Wachs

[807] Wachs, Wachsarten, ein Sammelbegriff für verschiedene Produkte aus den drei Naturreichen, die in gewissen physikalischen Eigenschatten eine Aehnlichkeit zeigen. Wirkliche Wachsarten, die von den Fetten durch den Mangel an Triglyceriden sich unterscheiden und hauptsächlich aus den Fettsäureestern einatomiger Alkohole der Fettreihe bestehen, liefern nur das Pflanzen- und das Tierreich; ersteres das Carnauba- und das Palmwachs, letzteres das Bienenwachs und das sogenannte Insektenwachs. Auch der Walrat und mehrere Trane gehören nach der chemischen Zusammensetzung zu den Wachsarten, besitzen aber von diesen verschiedene physikalische Eigenschaften.

Im Handel und in der Technik versteht man unter Wachs (im engeren Sinne) immer nur das Bienenwachs, das als rohes oder gelbes Wachs (Cera flava) in kuchenartigen Scheiben in den Handel kommt. Gelbes Wachs ist orange- oder bräunlichgelb, in der Kälte spröde, besitzt einen honigartigen Geruch, eine körnige, matte Bruchfläche, ein spez. Gew. von 0,963 bis 0,967, erweicht in der Hand zu einer plastischen Masse und schmilzt bei 63–64,5° zu einer öligen, gelbroten oder braunen Flüssigkeit. Es ist in Wasser gar nicht löslich, in kaltem Alkohol nur zum geringsten Teile; dagegen wird es von siedendem Alkohol (300 Teilen) nach längerer Einwirkung vollständig gelöst; andre Lösungsmittel sind warmer Aether, Chloroform, Terpentinöl und Benzol. Beim Erkalten der Alkohollösung wird das Wachs in Form eines fast weißen Kristallbreies abgeschieden. Heller gefärbtes Rohwachs flammt von jungen Stöcken und heißt Jungferwachs. Befinden sich die Bienenstöcke in der Nähe von Nadelwaldungen, so sammeln die Bienen auch von den Nadelbäumen das Rohmaterial. Das Wachs enthält in diesem Falle auch harzige Körper und heißt Pechwachs (nicht zu verwechseln mit dem Vorwachs, Stopfwachs oder Propolis, welches fast nur aus Harz von den Knospendecken der Bäume besteht und zum Verstopfen der Fugen im Innern der Bienenkörbe dient). Wachs von ungefüllten (königlosen) Waben nennt man Windwachs. Besondere Wachsarten von grauer, grüner oder schwarzer Farbe, die sich mitunter im Handel vorfinden, sollen von andern Bienenarten flammen. Nach den Produktionsländern unterscheidet man österreichisches, ungarisches, deutsches, russisches, polnisches, rumänisches, türkisches, ferner französisches und amerikanisches Wachs. Durch entsprechende Reinigungs- und Bleichungsverfahren wird das Rohwachs in weißes Wachs (Cera alba und albissima) umgewandelt. Nach dem alten, noch vielfach geübten Verfahren wird das gelbe Wachs in einem viereckigen Kessel geschmolzen und auf eine gekühlte, langsam gedrehte Walze fließen gelassen. Darauf erstarrt es zu dünnen Bändern (Bandwachs), welche abgenommen und auf gespannter Leinwand oder auf Stäbchensieben in der Sonne unter fleißigem Begießen mit Wasser gebleicht werden. Hierauf wird das Wachs wieder umgeschmolzen, neuerdings gebändert und schließlich in Formen zu Scheiben, Tafeln oder Zylindern u.s.w. gegossen. Die Bleiche währt gewöhnlich 3–5 Wochen. Eine Beschleunigung des Bleichprozesses kann durch Zusatz von Terpentinöl vor der Bänderung erzielt werden. Eine Bleichung mittels chemischer Mittel (z.B. mit Chlor, Kaliumchlorat und Salzsäure, Permanganat) ist nach Benedikt nicht empfehlenswert, weil die Qualität des Wachses darunter leidet. Besser ist die Entfärbung mit Tierkohle. Weißes Wachs ist rein weiß (in der ersten Sorte) oder schwach gelblich gefärbt, geruch- und geschmacklos, wie Alabaster durchscheinend, härter, spröder und brüchiger als gelbes Wachs, von dem es sich auch durch den glatten Bruch unterscheidet; in warmem Aether löst es sich leicht und vollständig, in warmem Alkohol löst sich dagegen nur ein Bestandteil, die Cerotinsäure, die im Gemische mit dem Myricin (Palmitinsäure-Myricyläther, 86%) das Wachs zusammensetzt. Da. das Bienenwachs sehr häufig gefälscht wird und sogar den Bienen künstliche, aus Ceresin verfertigte Waben (bezw. die gemeinsamen Mittelwände derselben) in die Stöcke eingesetzt werden, so ist reines Bienenwachs ziemlich schwer erhältlich und eine systematische Wachsprüfung erforderlich. Verfälschungen mit Ceresin, Paraffin und Stearinsäure, Carnaubawachs, Japanwachs, Talg sind nicht seiten. Talg wird überhaupt sehr häufig (ohne[807] Fälschungsabsicht) zugesetzt, um die Brüchigkeit des Wachses zu vermindern. Zur Charakterisierung reinen Wachses dient die Bestimmung des spezifischen Gewichtes und die Hüblsche Probe. – Das spez. Gew. des gelben Wachses beträgt bei 15° C. 0,962–0,966, des weißen 0,965–0,973 (Schädler), der Schmelzpunkt 62–64°, die Verseifungszahl 95–107, Aetherzahl 75, Säurezahl 20. Die Hüblsche Probe beschreibt Benedikt folgendermaßen: 3–4 g Substanz werden mit 20 cbcm 95%igen Alkohols bis zum Schmelzen erwärmt und unter Schütteln und, wenn nötig, unter neuerlichem Erwärmen mit Halbnormalkalilauge titriert. Man berechnet nun die Säurezahl des Wachses, d.h. die Anzahl Milligramme Kalihydrat, welche zur Absättigung der in 1 g Wachs enthaltenen Cerotinsäure nötig ist, läßt noch 20 cbcm der titrierten Kalilauge nachfließen, erwärmt 45 Minuten auf dem kochenden Wasserbade und titriert mit Halbnormalsalzsäure zurück, wodurch man die Aetherzahl ermittelt, das ist die zur Verseifung des in 1 g Wachs enthaltenen Palmitinmyricyläthers notwendige Anzahl Milligramme Kalihydrat. – Einfachere praktische Prüfungen auf Reinheit des Wachses sind folgende: Die Lösung in Chloroform muß klar sein und darf nach dem Erwärmen keinen Bodensatz hinterlassen. Kocht man 1 g Wachs mit 10 cbcm Wasser und 3 g Natriumkarbonat und läßt hierauf erkalten, so sammelt sich das Wachs über der Flüssigkeit. Ist letztere milchig trübe und undurchsichtig, so ist das Wachs mit Stearinsäure oder mit Japanwachs verfälscht; eine klare Flüssigkeit zeigt reines Wachs an. Um Fett nachzuweisen, löst man in Aether auf und nimmt von der obersten Schicht mit einem Glasstab einen Tropfen ab; bringt dieser auf weißem Schreibpapier einen Fleck hervor, der auch nach 20 Minuten nicht verschwindet, so ist das Wachs mit Fett gemischt. (Vgl. Benedikt-Ulzer, Analyse u.s.w., S. 901 ff.) Bienenwachs wird zur Herstellung von Kerzen (für Kirchen), zum Glänzendmachen des Holzes, zur Appretur von Geweben, zu Salben, Pflastern, zu Wachspapier, zum Tränken des Meerschaumes, zur Nachahmung von Blüten (Myrtenblüten), zu Schmiermitteln u.s.w. verwendet.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 807-808.
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