Der Schöpfer, so die Welt gebauet

[96] Aus dem 61ten Capitel des Propheten Jesaias, der 10te Vers

Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist frölich in meinem Gott.


Ode.


Der Schöpfer, so die Welt gebauet,

Und unser Lebens-Ziel zum voraus schon bestimmt;

Die Allmacht, die das Lied der Weinenden vernimmt!

Und auf der Frommen Elend schauet:

Die hat zugleich jedwedem Menschen-Kind

Affecten mitgetheilt, an die es stets gedenket;

Bald wird der Geist sehr hart gekränket;

Bald aber wird er auch von Frölichkeit entzündt.

Die Freude regt sich stark, sie bringt durch Geist und Blut,

Daß Seele, Sinn und Muth

Sich bald an dem ergötzt, und bald auf jenes lencket.
[96]

Allein was ist die Lust der Erden?

Was ist die Herrlichkeit, und Freude, die sie giebt?

Worinn der meiste Theil der Menschen sich verliebt:

Was kan wohl guts gefunden werden?

Ach! ihre Lust ist irdisch und verfliegt;

Die Schätze, die sie zeigt, sind nichtig, unvollkommen,

Man hat ja allzeit wahrgenommen,

Daß sie zu täuschen pflegt, und gar zu gern betrügt.

Bey ihrer Lust nimmt Müh, Furcht, Zweifel, Unbestand

Wohl meist die Oberhand;

Dieß wissen ebenfals die Bösen und die Frommen.


Auf! untersuchet alle Sachen,

An welchen sich bisher das Angesicht ergötzt,

Und welche euren Geist in Frölichkeit gesetzt,

Vermochtet ihr wohl stets zu lachen?

War eure Lust wohl ohne Widrigkeit?

Ist niemahls eine Müh darbey mit vorgefallen?

Ich bin gewiß, daß unter allen

Nicht einer sagen kan: Mich kränkte nie ein Leid.

Die Welt läßt ihre List und ihre Tücke nicht,

Den Zucker, den sie bricht,

Vermischt sie allezeit mit Wermuth oder Gallen.


Wie mancher Scherz, wie viele Freuden

Verkehren sich zuletzt in schweres Ungemach,

Und ziehen herben Schmerz und Bitterkeiten nach?

Wie oft ward aus der Lust ein Leiden?

Drum werthes Herz! drum edler Geist! wilst du

Vollkomne süsse Lust und reine Freude wissen;

Wilst du sie ächt und stets geniessen,

So must du weiter gehn, dir schickt sie Christus zu.

Such deine Lust an Gott, die Freude, die er schenkt,

Wird gar durch nichts gekränkt,

Sie kan dir immerdar die Lebens-Zeit versüssen.
[97]

Drum laß die Welt mit ihren Schätzen;

Verschwöre ihren Tand und ihre Eitelkeit.

Erheb dein Herz zu Gott, bey ihm wohnt Lust und Freud,

Die deinen Geist weis zu ergötzen.

Hinauf von hier! fort! schwing dich Himmel-an!

Such deines Vaters Reich, ich weis, du wirst es finden,

Und alsdann Ruh und Lust empfinden,

Mit der sich gar kein Leid und Schmerz verknüpfen kan.

In Gott, und seinem Reich, das dich erquickt und speißt,

Wohnt auch der heilge Geist,

Der hilft dir Fleisch und Blut, und alles überwinden.


Hast du dieß Reich in deiner Seelen,

So siehst du Gottes Huld recht tief und feurig ein;

Du siehst in Gottes Herz und Liebes-Glut hinein,

Und darfst dich nicht so leichtlich quälen.

Wenn dich sein Geist bewohnet und belebt,

So wirst du Gottes Huld und Liebe kräftig schmecken,

Und deinen Geist dadurch erwecken,

Daß er sich nur allein zu seinen Gott erhebt.

Ganz unaussprechliches Vergnügen findest du;

Die allersüßte Ruh,

Und ganz besondre Freud wird deinen Geist bedecken.


Das Reich des Herrn ist voll Vergnügen,

Sein Wesen, seine Art ist Anmuth, Freud und Lust;

Drum kans nicht anders seyn, es muß Geist, Sinn und Brust

In einer heilgen Freude liegen.

Wer Gottes Huld einmahl geschmecket hat,

Wer seine Liebes-Glut nur einmahl hat empfunden,

Der denket auch zu allen Stunden,

Wie er der Welt abstirbt. Er krieget ihrer satt.

Ihm eckelt vor der Welt, er giebt ihr gute Nacht,

Und ist nur drauf bedacht,

Wie sie je mehr und mehr von ihm werd überwunden.
[98]

Jemehr der Geist der Welt abstirbet,

Jemehr wird er von Gott und seiner Kraft genehrt;

Jemehr die Liebe sich zu unserm Heyland mehrt,

Jemehr er sich um Gott bewirbet.

Jemehr die Welt in uns gedämpfet wird,

Jemehr kan auch der Geist der Höhe uns regieren;

Jemehr wir auch die Freude spühren;

Jemehr die Seel nach Gott und seiner Liebe girrt.

Ein Herz/ das sich der Welt und ihrer Lust begiebt,

Und Jesum brünstig liebt,

Wird Christus wiederum mit seiner Freude rühren.


Dergleichen übergrosse Freude

Verspührte David dort, da er im Chore sang,

Und vor der Bundes-Lad' im Tanzen frölich sprang.

Hieß dieß nicht eine Seelen-Weyde?

O grosses Glück! das Israel vernahm,

Als Gottes Herrlichkeit die heilge Hütte deckte,

Und Salomon die Hand ausstreckte,

Da Gottes Herrlichkeit auf seinen Tempel kam.

Was kömmt der Freude bey, die Petrus dort empfund,

Da er auf Thabor stund?

Da er die größte Lust, die Engels-Speise schmeckte?


Ach! wenn man Gott das höchste Wesen

Und dessen Schönheit recht in seinem Geist betracht;

Giebt man auf seine Kraft und Lieblichkeiten acht,

So hat man sich was guts erlesen.

Man fühlt und schmeckt die Kräfte jener Welt.

Wer solche hier geschmeckt, der lebt in Gott zufrieden;

Nichts kan den frohen Geist ermüden,

Weil nichts als Lust und Ruh in ihm die Wohnung hält.

Man fühlt sie aber mehr, als man sie sagen kan.

Wo findt man einen Mann,

Der ihre Schönheit recht beschrieben und entschieden?
[99]

Was ist der Freude zu vergleichen,

Die Jacobs frommen Geist in jener Nacht erquickt,

Als er die Leiter dort mit Gottes Heer erblickt?

Hier muß die größte Wollust weichen!

O süße Lust! die auch im Schlaf ergötzt,

Und uns mit Himmels-Glück und Gütern reich erfreuet,

Die weder Zeit noch Glut zerstreuet;

Die uns aus aller Quaal und Bittrigkeit versetzt.

Bey solcher Lust schläft man auf Steinen mehr vergnügt.

Als man auf Betten liegt,

Sind sie gleich Königen und grossen Herrn geweyhet.


Ein Paulus sieht die Herrlichkeiten

Und Schätze dieser Welt vor Koth und nichtig an,

Die Liebe, die der Herr an seiner Seel gethan,

Weis ihm die Welt-Lust zu bestreiten.

In Gottes Gnad, und Christi Liebes-Glut,

In seiner Todes-Pein, in seinen blutgen Wunden

Hat er allein die Lust gefunden,

Die fromme Seelen stärkt, und ihnen gutes thut.

Sein Leben, seine Lust, sein Trost und Freuden-Kron

War Gottes liebster Sohn,

Drum hielt ihn keine Pracht der Eitelkeit gebunden.


Dieß Manna schmecken keine Herzen,

In denen noch die Welt und ihre Liebe wohnt;

Wo Schein und Schalkheit herrscht, und wo die Bosheit thront,

Und mit dem Wort des Höchsten scherzen.

In die allein, die auf den Heyland sehn,

Und seiner Kreuzes-Fahn getreu zu seyn geschworen,

Die geistlich sind, als neu gebohren,

Die, wo er sie hinführt getreulich mit ihm gehn:

In diese spricht der Herr mit seiner Freude ein.

Die seine Tempel seyn;

Nur diese Seelen sind zu solchen Glück erkohren.
[100]

O unaussprechliches Vergnügen!

Das Gottes Kinder labt und ihnen eigen ist!

O grosse Herrlichkeit, womit ein frommer Christ

Sünd, Höll und Teufel kan besiegen.

Wie wohl wird mir, wenn dieß mein Geist erwegt!

Wie wird mir? da ich jetzt von dieser Freude zeuge!

Und meinen Geist zum Vater neige,

Der mir auch diese Lust geschenkt und beygelegt!

So sing ich dann hiervon. Doch nein! die Kraft gebricht,

Kein Mensch vermag es nicht,

Kein Mund beschreibet sie: daher ich billig schweige.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 96-101.
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