Zweiter Auftritt.

[87] Canari und Flodoardo.


CANARI.

Ha, willkommen!

Ihr verwöhnt uns, Flodoardo,

Euch, nach einer Trennung, niemals

Anders wieder zu erblicken,

Als geschmückt mit neuer Großthat.

FLODOARDO.

Eure Herrlichkeit ...[87]

CANARI.

Seit wann

Kamt Ihr heim aus Padua?

FLODOARDO.

Um die Vesperstunde gestern.

CANARI.

Wie? so spät? und habt, kaum etwas

Später, die Banditen schon

Ausgestöbert, eingeschlossen,

Aufgehoben, weggeschleppt?

Unter uns gesprochen, treibt Ihr

Nicht ein wenig Hexerei? –

Leider unter unserm Adel

Sind der Hexenmeister wenig!

Darum ist auch ganz Venedig

Eures Ruhmes heute voll.

FLODOARDO.

Eure Herrlichkeit beliebt ...

CANARI mit steigender Wärme.

Was da »Herrlichkeit?« – die Hand her,

Edler Jüngling! Nicht die Hand her, –

Her das Herz, das Heldenherz!


Er umarmt ihn.


Gott mit dir, du tapfrer Degen!

Nenne mich nicht Herrlichkeit –

Vater nenn' mich, das bin ich!

Sieh, dein Vater, dem du gleichest,

Einst war er mein andres Ich;

Nun erbt meine Lieb' auf dich.

FLODOARDO ihn gerührt umarmend.

O schon längst lieh ich im Herzen[88]

Dankbar Euch den Vaternamen.

Denn wer nahm sich meiner an,

Als ich, ein verbannter Flüchtling,

Wieder nach Venedig kam?

Als ich unbekannt und einsam,

In der Heimath meiner Ahnen,

Ein verlorner Fremdling stand?

Wer hat ...

CANARI.

Ei, was fragst du mich?

Weiß ich denn ein Wort von Allem?

Also still davon, mein Sohn,

Still! – Hingegen eine Bitte:

Weil der Vater auch den Umgang

Seines Sohnes gern genösse –

Er ist alt, und alte Herrn,

Weißt du, plaudern gern ihr Stündchen –

Mußt du, ohne Widerrede,

Haus und Tafel mit mir theilen.

Hand her!

FLODOARDO.

Mir geziemt Gehorsam.

CANARI.

Schön, das Bündniß bleibt geschlossen,

Und es gelte bis zum Tode. –

Hat der Doge dich gesprochen?

FLODOARDO.

Nein; berufen ließ er mich.

CANARI.

Seine Hoffnung baut auf dich.[89]

FLODOARDO.

Ach, noch hab' ich nichts geleistet ...

CANARI.

Als genug war, die Erwartung

Zu noch Höherem zu steigern.

Du hast Kraft; Wir haben Macht,

Jede Bahn dir aufzuriegeln,

Die den Mann zum Ruhme führt.

Lieber Freund, versäume nicht,

Heute deine Ehrerbietung

Rosamunden zu bezeugen.

Denn mit ungewohntem Antheil,

Sagen sollt' ich fast, mit Wärme,

Sprach des Dogen edle Nichte

Gestern uns von dir, und ...


Er unterbricht sich, betrachtet eine Weile schweigend Flodoarden, dem er einige Schritte näher tritt.


FLODOARDO verlegen, indem er Canari's Aufmerksamkeit ausweicht.

Wirklich?

Allerdings ... noch heut ... ich werde ...

CANARI.

Was erblick' ich?

FLODOARDO wie vorhin.

Was bemerkt Ihr?

CANARI ernst.

Tief hinab glaubt' ich zu schaun,

In den glühnden Boden eines

Heimlichen Vulkans. – Es brannte

Flammenhell auf deinem Antlitz

Bei dem Namen Rosamundens. –[90]

Sah ich recht? Sah ich im Abgrund

Deines Innern jenen Brand

Einer Leidenschaft, die dich nur ...

Lähmen, nur – entehren könnte!

FLODOARDO fest.

Mich entehren? Nein, Ihr irrt.

CANARI.

Nun, so röthete die Wangen

Dir der bloße Wiederschein

Von dem Flammenschwert des Cherub,

Der dein beßres Selbst bewacht.


Er nimmt Flodoardo's Hand in die seine.


Freund, du gabst mir Vaterrecht.

Laß mich's üben! – Offenherzig,

Was verrieth denn dies Erröthen,

Als ich Rosamunden nannte?

Liebst du sie? – –


Nach einer Pause, in der er Antwort erwartet.


Unglücklicher!

Dann brich auf und rette dich;

Rette dich, wenn du noch kannst,

Vor dir selbst! – Sei deiner würdig.

FLODOARDO.

Meint Ihr, daß es mich entwürd'ge,

Wenn ich jener Herrlichen

Nicht die Huldigung versage,

Die ihr ganz Venedig bringt?

CANARI läßt Flodoardo's Hand fallen.

Ich verstehe dich. – So hätt' ich

Dennoch mich in dir getäuscht?

Dieser Schwäche, dieser Thorheit[91]

Glaubt' ich nimmermehr dich fähig.

Sohn, verzeih es, wenn dein Vater,

Mit dem vollen Vaterherzen

Warnend, sorgend zu dir spricht!

Weißt du denn, wohin empor

Deines Wahnsinns stolzer Blick

Sich erheben will? – es warben

Schon Italiens Fürstensöhne

Um Andreas Gritti's Nichte;

Schon die Söhne von Venedigs

Alleredelsten Geschlechtern.

Rosamunde, jeder Fürstin

An Geburt und Reichthum gleich,

Wies die Werbenden zurück.

Denn ihr Oheim, zweifle nicht,

Hat die Hand der schönen Nichte

Einem Mächtigern bestimmt.

FLODOARDO düster.

Sei es! Ich steh' ohne Anspruch.

CANARI.

Hüte sehr dich, fremden Augen

Deine Schwachheit auszuplaudern;

Denn entweder straft dich schwer

Das Gelächter aller Spötter,

Oder plötzliche Verbannung.

FLODOARDO.

Mich erschrecken beide nicht.

CANARI seine Hand nehmend.

Sohn, mein Sohn, sei deiner würdig!

Kämpfe kühn den schwersten Kampf,

Laß, von dieser Leidenschaft,[92]

Deinen freigebornen Geist

Nicht zu früh in Ketten schlagen;

Sie wird deiner besten That

Des Verdienstes Kranz entreißen.

Freilich, auch die Liebe, sagt man,

Kann zum Heldenwerk begeistern.

Und warum die Liebe nur?

Auch die Rachgier; auch Verzweiflung,

Auch der Trunkenbold im Rausche,

Kann vollbringen, was der Held;

Auch der Söldner stirbt für Geld;

Ja doch, Sumpfluft leuchtet! Aber

Sumpflicht ist kein Himmelslicht.

Was durch die Jahrhunderte

Will in ew'gem Glanze flammen,

Muß aus höhern Welten stammen,

Wo die Tugend, frei und herrlich,

Fremd dem Staube, ihre Fahne

Für die Gottessache schwingt.

Still, dort drüben, durch die Hallen,

Tritt der Herzog schon heran.

Laß uns ihm entgegen eilen.


Ab.


FLODOARDO allein.

Was ist Macht, was Gold und Weltruhm?

Armes Spielzeug armer Seelen,

Die des Himmlischen entbehren.

Rosamunde, – ein Gedanke

Nur an Dich, du Wunderbare,

Und die Güter dieses Lebens

Fallen tief in ihrem Werth.[93]

Mich durchschauert Gotteskraft,

Die aus mir ein höh'res Wesen,

Zu dem Höchsten auserlesen,

Und zum Schwersten mächtig, schafft.

Laß mich kämpfen, – laß mich ringen!

Kann ich auch mein höchstes Gut,

Kann ich's endlich nicht erschwingen:

O so gilt mir, für's Gelingen,

Doch des Wollens stolzer Muth!


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 87-94.
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