dinten und dichtet nachfolgends liedlin:


1.


Ich stůnd auff an eim morgen

Unnd wolt gen München gon

Und war in grossen sorgen:

›Ach gott, wer ich darvon!

Meim würt, dem was ich schuldig vil,

Ich wolt in gern bezalen,

Doch auff ein ander ziel.


2.


Herr gast, ich hab vernummen,

Du wöllest von hinnen schier;

Ich laß dich nit wegkummen,

Die zerung zal vor mir,

Oder setz mir dein mantel ein!

Demnach will ich gern warten

Auff die bezalung dein.‹


3.


Die red gieng mir zů hertzen,

Betrübt war mir mein můt;

Ich docht: Da hilfft kein schertzen.

Soll ich mein mantel gůt

Zů Augspurg lassen auff der gant

Und bloß von hinnen ziehen,

Ist allen singern ein schand.


4.


›Ach würt, nun hab gedulte

Mit mir ein kleine zeit!

Es ist nit groß die schulde,

Villeicht sich bald begeit,

Das ich dich zal mit barem gelt.

Darumb laß mich von hinnen!

Ich zeüch nit auß der welt.‹


5.


›O gast, das gschicht mit nichten,

Das ich dir borg dißmal.

Dich hilfft kein außred dichten;

Tag, nacht wollst du sein voll.

Ich trůg dir auff den besten wein,

Drumb mach dich nur nit musig,

Ich wil bezalet sein.‹


6.


Der würt, der sach gantz krumme;

Waß ich sang oder sagt,

So gab er nichts darumme,

Erst macht er mich verzagt.

Kein gelt wußt ich in solcher not,

Wo nit der frum herr Fucker

Mir hilfft mit seinem radt.


[71] 7.


Herr Fucker, laßt eüch erbarmen

Mein klag und grosse peyn

Und kumpt zů hilff mir armen!

Es will bezalet sein

Mein würt von mir auff disen tag.

Mein mantel thůt im gfallen,

Mich hilfft kein bitt noch klag.


8.


Dem würt thet bald bezalen

Der edel Fucker gůt

Mein schuld gantz überalle;

Das macht mir leichten můt.

Ich schwang mich zů dem thor hinauß:

Alde, du lausiger würte,

Ich kum dir nimm inß hauß.


Diß liedlin faßt Grienenwald bald in sein kopff, gieng an des Fuckers hof, ließ sich dem herrn ansagen. Als er nun für in kam, thet er sein gebürliche reverentz, demnach sagt er: ›Gnediger herr, ich hab vernummen, das mein gnedigster fürst und herr allhie aufbrechen und auff München zů ziehen will. Nun hab ich je nit von hinnen kinden scheiden; ich hab mich dann mit eüwer gnaden abgeletzet. Habe deren zů lieb ein news liedlin gedieht; so eüwer gnad das begert zů hören, wolts ich deren zůr letze singen.‹ Der gůt herr, so dann von art ein demůtiger herr was, sagt: ›Mein Grienenwald, ich wils gern hören. Wo sind deine mittsinger, so dir behilfflich sein werden? Laß sy kummen!‹ – ›Nein, gnediger herr,‹ sagt er, ›ich můß allein singen; dann mir kan hierinn weder baß noch discant helffen.‹ – ›So sing har!‹ sagt der Fucker. Der gůt Grienenwald hůb an und sang sein lied mit gantz frölicher stimm herauß. Der gůt herr verstůnd sein kranckheit bald, meinet aber nit, das der sach so gar wer, wie er in seinem singen zů verston geben hatt; darumb schickt er eylends nach dem würt. Als er nun die warheit erfůr, bezalt er dem würt die schuld, errettet dem Grienenwald seinen mantel und schanckt im ein gůte zerung darzů; die nam er mitt danck an, zoge demnach sein straß.

Disen Grienenwald kam sein kunst auff dißmal gar wol; sunst hett er sein mantel hinder im lassen müssen und nackend auß Augspurg gezogen sein. Darumb kunst nimmer zů verachten ist.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 69-72.
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