Cantata

[7] Aria.


Seh ich meine Heerde schertzen /

Wie sich Paar und Paar vergnügt,

So belach ich derer Schmertzen,

Die der Liebes-Gott besiegt,

Ich verstopffe Hertz und Ohren,

Wenn mir will ein Anfall dräun,

Denn ich hab es fest verschworen,

Amors Opfer-Magd zu seyn.


So fieng die Chloris bey recht ängstlichen Gebehrden

Einst zu sich selber an,

Als sie bey ihren muntern Heerden

Sich gantz allein befand;

Doch eh sie sichs versah,

Erblickte sie bey sich Myrtillen mehr als nah,

Er nahm sie bey der Hand

Und wuste selbige, vor Brennen und Entzücken,

Nicht zärtlich gnug zudrücken;[8]

Doch weil sie solche fahren ließ,

Und ihm sein freches Thun verwieß,

So sucht er sie, indem sie wolt entrinnen,

Durch diesen Zuspruch zu gewinnen:


Aria.


Liebste Chloris, laß uns schertzen,

Amor bietet unsern Hertzen

Tausendfaches Labsal an.

Lösche meine Liebes-Flammen,

Die vom Himmel selber stammen,

Weil sie sonst nichts löschen kan.


Wie? sprach die Chloris drauf,

Ich solte dir mein Hertze weyhn?

Nein, nein,

Ich mag von dem verwirrten Lauf

Der Liebe gar kein Wort mehr hören,

Kein Schäfer wird so leicht, ich schwör es, mich bethören,

Das Lieben ist mir recht verhaßt,

Der feste Schluß, den ich erfaßt,

Wird, glaub es, ohnverändert bleiben,

So lang ich werde Heerden treiben.


[9] Aria.


Sich unter Amors Joch begeben,

Und auf den wilden Wellen schweben,

Ist wahrhafftig einerley;

Denn wenn die Fahrt am besten gehet,

So bricht, weil Sturm und Grauß entstehet,

Schiff und Mast geschwind in zwey.

Da Capo.


So kurtz sie den Bescheid auch dem Myrtillo gab,

So ließ er doch nicht ab,

Der Chloris weiter zuzusetzen:

Ach wilstu, sprach er, mich nicht deiner würdig schätzen:

Geliebte, laß dich überwinden,

Du solst an mir,

Ich schwöhr es dir,

Den allertreusten Schäfer finden.


Aria.


Bespiegle dich an deiner Heerde,

Du unbarmhertzge Schäferin.[10]

Schau wie sich bey kühlen Schatten,

Die verliebten Lämmer gatten,

Aber ich muß einsam seyn;

Siehe wie sie schertzen, hüpffen,

Jedes sucht sich zu verknüpffen,

Aber ich muß trostloß seyn;

Mercke, wie sie nach dem Spielen

Sich an Bächen wieder kühlen,

Aber ich muß durstig seyn.

Si replica.


Allein

Sein Antrag war vergebens,

Denn Chloris Hertz blieb Stahl und Stein,

Drum riß sie sich aus Zorn von ihn,

Und ließ in vollen Lauf und Fliehn,

So eyfrig er sie doch schien zu verehren,

Zu seinen schlechten Trost, ihn dieß zum Abschied hören:


Aria.


Viel lieber will ich Leib und Leben,

Und meine Heerden, die hier stehn,[11]

Zum Raub den wilden Thieren geben,

Als in des Amors Fröhne gehn,

Mein Hertze läst sich nicht behandeln,

Und solt auch jeder Halm und Laub,

In Menschen Zungen sich verwandeln,

So bleibt die Chloris dennoch taub.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 7-12.
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