Elfenbein [2]

[434] Elfenbein (vegetabilisches) wird das steinharte Nährgewebe der Samen mehrerer Phytelephasarten (Phytelephas macrocarpa, Ph. microcarpa R. et Pav.) genannt [1], [6]. Die Samen kommen als Steinnüsse, Tagua-, Elfenbein-, Corozza- oder Corusconüsse von Südamerika in den Handel.

Die Elfenbeinpalmen (Palma di marsil, Pullipunta), im Gebiete des Magdalenenflusses einheimisch, erzeugen kopfgroße Fruchtkolben, die ein aus sechs oder mehr aneinander gepreßten[434] und verwachsenen beerenartigen Einzelfrüchten zusammengesetzes Synkarpium darstellen. Jede Einzelfrucht ist 4–6fächerig mit je einem Samen in jedem Fache; die harte Steinschale, die den Samen auch in der Handelsware meistens umhüllt, wird als Endokarp aufgefaßt. Ueber dessen interessanten anatomischen Bau vgl. [11]. Nach ihrer Provenienz unterscheidet man im Handel folgende Samensorten: Marcellino, Panama, Tumaco (sehr geschätzt), Palmyra, Carthagena, Guajaquil, Esmeralda, Colon, Amazonas, Savanilla (verschieden groß).

Im allgemeinen sind die Steinnüsse unregelmäßig eiförmig, häufig einem Kugelausschnitt gleichend; die steinharte, sehr spröde, lehmfarbige, an abgeriebenen Stellen schwarze Samenschale (über deren Bau s. [1]) umschließt den an der Oberfläche bräunlichen, innen bläulich- oder gelblichweißen Kern, der zum weitaus größten Teile das Nährgewebe (Endosperm) des kleinen kegelförmigen Keimes darstellt. Es besteht aus prismatischen, in ihren Konturen verschmolzenen Zellen, deren Wände aus Reservecellulose bestehen, enorm verdickt sind und ein Lumen freilassen, von dem nicht sehr zahlreiche Porenkanäle mit verbreiterten Endteilen ausgehen [1], [2], [3], [6], [7], [10].

Beim Trocknen entliehen sehr häufig im Innern Risse, die den technischen Wert sehr beeinträchtigen; zur Verarbeitung empfehlen sich daher hauptsächlich die kleinsamigen Sorten. Vegetabilisches Elfenbein läßt sich schwer mit dem Messer schneiden, im trockenen Zustande aber sehr leicht auf der Drehbank bearbeiten, erweicht in warmem Wasser etwas und nimmt Farbstoffe gut auf [4], [5]. Es bildet ein Hauptmaterial zur Erzeugung von Knöpfen; zur Nachahmung kleiner Elfenbeinwaren, gefärbt zu künstlichen Korallen, Türkisen wird es auch mitunter benutzt. Die Abfälle dienen als Futtermittel, als Fälschungsmittel der Gewürze, des Kaffees u.s.w. In neuerer Zeit (1876) kamen als Ersatzmittel der Steinnüsse die sogenannten Tahiti-, Fidschi- oder Vitinüsse in den Handel, die von den Karolinen und Salomoninseln stammen und zwei voneinander auffällig verschiedene Samen darstellen. Warberg nannte die Stammpflanzen Coelococcus carolinensis und Coelococcus salomonensis [1], [8], [9], [12]. Die Salomonsnuß hat Form und Größe eines Apfels, besitzt meridianal laufende Wülste, an der Basis eine weit ins Innere reichende Vertiefung, eine dunkelrotbraune rauhe Oberfläche und ein beinhartes, gelblichweißes Nährgewebe, das sich mit dem Messer leichter schneiden. läßt. Die Karolinennuß ist glatt, glänzend oder sein und dicht gestreift, bräunlichschwarz. Der mikroskopische Bau ist der gleiche wie bei der Steinnuß, nur sind die Zeitkonturen deutlich sichtbar, die Größe der Zellen (im Querschnitt) und der Lumina geringer als bei Phytelephas, ferner ist in jeder Zelle ein rhomboederähnlicher (aber monokliner) Calciumoxalatkristall enthalten. Trockenrisse kommen nicht vor [8]–[10].

Auch andre Palmensamen, z.B. von Raphia und Hyphaene thebaica (ägypt. Dumpalme) [4] sowie das Endokarp (Steinschale) von Attalea (Coquilla, kleine Kokosnuß) können in ähnlicher Weise verwendet werden.


Literatur: [1] Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreichs, Leipzig 1903, 2. Aufl., Bd. 2, S. 690. – [2] Moeller, J., Mitteil. des technol. Gewerbemuseums, 1880, Nr. 6. – [3] Ders., Mikroskopie der Nahrungs- und Genußmittel, Berlin 1886, S. 299. – [4] Ders., Die Rohstoffe des Tischler- und Drechslergewerbes, Kassel 1884, II, S. 41. – [5] Hanausek, Eduard, Technologie der Drechslerkunst, Wien 1884, S. 230. – [6] Hanausek, T.F., in Realencyklopädie der gesamten Pharmazie, Wien 1890, IX, S. 440. – [7] Ders., Lehrbuch der Materialienkunde, Wien 1891, II, S. 137. – [8] Ders., Zeitschr. des allgem. österr. Apothekervereins, 1880, Nr. 23. – [9] Ders., Zeitschr. für Nahrungsmitteluntersuchung, Hygiene und Warenkunde, Wien 1893, S. 197. – [10] Ders., Lehrbuch der techn. Mikroskopie, Stuttgart 1901, S. 406. – [11] Molisch, H., Die Kieselzelle in der Steinschale der Steinnuß, Zentralorgan für Warenkunde und Technologie, Stuttgart 1891, S. 103. – [12] Dingler, Botan. Zentralbl., 1887, XXXII, S. 347.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 434-435.
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