Lafette, Lafettierung [2]

[382] Lafette, Lafettierung. Die Konstruktion und der Bau von Lafetten für die Schiffsgeschütze hat in den letzten Jahren keine grundlegenden Fortschritte erfahren. Das Bestreben, die Ladegeschwindigkeit mit allen Hilfsmitteln zu steigern, um mit Zunahme des Kalibers möglichst keine Herabsetzung der Feuergeschwindigkeit eintreten[382] zu lassen, führte dazu, die Förderhöhe der Munition, da einschließlich Anlauf und Bremsung die Fahrstuhlgeschwindigkeit bei etwa 2 m/Sek. ihre obere Grenze hat, durch Einführung der sogenannten Umladekammer herabzusetzen. Als Antriebsmittel für die Richtanlage und die Munitionsfördereinrichtungen eines Geschützturmes stehen sich noch immer Elektrizität und Hydraulik gegenüber.

Der hydraulische Kolben eignet sich besonders für genau einzustellende, hin und her gehende Bewegungen, während der elektrische Antrieb für die Erzielung einer drehenden Bewegung am zweckmäßigsten ist. Der elektrische Antrieb hat ferner die unbestreitbaren Vorteile größerer Wirtschaftlichkeit und vielseitiger Schaltbarkeit; auch ist der Uebergang zum Handbetrieb schnell und einfach durchzuführen und schließlich eine bequeme und sichere Kraftzuführung zum Turm durch eine einfache Kabeldurchführung zu ermöglichen. Schließlich sind mit dem elektrischen Betrieb die feinsten Bewegungen, wie sie die Fernfeuerleitung verlangt, am leichterten zu erzielen. Andererseits kann man die Elektrizität auch zur Erzeugung von hydraulischer Kraft an der Verwendungsstelle für bestimmte Funktionen heranziehen und auf diese Weise z.B. für die Höhenrichtmaschine elektrohydraulischen, für das Schwenkwerk, die Fernleitung und die Aufzüge rein elektrischen Antrieb vorsehen. Während in England noch immer der hydraulische Antrieb vorherrschend ist, sind die Marinen von Deutschland, Rußland und Frankreich sowie der Vereinigten Staaten auf den reinen elektrischen Antrieb übergegangen; daneben findet bei den beiden letzteren auch das sogenannte »universal gear« Verwendung, ein hydraulisches, regulierfähiges Uebertragungsorgan. – Mit dem Wachsen der Geschoßgewichte bis zu 900 kg ist eine zwangsläufige Bewegung der Munition aus den Kammern zu den zentralen Aufzügen und von diesen innerhalb der Umladekammer auf Gleit- und Rollbahnen in die oberen Aufzüge erforderlich; letztere befördern jede Chargierung zur Ladeschale in der Verlängerung der Seelenachse des Rohres. Da der Geschoßraum stets unter dem Kartuschenraum liegt, so sucht man den Höhenunterschied der beiden Kammern durch einen Differentialflaschenzug derart auszugleichen, daß Geschoß und Kartusche gleichzeitig in die Umladekammer gelangen. Bei den Drillingtürmen wird für jedes Rohr ein besonderer oberer Aufzug vorgesehen, wodurch der Munitionstransport etwas erschwert wird (Fig. 13). Ein moderner Geschützturm erfordert einen Kraftbedarf von 500 bis 600 PSe. Das Einstellen der schweren Rohre auf das Ziel erfolgt durch besondere, von der Rücklaufbewegung des Geschützes unabhängige Turmvisiere, die als Fernrohrvisiere ausgebildet sind, für welche die senkrechte Richtbewegung des Geschützes vom Schildzapfen durch ein Parallelogramm übertragen wird. Für das Ferngefecht, für welche die Turmvisiere nicht mehr ausreichen, wird das direkte Visieren des Geschützführers des einzelnen Geschützes durch das indirekte Einrichten der Geschütze von dem Gefechtsmars aus ersetzt (s. Gefechtsmasten); auch erfolgt von derselben Feuerleitungsstelle das gleichzeitige Abfeuern der Geschütze eines Turmes als Salve, wodurch die gegenseitige Behinderung der Geschütze beim Schuß vermieden wird. Der sogenannte »firing director« von Sir Percy Scott versucht durch Richten und Abfeuern der Turmbatterie von einer Stelle aus die Streuung der Salven zu vermeiden und die persönlichen Fehler der Geschützführer auszuschalten. Die Durchführung dieses Systems erfordert eine genau festgelegte Nullstellung für alle Geschütze. Genauere Angaben sind naturgemäß nicht in die Oeffentlichkeit gelangt.


Literatur: [1] Nauticus, Der Uebergang zum 38-cm-Geschützkaliber, Berlin 1914. – [2] Zuckschwerdt & Huning, Leitfaden für den Unterricht in der Artillerie, ebend. 1914. – [3] Bock von Wülfingen, Die artilleristische Bewaffnung von Kriegsschiffen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Berlin 1914, S. 463. – [4] Schwinning, Die modernen Kriegswaffen, ebend. S. 1653 ff. – [5] H. Navath, Die Wirkung der schweren Geschütze der Schiffsartillerie, ebend. 1917, S. 161.

T. Schwarz.

Fig. 1 und 2.
Fig. 1 und 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 382-383.
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