Zweite Szene

[15] Es treten auf Baptista, Petruchio mit dem vermummten Hortensio, der eine Laute trägt, und Lucentio, gleichfalls vermummt, welcher einige Bücher unter dem Arm schleppt.


BAPTISTA.

So tretet denn in Gottes Namen ein!

Doch seht, die zwitschernden Vögelein,

Die ihr hörtet sind schon ausgeflogen.

Jetzt aber, ihr Herrn, seid so gewogen,

Nennt eure Namen und was ihr begehrt,

Daß ihr mit eurem Kommen mich beehrt!

PETRUCHIO rauh zu Baptista, der erschrocken zurückweicht.

Schwach ward wohl eur Gedächtniß!

Tut ihm Zwang, schickts auf die Jagd nach mir

Acht Jahre zurück!

Da ward ich euer Gast, wenn auch nicht lang.

BAPTISTA.

Wie konnt ich ahnen solches hohes Glück?

Seid ihr Petruchio nicht, Antonios Sohn

Des reichen Veronesers?

PETRUCHIO.

Ja, desselben! Er starb und ließ mir eine Million

Kanarienvögel, wißt von jenen gelben,

Die stets im dichten Schwarm zusammen gehören

Und deren Klänge alle Welt betören.

BAPTISTA sich tief verneigend.

Wie geistreich und wie witzig!

Seid willkommen, seid willkommen!

Was kann ich tun? Der eure bin ich ganz.

PETRUCHIO.

Von eurem Käthchen hab ich jüngst vernommen,

Sie prang in jeder Tugend holdem Kranz.

Gebt sie zum Weibe mir!

BAPTISTA.

Sagt ihr's zum Spotte?

PETRUCHIO.

Wer spottet, wenn vom kleinen Liebesgotte

Der scharfe Pfeil ihm schier das Herz zerspaltet?

Und seht nur, daß ihr, wie man mir gesagt,

Den Töchtern gute Lehrer gerne haltet,

Hab Einen euch zu bringen ich gewagt.

Herr Cembaloni ist's aus Bergamo,

Ein Meister der Musik ganz ohne gleichen.

Auf Zither, Harfe und dem Cembalo

Wird niemand ihn in seiner Kunst erreichen.[15]

LUCENTIO.

Auch ich, o Herr Baptista, melde mich.

Francesco heiß ich, bin fürwahr ein Meister

In allen Sprachen kund ist's männiglich,

Daß auf mir ruhn Homers Virgils

Und Platos Geister!

BAPTISTA.

Wohlan, ihr Herrn, Ihr mögt probieren,

Geht in den Garten promenieren!

Die Mädchen denk ich sind nicht weit.


Hortensio und Lucentio ab.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 15-16.
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