Gebirge

[316] Gebirge oder Gebirgsformation nannte man in der älteren Geologie, entsprechend der bergmännischen Bezeichnung »Gebirge«, diejenigen Gesteinsbildungen von weiter Erstreckung und Mächtigkeit, die in ihrer Gesamtheit ein Gebirge im geographischen Sinn zusammensetzen, also ungefähr dasselbe, was man heute mit »Formation« (Gebirgsformation) im geologischen Sinn bezeichnet. Man sprach daher vom Kohlen- oder Salzgebirge, vom Urgebirge, vom Triasgebirge u.s.w. und meinte damit diejenigen Schichten zusammengenommen, welche heute als Kohlenformation oder Salzformation, als Ur-, als Triasformation angesehen werden. Die neuere Geologie faßt den Begriff lediglich im orographischen Sinne auf und bezeichnet als Gebirge die in bezug auf ihre Entstehung zusammengehörigen, nur durch Täler unterbrochenen Erhebungen der Erdoberfläche, der Kontinente. Um sie von Hochflächen und -ebenen (Plateau) zu unterscheiden, müssen die Gebirge deutlich unterscheidbare Kämme oder Rücken zwischen den einzelnen Tälern besitzen.

Man unterscheidet die Gebirge nach der Art des geologischen Baues. Faltengebirge zeigen in ihrem Innern gefaltete, aus der horizontalen Lage in Falten gebogene, seitlich zusammengeschobene Schichten. Die Längserstreckung der Falten steht senkrecht auf der Richtung des Seitenschubes. Solche Gebirge sind zu verschiedenen Zeiten im Lauf der Erdentwicklung entstanden, z.B. am Schluß der unteren Steinkohlenformation (Kulm) das rheinische Schiefergebirge, dann in der mittleren Tertiärzeit die Alpen, mit ihren weltlichen und östlichen Fortsetzungen. In Faltengebirgen bilden härtere Gesteine fortlaufende, dem Streichen der Schichten und Falten folgende Rücken, die nur durch enge Quertäler unterbrochen sind. Dadurch, daß solche Rücken einander und parallel benachbart auftreten, entstehen die Kettengebirge. Die älteren gefalteten Gebirge sind zumeist von der nach der Faltung folgenden Erosion und besonders Abrasion wieder abgetragen und zu Hochebenen umgestaltet worden (rheinisches Schiefergebirge), die jüngeren Faltengebirge (Alpen) dagegen stehen lediglich unter dem Einfluß der Erosion, vornehmlich des fließenden Wassers. Sie hat in den ursprünglich plumpen Falten durch Quer- und Längstäler die heutige wilde Zerrissenheit der Gebirgsformen zustande gebracht. Das Faltengebirge oder besser die Faltung selbst wird als Schrumpfungs- oder Runzelungsergebnis des beim Erkalten der Erde in ihrer Rinde geäußerten tangentialen Seitenschubes aufgefaßt.

Horizontaler Schichtenbau charakterisiert das Tafelgebirge. In seiner ursprünglichen Form bildet es eine Hochfläche, und durch Einschneiden von Tälern vom Rand der Hochfläche nach ihrem Innern zu wird dieselbe in einzelne Höhenzüge oder Rücken zerlegt. Solcherart ist die Entstehung des fränkischen und schwäbischen Trias- und Juragebirges, der Buntsandstein-Vogesen, des mitteldeutschen Triaslandes. Durch die Wirkung der Erosion auf ein zur Hochebene umgestaltetes Faltengebirge entsteht mit Rücksicht auf den Faltenbau der Schichten natürlich wieder ein Falten- oder Kettengebirge.

In denjenigen ursprünglichen Tafelländern, die von sogenannten Tafelbrüchen und Grabensenkungen oder Grabenbrüchen durchsetzt werden, entstehen auch ohne Erosion Gebirge zu[316] beiden Seiten des Grabeneinbruches. Durch den Einbruch der mittelrheinischen Tiefebene von Basel bis Mainz zwischen den ursprünglich zusammenhängenden Vogesen und dem Schwarz- und Odenwald entstanden diese drei Gebirge. Man nennt solche stehengebliebene Gebirgsteile zu beiden Seiten eines Grabeneinbruches Horste. In der Hauptsache sind es also zwei Faktoren, welche die Bildung der Gebirge bestimmen: die Lagerung der Schichten und die Erosion. Als dritte könnte man den Widerstand gegen die Abtragung nennen, die als gebirgsbildende Kraft in Betracht kommt. Indes steht dieser Faktor in engster Beziehung zur Erosion. Wo kein Widerstand gegen Abtragung vorhanden ist, bildet sich auch kein Gebirge, sondern ein Tal.


Literatur: Sueß, E., Das Antlitz der Erde, Prag u. Leipzig 1885; Neumayr, Erdgeschichte, 2. Aufl., Bd. 1., Leipzig 1895; Penk, A., Morphologie der Erdoberfläche, Stuttgart 1894.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 316-317.
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