107.

Von einem armen studenten, so auß dem paradyß kam, und einer reychen beürin.

[133] Durch ein dorff gieng einmal ein armer student, wellicher wenig zeerung im seckel bey im trůg und aber die fůß lieber under dem tisch hatt, dann daß er sölt in einem bůch studieren, als man deren noch vil findet. Als er aber nun wol in das dorff hineynkumpt, geht er gegen eines reychen bauren hauß, welcher nitt anheim was, sonder inn das holtz gefaren; die frauw aber, welche vor auch einen mann gehebt, so Hans geheissen und iren vor wenig jaren gestorben was, deßhalben [sy] yetz den anderen mann hatt, dieselbig frauw steht in dem hof vor dem haus. Und so sy den studenten ersicht, spricht sy in an, fragt in, wer er sey und von wannen er komm. Antwort der student: ›Ich bin ein armer student und komm von Paryß.‹ Die gůt einfaltig frauw verstůnds nit recht, vermeint, er hett gesagt, er komm auß dem Paradyß; deßhalben sy in noch einmal fragt: ›Kompt ir auß dem Paradyß?‹ – ›Ja, liebe frauw,‹ sprach der student; dann er marckt von stundan wol, wen er vor im hatt. Do sprach die beürin:[133] ›Lieber gůter freünd, kompt mit mir in die stuben! So wil ich euch etwas weyters fragen.‹

Als er nun in die stuben kam, do hieß sy in nider sitzen, fieng an und sprach: ›Mein gůter freünd, ich hab vor auch einen mann gehabt, hat Hans geheissen, der ist vor dreyen jaren gestorben. Ach du mein lieber Hans, gott tröst dein liebe seel! Ich weiß, daß er im Paradyß ist; er ist wol so ein frommer mensch gewesenn. Lieber freünd, habt ir in nicht im Paradyß gesähen? Oder kennt ir in nit?‹ Der student sagt: ›Wie heißt er mit dem zůnammen?‹ Sy sprach: ›Man hat im nur Hanns Gůtschaaff gsagt; er schilhet ein wenig.‹ Der student besinnt sich und sprach: ›Botz ja, ich kenn ihn yetz wol.‹ Die frauw sprach: ›Ey, lieber freünd, wie gehts im, meim gůten Hansen?‹ Der student antwort und sprach: ›Schlechtlich gnůg. Der arm tropff hat weder gelt noch kleider. Wenn gůt gsellen nitt das best gethon hettenn bißhär, er wer wol hungers gstorben; dann wo etwan gůt gsellen bey einander zechen, so holt er weyn und brot und schenckt inen eyn.‹ Do die frauw das hort, fieng sy an weinen und sprach: ›Ach, du mein Hans, nun hast du nie keinen mangel bey mir gehabt, unnd můst erst in jener wält mangel leyden! Hett ich das gwüßt, ich wölt dich wol versorgt haben mit kleidern und mit gelt, daß du auch andern gleych hettest mögen zeeren; dann du von gotts gnaden noch gůte kleider hast. Hett ich nur ein botten, ich wölt dirs schicken und ein gůten zeerpfenning darzů.‹ Der student, als er sölichs hort, sprach er zů der frauwen: ›O liebe frauw, seyt gůter ding! Wenn es nur an einem botten manglet, so wil ich euch wol so vil zů gfallen thůn und ims bringen. Dann ich yetz den nächsten widerumb ins Paradyß wil; ich hab etlichen mer gelt zů bringen.‹ Als die beürin soliches hort, war sy fro und bracht dem studenten zů essen und trincken und hieß in redlich zechen. ›Dann ich wil‹, sprach sy, ›dieweyl ein ding zusamensůchen.‹

Also geht sy hinauf in die kammer über den kasten, da des Hansen kleider lagen, unnd nimpt etliche hembder, zwey par hosen und den gefüllten rock sampt etlichen fatzenetlin, machts auff das gschmeydigst eyn, daß es feyn kommlich zů[134] tragen ist. Darnach hat sy etlich alt ungerisch gulden und gůt alt gstempfft plaphart, bindts in ein weyssz lümplin, gibts dem studenten mit sampt der burdy und schenckt im auch etwas, damit ers dest fleyssiger außrichte. Als er nun gessen und truncken hatt, nimpt er die burdy mit den kleidern auf den halß, danckt der frauwen und zeücht darmit darvon.

Nun was es eben umb mittag, daß der baur auß dem holtz heimkam, lieff im die frauw entgegen und sprach: ›Lieber haußwürt, sol ich dir nit wunder sagen? Es ist ein mann bey mir gwesen, der kumpt auß dem Paradyß und kennt mein Hansen sälig wol; er hat mir gsagt, wie er so arm sey und grossen mangel leyde. Do bin ich hingangen, hab im seine kleider geschickt sampt etlichen ungerischen guldin unnd gstempfften plapharten, weliche du nit gewüßt hast, und sölt dich der ritt schitten.‹ Der baur erschrack und sprach: ›Ey, du hast im den teüfel auf den kopff geben!‹ sitzt schnäll auff sein besten hengst und eylt dem studenten nach.

Der student aber stäts hinder sich lůgende (dann er versah sich wol, es wurd also gehn), als er den bauren sicht härnach eylen, wirfft er gschwind die burdy in ein hag und findt ungferd ein par haghändtschůch und ein schaufel; die legt er an. Als nun der baur zů im kam, fragt er, ob er nit einen mit einer burdi gsehen hab. ›Ja, alsbald er euch gsehen, ist er über den hag gsprungen und dem holtz zů gelauffen.‹ Der baur sprach: ›Lieber, halt mirs rossz! So wil ich im nacheylen.‹ Springt hiemit über den hag dem holtz zů. Der student nimpt die burdy, sitzt auffs rossz und reyt darvon.

Als nun der baur niemant fand, keert er widerumb, so findt er weder das rossz noch den, ders im gehalten hat; do gedacht er wol, wie es zůgangen wer. Als er nun heimkumpt, fragt in die frauw, ob er in gfunden hab. Er sagt: ›Ja, ich hab im das rossz darzů geben, daß es im dest belder werde.‹

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 133-135.
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