[316] Wala aus dem Hintergrunde zu den vorigen.
WALA.
Eh' ihr zum Kriegsrat schreitet, höret mich.
LUDWIG.
Wala, der Abt.
WALA.
Ja, Wala, der Euch beide
Am Herzen trug, als Ihr noch Knaben wart –
LOTHAR.
Wir wissen, daß wir's waren – was beliebt?
WALA.
Der Euch die jungen Hände falten lehrte
Zum ersten, heiligsten Gebet des Christen:
»Vater vergibt!« Euch beide und Pipin. –
LOTHAR.
Wir sind beschäftigt, Herr.
LUDWIG.
Nein, er soll sprechen.
Was habt Ihr uns zu sagen werter Abt?
WALA.
Den Preis sollt Ihr mir nennen, Söhne Ludwigs,
Den Ihr auf Eures Vaters Kopf gesetzt.
Ihr sollt mir sagen, wie Ibrs tragen werdet,.
Wenn morgen sich, im Staub vor Euren Rossen,
Der blut'ge Leichnam Eures Vaters wälzt
Und wenn sich die empörte Kreatur,
Mit einem dumpfen Aufschrei des Entsetzens
Von Euch, den Vatermördern, wenden wird?
LOTHAR.
Ihr sprecht sehr schön, nur leider etwas lang
Und nicht am rechten Ort. Was predigt Ihr
Vor unsren Ohren Buße? Gebt hinüber
Und predigt da.[317]
WALA.
Ich war bei Eurem Vater,
Ich sah das gramgefurchte Angesicht,
Den müden Nacken und das graue Haupt –
Sein Haupt – o, eines Vaters graues Haupt
Ist heilig, jedes Haar auf seinem Scheitel
Ruft seine Kinder auf zu Schutz und Ehrfurcht;
Wahrzeichen ist's der mahnenden Natur,
Daß uns das teure Gut nicht lange mehr
Gehören wird!
Er faßt Ludwig und Lothar an der Hand und geht mit ihnen zwei Schritte nach vorn.
Sagt mir, Ihr Schrecklichen,
Was eilt Ihr der Natur so wild voraus?
Ist Euch ihr Schritt zu langsam? Seid beruhigt,
Mißgönnt ihm seine letzten Tage nicht,
Nur wen'ge sind's noch.
LUDWIG.
Sagt, um Gottes willen,
Was wißt Ihr, Abt? Wie steht's mit meinem Vater?
WALA.
Schlecht, König Ludwig.
LUDWIG.
Ist er krank?
WALA.
Er ist's.
Es gibt 'nen Ausdruck in des Menschen Zügen,
Wenn Ihr den seht, dann wißt, daß ihn der Tod
Gezeichnet hat, daß er ihn wiederfinde
Auf seinem nächsten Rundgang durch die Welt.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Karolinger
|
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro