Giebelwände

[528] Giebelwände, solche Umfassungswände von Gebäuden, die in ihrem oberen Teile einen senkrechten Abschluß des Dachbodens (Giebel) haben.

In einfachster Gestaltung schließt sich die Giebel wand dem Dach an; der Giebel bildet dann in der Regel ein Dreieck, wie z.B. bei den Griechen und Römern [1]. Diese Giebel waren an ihren drei Seiten von Gesimsen umschlossen und das verbleibende Giebelfeld (Tympanon) zuweilen reich durch Skulptur verziert. Ein besonderer Schmuck dieser Giebel waren die Akroterien (Bd. 1, S. 119). Die gewählte Gesimsanordnung eignet sich ästhetisch nur für die flachen antiken Dächer; bei den höheren Giebeln der romanischen Periode ließ man das wagerechte Gesims in der Regel fort und belebte den betreffenden Raum durch Fenster, Nischen u. dergl. (Kirchen in Wetzlar, Limburg u.a.) [2], S. 420 und 424. – Zur Zeit der Gotik und der Renaissance ordnete man die Giebel zum Teil auch so an, daß die oberen Giebelränder über das anschließende Dach hinausragten und sich in Staffeln oder Voluten auflösten (z.B. Haus zu Greifswald [1], S. 510, und Rathaus zu Leyden, S. 781). Diese Giebel bezeichnet man auch wohl mit Ziergiebel. – Eine besondere Gattung der Giebel ist das Frontispiz, ein Giebel auf einem in einer Frontwand befindlichen Risalit, gewöhnlich in antiker Weise ausgebildet.

Bei den in Straßen stehenden Gebäuden verlegt man in neuerer Zeit die Giebelwände in der Regel an die Nachbargrenzen. Das Dach hat dann sein Gefälle nach der Straße und dem Hofe, wodurch die zwischen zwei Gebäuden, befindlichen Rinnen vermieden werden, welche leicht zu Leckagen Veranlassung geben.

In Berlin werden für Giebelwände in Ziegelsteinen folgende Stärken gewählt: Innerhalb des Dachbodens 25 cm, in den darauffolgenden Stockwerken, wenn die Giebel nicht durch Decken belastet und nicht von Fenstern durchbrochen sind, von oben nach unten folgend: für Wohngebäude dreimal 25, zweimal 38 und dann 51 cm Stärke; in Fabrikgebäuden zweimal 25, zweimal 38 und zweimal 51 cm; haben die Giebel Fenster, aber keine Deckenlast, so betragen diese Stärken in Wohngebäuden zweimal 25, zweimal 38 und zweimal 51 cm und in Fabrikgebäuden einmal 25, zweimal 38, zweimal 51 und einmal 64 cm Stärke. Tragen die Giebelwände Balken, so werden sie durchweg 1/2 Stein stärker konstruiert und wie Frontwände (s.d.) behandelt [3], S. 205. – Es ist leicht ersichtlich, daß die Giebel bei ihrer geringen Stärke von 25 cm innerhalb des Dachbodens einem Sturmangriff nicht genügenden Widerstand leisten können, weshalb es erforderlich ist, dieselben mit dem Dachverbände zu verankern und den letzteren so zu konstruieren, daß er diesen Sturmangriff aufnehmen und auf die Frontwände übertragen kann. Auch in den Stockwerken müssen die Giebelwände gegen Sturmangriff genügend stabil sein und Verankerungen mit den Balkenlagen erhalten. Die Verankerungen beugen noch folgendem Uebelstande vor: Die sich nach unten hin verstärkenden Giebel haben gewöhnlich nur an der Innenseite Absätze, weshalb ihre Last sich nicht gleichmäßig über die Fundamentsohle ausbreitet. Unter letzterer wird also der Erdboden an der Außenseite etwas mehr zusammengepreßt werden als an der Innenseite. Dies würde zu einem Schiefstellen der Giebel führen, welches durch die Balkenanker verhindert wird.


Literatur: [1] Lübke, Geschichte der Architektur, 5. Aufl., Leipzig 1875. – [2] Ungewitter, Lehrbuch der gotischen Konstruktionen, 3. Aufl., neu bearbeitet von K. Mohrmann, Leipzig 1892. – [3] Baukunde des Architekten, I, Berlin 1890.

Hacker.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 528.
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