Gespräch zwischen dem Schäfer Amyntas und der Chloris

[15] Aria.


Amyntas:


Ihr Winde spielet mit den Sträuchern,

Ich aber muß ohnmächtig seyn.

Hätt ich doch nur dergleichen Macht,

Wie wolt ich Chloris Hertz bewehen,

Und eher nicht von dannen gehen,

Biß daß ich es an mich gebracht.

Si replica.
[16]

Ach Chloris hast du denn gehört,

Wie scharff der Wind durch das Gebüsche fährt?


Chloris:


Ich hab es wohl gesehen,

Kein Baum bleibt unverschont,

Wir Hirten sind es längst gewohnt.

Es ist ja heute nicht zum erstenmahl geschehen.


Amyntas:


Das ist wohl wahr, doch aber kan der Sturm

So Stamm als Aeste beugen,

Nur meiner Seuffzer Hauch und Macht,

Kan, weil mich Chloris stets verlacht,

Dein unbeweglich Hertz zu mir nicht leider neigen.


Aria.


Ihr Winde lehnt mir die Gewalt,

Damit ich Unglückselger bald

Diß feste Hertze kan, wie ihr, die Aeste rühren;

Bewegt sich solches nur, und läßt die Oeffnung spühren,

So schleicht Cupido sich gewiß so dann hinein,

Und Chloris wird verliebt, nicht mehr tyrannisch, seyn.


[17] Chloris:


Verliebt? Ach das versteh ich nicht,

Ich mag davon auch keinen Unterricht,

Cupido bleibe wer er sey,

Ich halte nichts von solcher Phantasey,

Wie könt ich ruhiger, als hier bey meinen Schaafen,

Bethörter Schäfer, schlafen?


Aria.


Wer sich läßt von den Amor locken,

Verfällt in ewge Sclaverey.

Ich wehle nicht vor Rosen Neseln,

Und lasse mich so leicht nicht fesseln,

Mein Hertz und Geist bleibt immer frey.

Da Capo.


Amyntas:


Ach Chloris! laß den Irrthum schwinden,

Wer hat den Liebes-Gott, der doch so liebreich strahlet,

Dir nur allein so heßlich abgemahlet?

Will deine Schönheit sich mit Grausamkeit verbinden?

Wohlan! so soll bey meiner Pein,

Der Tod der beste Retter seyn.


[18] Chloris:


Was Tod? Ich gehe fort;

Wann du ja sterben wilst, so stirb nur immerhin,

Damit ich nur kein Zeuge bin,

Es möchte sonst das Volck auf die Gedancken kommen,

Als hätt ich mir dergleichen Mord,

Dich loß zu werden, vorgenommen.


Duetto.


Amynt:


Ach sorge doch vor mein Erblassen.


Chlor:


Ich sorge nicht vor dein Erblassen.


Amynt:


Wie? achtest du mein Sterben nicht?


Chlor:


Leb, oder stirb, ich acht es nicht.


Amynt:


O Grausamkeit! der nichts kan gleichen.


Chlor:


O Thorheit! der nichts zu vergleichen.


Amynt:


Kanst du diß sonder Wehmuth sehn?


Chlor:


Ich kan es sonder Wehmuth sehn.


[19] Amyntas:


Was wird zu deinen Eigensinn,

Du unbarmhertzge Mörderin,

Entmenschte Chloris! einst die späthe Nachwelt sprechen?

Ich weiß gewiß,

Daß diß

Der Himmel selbst wird rächen.


Chloris:


Ich habe weder Stahl noch Gifft,

Der dir dein ängstlich Hertze trifft,

Mein Schäfer-Stock, was wilst du von Ermorden sagen?

Hat keinen noch verwund, geschweige todt geschlagen.


Amyntas:


Du spottest meiner nur,

Amyntas geh, verlasse Heerd und Fluhr,

Geh, kühle deine Liebes-Flammen,

Die selbst der Himmel nehrt und Chloris will verdammen,

Im nächsten Fluß nunmehr auch ab,

Da findst du doch das beste Grab,

Das dich dem Schmertz und Harm entreisset /

Und ein erwünschtes Schutz-Dach heisset.


[20] Aria.


Schließt mich, ihr Zucker-süssen Wellen,

In eure feuchten Armen ein.

Ich mag von Chloris nichts mehr wissen,

Dich / schönste Thetis, will ich küssen,

Ich weiß du wirst mitleidig seyn.

Da Capo.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 15-21.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Versuch in gebundener Schreib-Art
Versuch in Gebundener Schreib-Art (Paperback)(German) - Common

Buchempfehlung

Wilbrandt, Adolf von

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.

62 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon