Auf den Geburts-Tag einer Priester-Frau

[360] Den 16. des Heumonats 1735.


In andern Namen.


Kein Mensch in dieser Welt, wer er nur immer sey,

Ist von den Regungen und von Affecten frey.

Bald übereilet ihn Furcht, Zorn, Neid, Hoffarth, Liebe,

Bald Rachgier, Eifersucht, und auch des Geitzes Triebe.

Die streiten denn in ihn: da muß er munter seyn,

Denn sonsten büsset er gewiß im Kampfe ein:

Und trägt den Ruhm nicht weg, den solche Streiter kriegen,

Die ihre Regungen, und ihren Muth besiegen.

Der weise König bringt ja selbst das Zeugniß bey:

Daß der, der seinen Muth bezwinget, grösser sey,

Als der, so Städte zwingt. Bald will der Zorn erwachen,

Und den Beleidiger sogleich zu Schanden machen.

Bald regt sich wiederum im Herzen Lust und Freud;

Ein andermahl empfindt die Seele Traurigkeit.

Drum merket, daß der Mensch sich wohl zu hüten habe,

Daß er bey dem Verlust der und auch jener Gabe,

Nicht allzu traurig wird, und aus den Schranken geht,

Worin ein guter Christ und tapfrer Streitet steht.


Das Leid hat seine Zeit: wenn Gott uns Plagen schicket;

Wenn er den Hagel ruft; wenn er das Rachschwerdt zücket;

Wofern wir wieder Gott und Nächsten mißgethan,

Da ist es Zeit und Stund darinn man weinen kan.


Das Lachen hat zugleich auch seine Zeit und Stunde;

Nicht etwan, daß man sich mit Geist, mit Seel und Munde

Erfreuet/ wenn man soll bey Tanzen, Spiel und Wein,

Bey eitelem Geschwätz und Lust zugegen seyn;

Nicht, wo man Narrethey auf denen Lippen heget;

Nicht, wenn die Hand des Herrn den Nächsten drückt und schläget,

Der uns zuwider ist; nicht, wenn wir unserm Feind,

Freund, Nachbar, Fremdling, Gast und wen man sonst noch meint,[360]

An seinem Amt und Gut und Ehren schaden können;

Nicht wenn ihn andere sein Leid und Unglück gönnen;

Nicht wenn ein böser Rath und Anschlag uns gelingt;

Nicht, wenn Gott unsre Feind in unsre Hände bringt.

Nein! diese Freud ist toll, dieß Lachen heiset Sünde,

Und hat nie seine Zeit: Denn einen Gottes Kinde

Geziehmt sich dieses nicht. Ein andres Lachen hat

Wohl seine Zeit und Stund: Wenn Gott uns früh und spat

Mit Strömen seiner Güt und Seegen überschüttet,

Und uns vor mancherley Gefahr und Noth behütet.

Wenn Gott sein Wort uns schenkt; wenn er die Sünd vergiebt,

Und uns in seinem Sohn treu, zärtlich, ewig liebt.

Bey solchen Zeiten soll sich Geist und Mund erheben,

Da soll es Frölichkeit und Jauchzen von sich geben.


Nebst diesen giebt Gott auch zuweilen einen Tag

An welchem man sich wohl besonders freuen mag.

Bald lässet uns der Herr ein Freuden-Fest begehen,

Bald soll uns eine Zeit zur Ehren-Bahn erhöhen,

Bald läßt uns seine Güt dieselbe Stunde sehn,

In der wir aus dem Leib der Mutter konten gehn.

In der er uns das Licht der Erden schauen liesse,

Und uns durchs Wasserbad zu seiner Kindschaft wiese.

Zu einer solchen Zeit und Stund geziemt es sich,

Und ist Gott angenehm, daß man sich sonderlich,

Mit Herz und Mund erfreut: Da mag des Mundes Lachen

Die Freudigkeit der Brust klar, laut und ruchbar machen.


Nun einen solchen Tag, Hochwerthe Gönnerin!

Läßt dir derselbige, der unser aller Sinn

Erforschet und ergründt, bey allen Wohl erblicken.

Heut ist es dir erlaubt die Freude auszudrücken

Die deine Seel empfindt. Ich seh bereits im Geist,

Wie du die Vaters-Hand vor solche Wohlthat preißt.

Dein Eh-Herr freut sich auch hierbey in seiner Seelen:

Und ich kan ebenfals die Freude nicht verhehlen,

Worein mich, Wertheste! dein Freuden-Fest gebracht.


Und darum hab ich auch an meine Pflicht gedacht,

Und such dieselbige jetzunder abzutragen.

Ich will zwar kurz und schlecht, jedoch von Herzen sagen:

Gott sende dir bey Glück, bey Seegen, Fried und Ruh,

Den heutgen Freuden-Tag noch oftermahlen zu:[361]

Es müsse seine Hand dich wieder alles schrecken,

Und was dir schaden kan, beschützen und bedecken.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 360-362.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Poetische Rosen in Knospen
Das Ilmenauische Bergwerk: aus

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon