[241] Die Vorigen. Guilford.
GUILFORD.
Ich komme, meine theurste Königin,
Dir die Versichrung von der festen Treue
Der Stadt zu bringen! Muth und frommer Eifer
Für ihre Königin erhitzt die Bürger,
Beseelt den Rath. Die nie verschlossnen Tempel
Ertönen stets von Seufzern und Gelübden
Für dich, und für den Sieg der guten Sache.[241]
In dieser Stunde, zweifle nicht, Geliebte!
Wird sich, im Angesicht der ganzen Erde,
Der Himmel selbst für dich erklären. –
Bald wird Northumberland im Siegsgepränge
Durch, unsre Thore ziehn, und deine Feinde
Zu deinen Füssen legen!
LADY JOHANNA.
Meine Feinde!
Ach, das ist euer Werk! Ich Unglückselige,
Ich hatte keinen Feind! Mein sanftes Herz
Hat nie des Hasses Regungen empfunden.
Es athmet Huld und allgemeine Güte.
Ich liebt in jedem Menschen einen Bruder!
Ich hatte keine Feinde, bis ihr mich
Zu dieser That verführtet, die euch allen
Vielleicht verderblich ist, die wider mich
Die halbe Welt empört, und meinen Nahmen
Der späten Nachwelt noch zum Abscheu macht.
O wie bethörte mich mein eignes Herz!
Mich selbst, mich klag ich, an. Ich sah die Folgen
Vorher, sie schwebten fürchterlich verbreitet
Vor meiner Stirn, ich fühlt' ein warnend Lispeln
In meiner Brust – und dennoch gab ich nach![242]
GUILFORD.
Grossmüthig gabst du unserm Flehen nach.
Dein Vaterland vom Untergang zu retten.
LADY JOHANNA.
O! Schone meiner, Guilford, nenne mir
Diess Wort nicht mehr, das meines Unvermögens
So schmerzlich spottet! Ach! wen kann ich retten?
Was hab ich meinem Vaterland zu geben,
Als Thränen? – Thränen, in das Blut zu mischen
Das jetzt – o Gott! um meinetwillen fliesst!
Ich Unglücksel'ge bins, die über England
Den Jammer häuft! Ich waffne Brüder gegen Brüder.
Und färbe dieses Land mit seiner Kinder Blut –
Und wenn Maria siegt, wenn ihre Rachsucht,
Gereitzt von meinem Frevel, sie zu Wuth
Und grenzenloser Grausamkeit entflammt;
Wenn Ströme Bluts den Zorn versöhnen müssen,
Den ich allein verdien', – o liebster Guilford!
Wie kann ich sie ertragen, diese schwarzen
Entsetzlichen Gedanken? –[243]
GUILFORD.
Meine Königin!
Was quälest du dein Herz, diess Paradies,
Wo Ruhe nur und Wonne lächeln sollten,
Mit diesen schreckenvollen Träumen?
Nein, nein, du schöne Unschuld! Nein! die Vorsicht
Verlässt dich nicht! Sie kann dich nicht verlassen,
Dich, deren Geist das Bild der Gottheit strahlt!
Ist sie mit dir, wen fürchtest du, Johanna?
Das Glück? – Es ist der Vorsicht unterthan!
Kein blinder Zufall stört den Plan der Weisheit,
Die alles lenkt, die Harmonie, der Dinge!
Ist dir Mariens Anhang fürchterlich?
Verachte diese lasterhafte Rotte
Von Mißvergnügten, welche nur der Umsturz,
Des Vaterlandes glücklich machen kann,
Von Schwärmern und von Mönchen, deren Waffe,
Nur Flüche sind, die in der Luft zerflattern,
Verschmäht vom Himmel, oder auf die Häupter
Der wilden Eifrer selbst zurückgeschleudert!
O fürchte nichts, so lange noch die Tugend
Bewundrer hat, so lange Suffolk lebt,
So lange Pembrok, Mason, Arondel,[244]
Des Adels Häupter, deinen Scepter ehren!
Du sahst ja selbst den kühnen Muth der Männer;
An deren Stirne dein Northumberland
Der kleinen Rotte bebender Rebellen
Entgegen zog, die Sussex aufgewiegelt!
Der Sieg ist Dein, wenn anders noch die Tugend,
Wie einst, den Busen ihrer Söhn' erhitzt.
Er wird nicht blutig seyn. Der blosse Anblick
Der Helden wird die feige Schar entwaffnen.
Die frohe Zeitung kann nichts mehr verziehn.
LADY JOHANNA.
Du hoffst zu freudig, Guilford! weil du liebst.
Die Liebe macht dich kühn! Mich macht sie zittern.
GUILFORD.
Hat denn die Traurigkeit dein zärtlich Herz
So ganz erfüllt, dass für die süsse Hoffnung
Kein Raum mehr ist? – O fühltest du, was ich!
Wie würden schnell des Kummers düstre Wolken
Vom reinen Himmel deiner Seel' entfliehn!
O! Dein Besitz hat mir, mein ganzes Wesen
Zur Lust gestimmt! Was ich empfind' und denke.
O! Jeder Pulsschlag, jeder Athemzug
Ist Freud' und Wonne – Dich, in deren Bildung,[245]
Was nur das Auge liebenswürdig sehen.
Die Seele denken kann, vereinigt ist;
Dich, deren Geist im Sonnenschein der Weisheit
So früh zur schönsten Blüthe reifte,
In deren Brust die Tugend alle Triebe
Zu schwesterlicher Harmonie gestimmt,
Die jeder liebt, der dich erblickt, bewundert,
Wenn er dich hört, verehrt, wenn er dein Leben sieht;
Dich mein zu nennen, ganz für mich geschaffen,
Und mich für dich! In deinen holden Armen
Ein Leben, gleich dem schönsten Frühlingstag
In ungestörter Heiterkeit zu leben –
Wie sollte solch ein Glück mich nicht entzücken?
Und, O! wie ist die Vorsicht meinen Wünschen selbst
Zuvorgekommen Sie, die dich
Auf einen Thron gesetzt, erklärt dadurch
Dass nur die höchste Stufe Deiner würdig sey.
Die göttliche Johanna wird nicht nur
Die Wonne ihres treuen Guilfords seyn!
Sie wird der Stolz, die Freude eines Volkes,
Sie wird ein Wunder allen Völkern seyn.
Sie wird die himmlische Religion
Zu ihrer Rechten setzen, wird den Frieden,[246]
Und sein, Gefolge, Fleiss und Überfluss und Künste
Im milden Schatten ihres Thrones lagern!
Sie wird –
LADY JOHANNA.
O! theurer Guilford! Reitze nicht
Mein allzuwillig Herz, in süsse Träume
Sich einzuwiegen! – Was du hoffst, Geliebter,
Ist allzuviel für dieses Prüfungsleben.
Doch, was mein Schicksal sey, in deinen Armen
Soll auch das Elend, soll der Tod mir selbst
Willkommen seyn! – Ach Guilford, diese Höhen
Des Glücks sind schlüpfrig; sind mit jähen Klippen
Und Tiefen rings umzäunt! O! lebten wir
Fern von des Hofes ungetreuen Freuden,
In unbekannter Einsamkeit! Verbärg'
Ein schlechtes Strohdach unser Glück dem Neide
Der grossen Welt! O lebt ich da mit dir
Von Sorgen frey, und frey von eiteln Wünschen,
Vergnügt mit dem, was die Natur begehrt
Und willig schenkt, durch unsre Liebe glücklich!
Wie freudig wollt ich an den Schäferstab
Den Zepter tauschen, und, statt dieser Perlen,
Mit frischen Rosen meine Locken schmücken.[247]
GUILFORD.
Du Engelseele, wie entzückst du mich!
Wie würdig zeigt dich diese grosse Denkart
Des Thrones, den du zieren wirst!
Die Hütte würde, wenn sie deinen seltnen Werth
Verbärge, glänzender als diese Wohnung
Der Könige! Durch deine seltne Tugend
Wird dieser Königssitz ein heil'ger Tempel
Des allgemeinen Glückes werden!
LADY JOHANNA.
Vor wenig Stunden war mein höchster Wunsch,
Von Unschuld und von Weisheit stets geleitet,
Mich unbemerkt durch diese Welt zu schleichen;
Mein grösster Stolz, dich, mein Geliebter, glücklich
Zu machen! Niemahls ahnte meinem Herzen,
Auch nur im Traum, was mir begegnet ist.
Der König stirbt; die gleiche Unglücksstunde
Setzt mich auf seinen Thron; ich widersteh' umsonst;
Erschüttert von den Bitten unsrer Väter,
Und des Senates, überlass ich mich
Der fremden Führung; und nun ist ein Schlachtfeld
Der Richter zwischen mir und Edwards Schwester.[248]
Northumberland sicht nun mein Schicksal aus!
Ich falle, wenn er fällt, und siege, wenn er siegt.
O Guilford, welch ein Räthsel ist diess alles
Für meinen Geist! Was wird hoch' aus uns werden? –
Der Himmel weiss es! – In gelassner Demuth
Ergeb ich mich in seinen heil'gen Willen!
GUILFORD.
Wenn mich nicht alles trügt, so wird Ausgang
Dein Räthsel – Still! Wer nähert sich? – Es ist
Dein Vater – Himmel! was verkündigt uns
Sein kummervoller Blick!
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