Fünfte Szene

[34] Katharine, Petruchio.


PETRUCHIO in scherzendem Tone.

Komm, liebes Käthchen, 's ist so schwül im Haus,

Der helle Mond lockt freundlich uns hinaus.

KATHARINE wehmütig.

Die Sonne brennt in Mittagsglut,

Jedoch, du willst es ja; dort seh den Mond ich prangen!

PETRUCHIO.

Den Mond, ei Käthchen, sei vernünftig doch!

Besinne dich, 's ist Mittag kaum vergangen,

Sag, glaubst wirklich du, daß uns der Mond jetzt leuchtet?

KATHARINE.

Ich meine nichts, von Tränen ist befeuchtet des Auges Wimper!

Eins nur seh ich klar: Ich bin dieselbe nicht mehr, die ich war!

Gebrochen ist des wilden Mädchens Uebermut,

Des Weibes schönre Würde, sie durft ich ahnen,

Denn dahin ging dein scherzhaft treues Mahnen!

Tu, was du willst mit mir, ich bin dein Weib,

Ich liebe dich, bin dein mit Seel und Leib!


Sie sinkt im Uebermaß der Empfindungen vor Petruchio zu Boden, der sie liebevoll aufhebt und an seine Brust drückt.
[34]

PETRUCHIO.

Genug, mein teures Weib, die Prüfung endet; dieses wilde Gaukelspiel!

Zum Guten hat's dein edler Sinn gewendet,

Und beide stehen wir am frohen Ziel!

KATHARINE.

O überschwänglich Glück, o frohes Ziel,

Ich wollte dich hassen, mich von dir reißen.

PETRUCHIO.

Und mußtest doch mein Eigen heißen!

KATHARINE.

Die tiefste Wunde im trotzigen Herzen,

PETRUCHIO.

Fand diese Stunde, sie heile die Schmerzen!

KATHARINE.

Und ist es vorüber das wilde Spiel

Und kam nun der Leiden ersehntes Ziel!

PETRUCHIO.

Wir sind am frohen Ziel! Wir sind am frohen Ziel!

Wie bricht aus den Wolken hellstrahlende Sonne!

Das ist die Liebe in Gottes Welt!

Die Herzen und Sterne zusammenhält.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 34-35.
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