Auf eines vornehmen Mannes Namens-Tag

[396] Den 25. des Heumonats 1736.


In andern Namen.


Der Allmacht Meisterstück, der Menschen die kleine Welt,

Viel Gaben der Natur und Schönheit in sich hält,

Woraus die Lieb und Huld des Schöpfers zu erkennen,

Weswegen wir uns auch nicht wenig glücklich nennen.

Allein was hilft es uns, wenn wir auch noch so schön,

Und lieblich ausgeschmückt der Welt vor Augen stehn;

Woferne nicht der Herr zu unsern Leib und Leben,

Uns eine feine Seel und die Vernunft gegeben?

Was nützet uns der Leib, wenn uns Verstand und Licht;

Zu unsern Amt und Werk hier mangelt und gebricht?

Wie elend ist der Mensch, dem Geist und Kräfte fehlen,

An statt der Laster-Bruth die Tugend zu erwehlen.


Giebt aber uns der Herr bey unserm Erden-Trit

Auch eine feine Seel nach seiner Liebe mit;[396]

Sucht er in unsre Brust Verstand und schöne Gaben,

Licht, Weisheit und Vernunft zu legen und zu graben;

So sind wir schön geziert. Denn hat Witz und Vernunft,

Bey uns die Oberhand, so sehen wir die Zunft

Der Thörichten nicht an. Ist die Vernunft geläutert,

Ist der Verstand erleucht, geklärt und ausgeheitert,

So ist der Sinn auch schön, so ist der Wille gut.

Das Wesen so man treibt, die Werke so man thut,

Die richt man löblich ein. Sie führet uns zu Sachen,

Wodurch wir uns berühmt und glücklich können machen.

Es läßt uns die Vernunft was mehr als Irdsches sehn,

Sie lockt und reitzet uns der Tugend nachzugehn.

Ein niederträchtig Herz labt sich an eitlen Werken,

Und sucht sein Aug und Herz an solcher Lust zu stärken,

Die reine Seelen fliehn; da dort ein kluger Geist

Und aufgeklärter Sinn sich alle dem entreist,

Was nach der Thorheit schmeckt. Er schwingt sich von der Erden,

Und trachtet durch Vernunft und Tugend groß zu werden.

Er wirds auch in der That. Sein Name bleibt und steht,

Wenn schon der Leib zerbricht und er von hinnen geht.


Von diesem zeugen ja so viel berühmte Männer,

Dieß lehrst du ebenfalls/ Geehrt- und Hoher Gönner! Der Herr von Ewigkeit und Held von Israel,

Der zierte deinen Leib mit einer feinen Seel:

Die Jahre nahmen zu, so wie der Geist in dir,

Es hielt dir die Vernunft stets ihre Schönheit für:

Und durch derselben Trieb trugst du ein groß Verlangen,

Der Tugend nachzugehn, und nur durch sie zu prangen.

Es sah dein tiefer Witz der Tugend Würde an,

Und wie man sich durch sie gefällig machen kan.

Du wußtest, daß sie Neid, Zeit, Tod und Moder höhnet,

Und sich allein durch sich verewiget und krönet.

Des Baumes gute Art beweißt er durch die Frucht,

Und wer die Tugend trägt, der sinnet, denkt und sucht,

Wenn es von nöthen ist, sie auch nicht zu verschweigen,

Und will sie sonder Ruhm durch Wort und Werke zeigen.

Dieß hast du, Theurer Mann! durch dich sehr wohl probirt,

Die Tugend hat man stets an deinem Thun verspührt.

Dein Geist stieg über sich nach jenen Himmels-Zinnen,

Du gabst auch dein Gemüth, dein Herz und deine Sinnen,[397]

Der Tugend gänzlich hin, und richtest deinen Stand

Nach ihren Regeln ein. Du suchtest, wie bekannt,

Der grossen Geren-Stadt zu dienen und zu nützen,

Und hier der Themis Arm und Stuhl zu unterstützen.

Die Tugend liebest du in deinem Richter-Amt,

Der Rath, die Policey, die Bürger insgesamt

Bekräftigen mein Wort. Sie müssen frey gestehen,

Daß sie ein Tugend-Bild an ihrem Brückner sehen.

Drum ist dein Rathschluß gut, drum ist dein Urtheil recht,

Wer kennet dich noch mehr? Ihr Waysen! ja ihr sprecht,

Daß ihr ein Vater-Herz an eurem Brückner wisset,

Wovor ihr mit Begier der Allmacht danken müsset.


Ja, diese nicht allein erfahren dieses Glück,

Ich selbst, Geehrtes Haupt! o denke nur zurück!

Kan davon Zeuge sein. Wie hat nicht deine Güte,

Und Tugend meine Brust, mein Auge und Gemüthe,

Mit vieler Gunst erfreut! Ich habe sonder Scherz,

Und ohne Schmeicheley an dir ein Vater-Herz,

Beliebter Mann! gesehn. Ich denke an die Stunden,

Da ich so manches Glück durch deine Huld gefunden.

Drum jauchz ich, wenn mein Geist an deinen Namen denkt;

Auch jetzund, da der Herr dir ein Vergnügen schenkt,

Und dich dein Namens-Fest mit Freuden heist begehen,

So kan ich höchst erfreut vor deinen Augen stehen.


Die Schuldigkeit verlangt, daß sich bey Deinem Fest,

Mein freudiges Gemüth durch Wünsche sehen läßt.

Der grosse Seegens-Herr, der alle Menschen nehret,

Der dich bewacht, beschützt, dich seegnet, liebt und ehret,

Der breite seine Hand noch ferner auf dich aus.

Er schütze dein Gemahl und dein berühmtes Haus,

Und lasse diesen Tag noch vielmahls wieder kommen,

Mir aber werde nie Dein Vater-Herz genommen.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 396-398.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Poetische Rosen in Knospen
Das Ilmenauische Bergwerk: aus

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon