Infanteriegeschütz

[312] Infanteriegeschütz, Geschütz zur Begleitung des Angriffs in unmittelbarer Verbindung mit der Infanterie. Die Infanteriegeschütze sollen diejenigen Ziele bekämpfen, welche die Infanterie allein niederzukämpfen nicht imstande ist und welche von der weiter rückwärts stehenden Artillerie nicht genügend gefaßt werden können, z.B. Maschinengewehrnester, Maschinengewehre hinter Schutzschilden, Tanks, Stützpunkte. Das erfordert große Beweglichkeit, d.h. geringes Gewicht, weil das Geschütz mit der Infanterie vorwärtskommen muß, ferner geringe Abmessungen, besonders in bezug auf Feuerhöhe, damit es leicht Deckung findet, kräftigen Schildschutz, um auch auf den Nahkampfentfernungen kampffähig zu bleiben, schnelle Feuerbereitschaft und an Leistungen: sehr gute Treffähigkeit bis auf etwa 2000 m, die zur Zerstörung der Panzerung von Tanks und Maschinengewehren bezw. von Baulichkeiten im Nahkampf erforderliche Geschoßwirkung, gute Beobachtungsfähigkeit der Geschosse und reichliche Munitionsausrüstung für schnelle Feuerabgabe.

So wünschenswert es ist, für das Infanteriegeschütz das gleiche Kaliber wie für die leichte Flachfeuerartillerie zu verwenden, um den Ersatz an Munition und Zubehör nicht zu erschweren,[312] so läßt sich das in Rücksicht auf die Gewichtsfrage doch nicht durchführen. Pferdebespannte Geschütze können im Bereich der feindlichen Infanteriewirkung nicht vorwärtskommen, zerlegbare Geschütze, von Mannschaften getragen, werden zu spät feuerbereit und bieten beim Vorgehen ebenfalls zu große Ziele; das letztere gilt auch für leichte Geschütze, welche unzerlegt, d.h. kampffertig von der Bedienung gezogen werden. Die Erfahrungen des Weltkriegs weisen auf die Verwendung von kleinkalibrigen Geschützen in Panzerautomobilen – ähnlich den Geschütztanks – hin.

Deutschland verwendete im Weltkrieg als Infanteriegeschütze erleichterte, verkürzte Feldkanonen (L/20) etwa 650 kg schwer, die auf kleinere Strecken von Mannschaften gezogen wurden. Zur Verringerung der Feuerhöhe hatten diese Geschütze niedrige Räder; ferner 3,7-cm-Schnellfeuergeschütze auf Dreifußlafette und 2-cm-Maschinengeschütze auf Dreifuß bezw. in zweirädriger Karre. Letztere beiden konnten von Mannschaften getragen werden, genügten aber nicht den Anforderungen an die Wirkung.

Frankreich gab seit 1917 seinen Infanteriebataillonen zu 3 Kompagnien ein 3,7-cm-Schnellfeuergeschütz mit, das auf dem Marsch von Tragtieren befördert, im Gefecht von Mannschaft en getragen wurde; seine Treffähigkeit genügte nur bis 1500 m.


Literatur: Kornel Bernatzky, Bataillonsgeschütze der Zukunft; Streffl. mil. Zeitschr. 1939, II. Bd., S. 1045 u. ff. – G. Burstyn, Das Motorgeschütz; Streffl. mil. Zeitschr. 1912, I. Bd., S. 303 u. ff. – R. Eisenschmidt, Die Schildwut von Antiskutander, Berlin 1904.

F. Wille.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 312-313.
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