Deichgenossenschaft

[704] Deichgenossenschaft, Deichacht, Deichverband oder Deichschau (letztgenannte Bezeichnung am Unterrhein) ist eine Vereinigung solcher Besitzer eines bestimmten Bezirks, deren Grundstücke durch die in dem Bezirke liegenden Deiche vor Ueberschwemmungen geschützt werden.[704]

Die Genossenschaft übernimmt die erforderliche Deichlast, die sich nach Größe, Bodenbeschaffenheit und Höhenlage der Grundstücke auf die einzelnen Besitzer verteilt. In früheren Zeiten erfolgte die Verteilung mit wenigen Ausnahmen in der Art, daß jedes Grundstück eine besondere, nach dem obigen Maßstabe ermittelte und durch Grenzsteine festgelegte Deichstrecke zu unterhalten hatte. Diese Strecke führte den Namen Pfand, Kavel oder Kabel und die hiernach ausgeführte Art der Deichunterhaltung die Bezeichnung Pfand- oder Kavelwirtschaft. Nicht selten überstieg aber die Unterhaltung einer Mark im Angriff liegenden Deichstrecke die Kräfte des zu ihrer Unterhaltung verpflichteten Besitzers. Erklärte er sich hierzu durch das Einstecken des Spatens in den Deich außerstande, so gingen ihm nach dem alten friesischen Spatenrecht Deich und Grundstück verloren. Derjenige, der den Spaten ergriff, übernahm damit die Deichlast, aber auch das Grundstück. – An Stelle der Pfandwirtschaft ist in neuerer Zeit vielfach die Kommunionwirtschaft getreten. Hier werden die sämtlichen erforderlichen Arbeiten von dem Vorstande des Deichverbandes ausgeführt und die entstandenen Kosten von den einzelnen Besitzern eingezogen. Diese werden dadurch der Verantwortlichkeit überhoben, haben aber auch nicht mehr das Interesse an ihrer Deichstrecke wie bei der Kavelwirtschaft; auch fällt der Vorteil fort, gelegentlich frei werdende Arbeiter am Deiche beschäftigen zu können. Man hat deshalb – insbesondere in der Provinz Hannover – mit Vorteil eine Verbindung der Kommunion mit der Kavelwirtschaft eingeführt Die Kavelwirtschaft erstreckt sich nur auf die kleineren Unterhaltungsarbeiten (die sogenannte ordentliche Deichlast), während die größeren Ausführungen (oder die außerordentliche Deichlast) in Kommunion getragen werden. Um bei lässigen Besitzern das Interesse an ihrer Kavelstrecke rege zu halten, ist auch wohl die Bestimmung getroffen, daß die Wiederherstellungskosten eines Deichbruchs zu einem Drittel von dem betreffenden Kavelbesitzer zu übernehmen sind. – Die Leitung des Deichverbandes erfolgt auf Grund der Deichordnung oder des Deichstatuts durch einen von den Mitgliedern gewählten Vorstand unter Oberaufsicht des Staats oder unmittelbar durch Staatsbeamte.

Frühling.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 704-705.
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