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[129] Daß uns ein eigensüchtiger, hartherziger Mönch von der Einfalt der ersten Kirche trennte, die Würde, die Freude des Daseyns nahm in Weib und Kind, den herzlichsten Banden der Natur, unser Leben doppelt zu fühlen! Wie belügt sich der Mensch im sündigen Eigendünkel, wenn er, im kleinen Moment seines armseligen Daseyns, der Zukunft Fesseln anzulegen wähnt – irgend einen scharf ausgedachten Plan als ein Siegel auf die Kraft neuaufblühender Jahrhunderte drücken will! Die gesunde, nie alternde Kraft der Vernunft bricht es spät oder früh, und die einsamen Thränen der Versiechenden, Gefesselten, sind vergebens geweint. Wie fern ist dieß von der göttlichen Demuth, die der Stifter unsres Glaubens lehrt. Nicht für den nächsten Tag soll der schwache Mensch sorgen – und wir sorgen für Jahrhunderte![129]

Quelle:
Caroline von Wolzogen: Erzählungen. 2 Bände, Band 2, Stuttgart und Tübingen 1826, S. 129-130.
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