Als ein Vornehmer Printz wieder abreisete

[12] Wie hart ist nicht der Schlag, der unsre Hertzen trifft,

Was ist wohl in der Welt, das uns mehr Kummer stifft?

Als diß, daß man Dich soll, entflohner Printz, vermissen,

Und wir nicht mehr den Saum von deinen Purpur küssen;

Ihr Bäume! zeigt mit uns zugleich auch euer Leid,

Was nutzet euch nunmehr das grüne Feyer-Kleid,

Worinnen man bißher mit Lust auch sahe prangen,

Es schickt sich selbiges nicht zu bethränten Wangen.

Beblühmte Wiesen! legt das Schmeltzwerck wieder ab,

Das euch der Floren Hand aus ihren Schatz-Hauß gab,

Laß, fahler Pleissen-Strand, durch mattes Rauschen hören,

Daß deine Wellen sich in Thränen-Saltz verkehren;[13]

Ihr Musen, die ihr ihm, so bald er angelangt,

Ein frohes Jubel-Lied auf euren Häynen sangt,

Hängt Harff und Zitter auf, werfft eure Flöten nieder,

Und singt bey seiner Flucht nur eitel Klage-Lieder.

Seitdem, verreißter Printz, hier unsre Linden-Stadt,

Von Deiner Herrlichkeit den Strahl vermisset hat,

Sieht alles dunckel aus, der Mauern ödes Wesen,

Läst uns ein Ebenbild von Wüsteneyen lesen;

Die Sonne hüllet sich in trübe Wolcken ein,

Die Deiner Nachbarschafft hier soll beraubet seyn,

Und Luna, die den Glantz von Deinen lichten Orden

Verliehrt, ist blaß und bleich vor Kümmerniß geworden.

Wir stellen uns mit Schmertz die Treflichkeit von Dir,

Und Deine Seltenheit noch augenblicklich für;

Ein jeder, welcher Dich und Deinen Geist erblicket,

Hat sich Dein Bild recht tieff in Seel und Hertz gedrücket,

Bewundre solches nicht, warum gleich aller Welt

Dein mehr als prächtger Strahl in die Gedancken fällt,[14]

Es reitzen uns darzu die Götter gleichen Gaben,

Vor die man, Grosser Printz, muß Lieb und Ehrfurcht haben;

Jedoch was schildern wir zu desto größrer Pein

Uns Deine Schöhnheit ab? Da Deines Purpurs Schein

Nach andern Völckern sich bedaurens-werth will lencken,

Woran wir wahrlich recht mit Eifersucht gedencken,

Ihr Pierinnen kommt, hier ist der Linden-Plan,

Erwählt den schönsten Baum, schneidt seinen Nahmen an,

Damit noch dermahleinst die späthe Welt mag lesen,

Wie schmertzlich, leider uns! sein Abschied sey gewesen.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 12-15.
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