97.

Einer trůg leid für seinen vatter in einer gelben kappen.

[124] Zu Colmar im Elsas waren zwen gebrüder; ir vatter was ein schumacher, ein alter betagter mann. Der elter sun was auch ein schůmacher, gar ein bescheidenner mann. Der junger was ein maler, gar wild, wunderbarlich und gar verthüig, wie dann der maler brauch ist. Dann sobald er ein batzen verdient,[124] so waren sechs krützer zuvor verthan; kam oft darzu, das er kunst und kunstladen versatzt, domit er gelt zum schlam überkeme.

Es begab sich, das ir vatter mit todt abgieng und man in nach christlicher ordnung solt zu grab tragen. Der elter son teth sich gantz schwartz an, hieng ein leitzipfel an sein hals, wie sich dann gebürt. Der jung aber, der maler, hat ein schwebelgelbi frantzesische kappen, die er gewont was zu tragen, kam darinn in seines vatters haus gelauffen, wolt auch der leich nachgon. Der bruder und andre freundtschafft sagten, er solt seines vatters seligen schwartzer röck einen anthun; dann es gebürt sich nit, das er also in der gelben kappen der leich nachgon, dieweil sein vatter so ein eerlicher mann unnd des radts gewesen were. Er aber behart in seiner kappen. Als aber die freuntschafft nit nachlassen wolt, er solt ein schwartzen rock anlegen, sagt er: ›Das euch botz marter all mit einander ob einem hauffen schend! Es ist mir der todt meines vatters wol so leid in meiner gelben kappen als meinem brůder, schwager und euch allen mit einander in euweren schwartzen röcken. Ir werdend mir auch keinen anderen rock zu disem mal anbringen.‹ Also müsten sie im recht sein weis lassen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 124-125.
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