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[114] Der Vater ist abgereist zum Reichstag nach Worms – vielleicht zu einem Zug gegen die Türken.

Darüber durft' ich nie Angst und Sorgen äußern – denn von jeher war es sein Lieblingswunsch, für den Glauben zu fechten.

O könnt' ich ihm folgen, an seiner Seite sterben für den Gott der Christen! Nur zu stillen Leiden werden wir geboren.

Sein Abschied war ernst und stark, als könnte es einer für die Ewigkeit seyn. Ich versprach ihm das unauflösliche Gelübde bis zu seiner Rückkehr zu verschieben, und ich sah einen Strahl der Zufriedenheit auf seinem Antlitz.

Die Möglichkeit, ihm folgen zu können mit der Mutter, selbst im fernen Orient, wenn er unsrer bedürfte, wenn er verwundet würde, oder erkrankte, trug ich tröstend in der Seele tiefen Grund, ohne sie gegen ihn auszusprechen.

Luther ist hinberufen nach Worms, zur Vertheidigung, zum Widerruf seines Irrwahns.[114]

Die Aebtissin ist heftig gegen ihn, wünschte seinen Untergang – Die sanfte Seele konnte dieß! Lasset uns nicht richten, meine Guten, sagte der Vater. Mehr als menschlicher Muth scheint in diesem Manne zu leben, ein ehrnes Herz in seiner Brust zu wohnen.

Was Menschenwerk ist, muß untergehen – Aber jedes Thun aus dem Trieb innerer Wahrheit, mit solchen Opfern begleitet, ist zu achten. Befreiung vom welschen Joch muß der Deutsche wünschen, denn jedes Joch ist irdischer Natur. Die Freiheit in der Liebe und im Glauben kam von Oben herab. Was der Mensch kaufen kann, kommt nicht von Gott, sagt Luther; das scheint mir ein wahres kräftiges Wort, ernsten Bedenkens werth.

Quelle:
Caroline von Wolzogen: Erzählungen. 2 Bände, Band 2, Stuttgart und Tübingen 1826, S. 114-115.
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