Elastizitätskonstanten

[388] Elastizitätskonstanten im allgemeinen werden diejenigen Koeffizienten genannt (speziellere Bedeutung s. Elastizitätsquotient), die in den Beziehungen zwischen stetigen Spannungen und stetigen Verschiebungen bei einem beliebigen Körperpunkte m auftreten.

Nach dem unter Elastizitätslehre, allgemeine, Gesagten sind alle Verschiebungen bei m durch die 9 Verschiebungskomponenten xx, xy, xz, yx, yy, yz, zx, zy, zz alle Spannungen daselbst als Funktionen des anfänglichen Orts der affizierten Flächenelemente durch die 9 Spannungskomponenten Xx, Xy, Xz, Yx, Yy, Yz, Zx, Zy, Zz bestimmt. Werden nun die Spannungen, wie üblich, als lineare Funktionen der Verschiebungen betrachtet, so könnte ohne sonstige Beschränkungen jede der 9 Spannungskomponenten von jeder der 9 Verschiebungskomponenten abhängen, und beispielsweise ausgedrückt sein Xx = Axx + Bxy + Cxz + Dyx + ... Es würden also in den Beziehungen zwischen Spannungen und Verschiebungen 9 · 9 = 81 Elastizitätskonstanten A, B, C, D ... auftreten. Da jedoch die Untersuchung von Fällen zu genügen pflegt, für welche Xy = Yx, Yz = Zy, Zx = Xz [7], S. 94, und der Deformationszustand bei m durch xx, yy, zz und gxy = xy + yx, gyz = yz + zy, gzx = zx + xz bestimmt sind, so wird die größte Anzahl der Elastizitätskonstanten gewöhnlich zu 6 · 6 = 36 angegeben [2], S. 23, [6], S. 38. Die Anzahl läßt sich für Körper mit Elastizitätsachsen (s. Elastizität) allgemein, im übrigen unter gewissen Voraussetzungen (Molekulartheorie, Potential), noch weiter reduzieren und sinkt für isotrope feste Körper auf 3, bei konstanter Temperatur auf 2 herab, deren Stellen durch E, ε oder E, G ausgefüllt sein können (s. Elastizitätsquotient). Da aus den üblichen Anschauungen[388] der Molekulartheorie ε = 4 oder G = 2/5 E folgt (vgl. Elastizitätslehre, allgemeine), so bleibt nach Anerkennung derselben bei konstanter Temperatur nur eine vom Material abhängige Elastizitätskonstante. Diskussion der Frage s. besonders [1], [5], [6].


Literatur: [1] Navier, Résumé des leçons etc., avec des notes et des appendices de Saint-Venant, Paris 1864, S. 645. – [2] Winkler, Die Lehre von der Elastizität und Festigkeit, Prag 1867, S. 23. – [3] Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik, Bd. 1, Mechanik, Leipzig 1877, S. 389. – [4] Grashof, Theorie der Elastizität und Fertigkeit, Berlin 1878, S. 21. – [5] De Saint-Venant, Des paramètres d'élasticité des solides et de leur détermination expérimentale, Comptes rendus 1878, LXXXVI, S. 781. – [6] Clebsch, Théorie de l'élasticité des corps solides, avec des notes étendues de Saint-Venant, Paris 1883, S. 36, 57, 63. – [7] Weyrauch, Theorie elastischer Körper, Leipzig 1884, S. 55, 86. – [8] Finger, Das Potential der inneren Kräfte und die Beziehungen zwischen den Deformationen und den Spannungen in elastischen isotropen Körpern bei Berücksichtigung von, Gliedern, die bezüglich der Deformationselemente von dritter bezw. zweiter Ordnung sind, Sitzungsbericht der Wiener Akad. 1894, S. 163, 231 (s. auch S. 1073). – [9] Voigt, Kompendium der theoretischen Physik, Bd. 1, Leipzig 1895, S. 330.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 388-389.
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