Das Eilffte Lied

[121] 1.

Cynthia du güldnes Licht/

Das nun durch den Abend bricht/

Scheine meiner Liebsten doch/

Blinckt ihr Sterne

her von ferne/

helfft uns tragen dieses Joch.


2.

Weil wir schon in süßer Ruh

Diesen Abend bringen zu/

Weil mich itzt mein Auffenthalt

In den Armen

Lässt erwarmen/

Mag es immer werden kalt.


3.

Nach der Kälte frag ich nicht/

Wenn ich diß mein Sonnen-Licht

Annoch bey mir haben mag/

das mich quicket

und anblicket/

Biß sich zeigt der hohe Tag.


4.

Sie ist flüchtig wie ein Reh/

Ihren Haaren weicht der Klee/

Ihrer rothen Lippen Zier

von Korallen

mier gefallen/

Wann Sie neigt Ihr Heupt zu mier.[122]


5.

Lieblich klingt es/ wann die Bach

Durch die Steine rauscht gemach/

Dieser aber geht sie vor/

Wenn sie singet/

Wenn sich schwinget

Ihre Stimme hoch empor.


6.

O wie seelig ist die Nacht/

Da mich dieses Licht anlacht/

Da ich Ihren rothen Mund

bin geflissen

stets zu küssen/

Da mir alles ist vergunt


7.

Ihre Liebe schenckt sie mir

und ich schencke wider Ihr

Meine Liebe biß die Nacht

von uns weichet/

wenn verbleichet

dieser güldnen Sterne Pracht.


8.

Nun du güldnes Feder-Zelt/

Das vor andern uns gefällt/

Laß verschwiegen seyn die Lust/

die wir üben

in dem lieben/

die nur dier und uns bewust.


Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 121-123.
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