Erster Auftritt

[331] Bernhard. Rudthardt. Ottgar.


RUDTHARDT.

Herzog, nun sagt, wie geht es mit dem Kaiser?

BERNHARD.

Ihr Herrn, ich darf Euch nicht mit Hoffnung täuschen,

Der Kaiser ist weit kränker, als man glaubt.

OTTGAR.

Solch plötzlich Unheil –

BERNHARD.

Ja, sehr wahr – so plötzlich,

Daß man – – nun wohl, Ihr wißt so gut ich,

Wem diese Krankheit Nutzen bringt und Vorteil.

Natur ist unsren Feinden seltsam günstig!

RUDTHARDT.

Ihr scheint noch mehr zu meinen, als Ihr sagt?

BERNHARD.

Ei nun – ich dachte, daß es Mittel gibt,

Nach unsrem Willen die Natur zu leiten.[331]

RUDTHARDT.

Arzneien, meint Ihr das?

BERNHARD.

Man ruft auch Krankheit,

Wenn die Gesundheit überlästig wird.

RUDTHARDT.

Das wäre – Gift!

OTTGAR.

Um Gott, was sprecht Ihr da?

BERNHARD.

Ich sage nicht, sie taten's – doch ich sage,

Betrachtet, welchen Gang die Dinge gehn,

Und sagt, es sei undenkbar.

RUDTHARDT.

Gift! Dem Vater!

Und dennoch – greuelvolle Möglichkeit.

BERNHARD.

Setzt nun den Fall, der Kaiser stirbt – was dann?

OTTGAR.

Ja freilich auch – was dann?

RUDTHARDT.

Dann kommt Lothar.

BERNHARD.

Und dann?

RUDTHARDT.

Nun, was dann weiter noch geschieht,

Wird seine Sorge sein; gut wird es nicht.

BERNHARD.

Euch sagt des Herzens richtiges Gefühl,

Was wir von diesem Mann zu hoffen haben.

Sagt, wollt Ihr willig an den Block Euch geben?

Und soll Lothar der Kaiser sein?[332]

OTTGAR.

Was tun?

Er ist und bleibt des Kaisers ältster Sohn;

Wer kann ihm wehren?

BERNHARD.

Wir, wenn Ihr mir folgt.

RUDTHARDT.

Das wäre – laßt uns wissen.

BERNHARD.

Hört mich;

Den Augenblick, da Kaiser Ludwig stirbt,

Den laßt uns wahren. Diesem Frankenreich,

Das wie ein kopflos ungeheurer Rumpf

Im Taumel gehn wird, laßt ein Haupt uns finden

Und unser ist der Sieg.

RUDTHARDT.

Und dieses Haupt?

BERNHARD.

Ist Karl. Er soll der Kaiser sein der Franken!

RUDTHARDT.

Kühn – kühn bei Gott.

OTTGAR.

Ein Plan der mit dem Rechte

Sich schwer vereint.

BERNHARD.

Im Buch der Weltgeschichte

Gibt's nur ein einzig Recht, es heißt Erfolg.

Und den versprech' ich Euch.

RUDTHARDT.

Versprecht Ihr den?

Seid Ihr gewiß, daß Karl bereit sich findet?

BERNHARD.

Karl ist bereit.[333]

RUDTHARDT.

So spracht Ihr schon mit ihm?

BERNHARD.

Es ist geschehn. Wenn ich Euch Pläne biete,

So seid gewiß: es ist geklärter Wein.

RUDTHARDT.

Wahr ist's, und ich erkenn' es willig an.

Karl, Ludwigs jüngster Sohn, sei unser Kaiser.

OTTGAR.

Nun, Rudthardt, wenn Ihr meint – ich bin dabei.

BERNHARD streckt ihnen die Hände zu.

Schlagt ein, Ihr Herrn – so darf ich auf Euch zählen?

RUDTHARDT schlägt ein.

Ruft mich, Ihr sollt mich finden.

OTTGAR desgleichen.

So auch mich.

RUDTHARDT.

Ich gehe jetzt und mustre unsre Stellung;

Begleitet Ihr mich, Ottgar?

OTTGAR.

Ja, ich komme.


Beide ab nach rechts.


BERNHARD allein.

Wißt Ihr's, wem diese Krankheit Vorteil bringt?

Ah – wie sich Stufe mächtig baut an Stufe,

Wie Ring in Ring sich fügt – und diese Hände,

Gleich zwei Titanen voll allmächtiger Kraft,

Zu Füßen mir zu ketten diese Welt!

Nun könnt' ich wie ein König der Ägypter

Anbetend knien vor meinem Genius.

Wohl weiß ich, unterm Grundstein meines Bau's

Liegt ein Begrabener Kaiser; aus der Tiefe

Sieht Ludwig mich mit toten Augen an[334]

Und murrt mit fahlen Lippen: »Du«. Ja ich denn!

Mit meiner Mutter rechtet, der Natur.

Auch sie trägt Blutschuld; eine jede Stunde

Sieht tausendfält'gen Tod, dem Schwächeren

Vom Stärkeren verhängt. – Und dies Wort »Schuld«

Ist nur der Seufzer der Ertrinkenden,

Die in dem Lebensozean der Kräfte

Zu schwach zum Schwimmen. – Du sei meine Göttin,

Die du den Abgrund zwischen Recht und Unrecht

Im Löwensprunge überwältigst: Tat!


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 7, Berlin 1911–1918, S. 331-335.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Karolinger
Die Karolinger. Trauerspiel in vier Akten

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon