Holz [1]

[107] Holz ist im naturwissenschaftlichen Sinne ein Bestandteil der in der höher organisierten Pflanze befindlichen Stränge (»Leitbündel«, »Gefäßbündel«), im technischen aber der entrindete Baumstamm (bezw. dessen Aeste und Wurzel). Bei den dicotylen Pflanzen deckt sich somit der naturwissenschaftliche Begriff größtenteils mit dem technischen, nicht aber bei den Monocotylen (Palmen, Gräsern), deren »Holz« stamm nicht nur den Holzteil der Gefäßbündel, sondern auch die übrigen Gewebearten, wie die Bastteile der Gefäßbündel, das Grundgewebe u.s.w., umfaßt. Die technischen Eigenschaften des Holzes (s. Bauholz, Bd. 1, S. 582) sind zunächst von dem anatomischen Bau desselben, dann aber auch von Klima[107] und Lage des Standortes, von Alter und Erhaltungszustand u.s.w. abhängig. Während es vom bautechnischen Standpunkt genügt, die Hölzer in zwei Gruppen, in Nadel- und Laubhölzer (s. Bd. 1, S. 583), zu teilen, ist es mit Rücksicht auf andre Gewerbe und Künste (Tischler-, Drechslergewerbe, Bildhauerei) sowie zum genaueren Verständnis der vielfältigen Eigenschaften des Holzes nötig, vier Abteilungen zu unterscheiden: Nadelhölzer, Laubhölzer der gemäßigten Zonen, Laubhölzer der tropischen Zone und die als Holz bezeichneten Stämme der Monocotylen.

Ein ideal gewachsener dicotyler Baumstamm gleicht einem Kegel; zur Orientierung über dessen inneren Bau sind die nach den drei Dimensionen des Raumes angebrachten Schnitte zu untersuchen. Man bezeichnet den senkrecht auf die Längsachse geführten Schnitt als Quer- oder Hirnschnitt; Schnitte, parallel mit der Längsachse gezogen, heißen Längsschnitte, und es wird der Schnitt durch die Achse (in einem Durchmesser) als Radial- oder Spiegelschnitt, dagegen der zu einer Sehnenebene parallele Schnitt als Tangential-, Sennen- oder Fladerschnitt bezeichnet.

An dem kreisrunden Querschnitt eines normal gewachsenen Nadelholzstammes nimmt man konzentrische Ringe wahr, welche nahe dem Mittelpunkte am weitesten voneinander abstehen, nahe der Peripherie dagegen sehr enge aneinander gedrängt sind. Diese sogenannten Jahresringe zeigen auch die bei uns einheimischen Laubhölzer, während die meisten exotischen wohl einen (unregelmäßigen) Ringbau, aber keine echten Jahresringe erkennen lassen.

Mit freiem Auge ist am Nadelholzquerschnitt in der Regel sonst nichts zu beobachten, mehr dagegen am Querschnitt eines Eichenstammes. Vom Mittelpunkte (Mark) desselben bis zum Umfange ziehen, Kreisradien gleich, helle Streifen von verschiedener Stärke, die sogenannten Mark- oder Spiegelstrahlen; nächst diesen findet man noch kleine, ebenfalls radiär aber nicht regelmäßig verlaufende und nicht zusammenhängende hellere Streifchen oder Flecke. Am Radialschnitt sehen wir parallel zur Längsachse des Stammes ziehende gerade Streifen, die ihren Zusammenhang mit den oben als Jahresringe bezeichneten Bildungen leicht erweisen lassen. Senkrecht zu diesen verlaufen als verschieden breite und auch verschieden lange Bänder jene im Querschnitt radial angeordneten Strahlen, die die Achse des Stammes mit der Rinde verbinden und primäre Markstrahlen oder, weil sie im Radialschnitte glatt und glänzend erscheinen, auch Spiegelstrahlen genannt werden; daher auch die Bezeichnung Spiegelschnitt.

Im Tangentialschnitt endlich nehmen wir die Markstrahlen als sehr schwache, kurze Strichelchen oder Linsen wahr und sehen außerdem noch eigentümliche elliptische Zeichnungen und hyperbolisch laufende Streifen. Zur Erklärung derselben denke man sich den Baumstamm als einen regelmäßigen geometrischen Kegel. Die Nadelhölzer und die Laubhölzer (unsrer Zone) erhalten alljährlich in der Vegetationszeit (Frühling bis Herbst) einen Zuwachs von bestimmter Dicke, während in der Winterszeit (Vegetationsruhe) ein solcher Zuwachs nicht stattfindet. Es besteht demnach der ganze Stammkegel aus so vielen Hohlkegeln, als Zuwachszonen vorhanden sind, und diese machen, ineinander geschoben, einen kompakten Körper, eben den gesamten Holzstamm, aus. Die Bestandteile des im Herbste gebildeten Teiles der Hohlkegel unterscheiden sich anatomisch und physikalisch (durch Dichte, Festigkeit und Farbe) von denen des im Frühjahr entstandenen und sind daher schon mit freiem Auge meistens gut zu beobachten (vgl. unten »ringporiges« und »zerstreutporiges« Holz). Es wird sonach begreiflich sein, warum die Hohlkegel im Querschnitte als Kreisringe – Jahresringe –, im Radialschnitte als parallele, ziemlich gleichweit abstehende gerade Streifen (die »aufgeschnittenen Hohlkegel«) sichtbar sein müssen. Der Tangentialschnitt müßte nun diese Zuwachszonen in Gestalt von Hyperbelästen zeigen, wenn der Stamm in Wirklichkeit ein geometrischer Kegel wäre; aber fast immer wird durch äußere Einwirkungen, durch Entwicklung von Aesten u.s.w. die Regelmäßigkeit gestört, und die Zuwachszonen bilden dann im Tangentialschnitt gewöhnlich unregelmäßig verlaufende Ellipsen und Wellenlinien, also jene bekannten Figuren, die als Flader bezeichnet werden und die der Maler an den Türfüllungen, Holzwänden u.s.w. mit mehr oder weniger Geschick nachzuahmen pflegt [2].

Zum Verständnis der Holzstruktur ist eine kurze Erörterung des anatomischen Baues und der Entwicklungsgeschichte unerläßlich (Näheres darüber s. [1]–[3]). Bei Nadelhölzern und dicotylen Holzpflanzen stehen die Gefäßbündel (Stränge) im Kreise und sind ursprünglich – im erstjugendlichen Zustande – aus zartwandigen, plasmareichen Zellen gebildet. Diese teilen sich mehrfach und die zunächst der Achse des Stammes neugebildeten Zellen wachsen in die Länge, werden dickwandig und bilden schließlich Fasern (mechanische Zellen), deren Wände durch Holzsubstanz (Lignin) starr geworden sind; man nennt sie Libriformfasern, und das Libriform ist der Hauptbestandteil des Laubholzes. Außerdem aber werden durch Verschmelzen der jugendlichen Zellen Röhren oder Gefäße gebildet, deren Wände durch eigentümliche Verdickungen ein charakteristisches Aussehen erhalten; diese sind entweder spiralig verlaufende Bänder (Spiralgefäße) oder die Verdickungen lassen bestimmte Stellen der Wand frei (Tüpfel, Poren) und ergeben den Begriff »getüpfelte« und »poröse« Gefäße. Es entsteht sonach auf diese Weise der »Holzteil« des Gefäßbündels, und der erstjährige, unmittelbar an das zentrale Mark grenzende Holzteil wird Markkrone genannt. Das obenangeführte Gefäßbündel erzeugt auf der der Peripherie zugewendeten Seite zu gleicher Zeit ebenfalls bestimmte Gewebeformen, darunter Fasern, welche Bastfasern genannt werden, und Röhren mit siebartig durchbrochenen Zwischenwänden, die Siebröhren; dieser Gewebekomplex wird als Bastteil des Gefäßbündels bezeichnet. Zwischen beiden, dem Holz- und Bastteil, bleibt eine schmale Gruppe von Zellen bildungs- und teilungsfähig, d.h. sie vermag dem Zentrum zu alljährlich Holz-, dem Umfange zu Bastgewebe zu erzeugen, wodurch die obenbesprochene Verdickung des Stammes zustande kommt. Diese[108] Zellengruppe stellt den Verdickungsring oder das Cambium vor. Die zwischen den (im Kreise stehenden) Gefäßbündeln übrigbleibenden Gewebeteile bilden das Mark (im Zentrum) und die (primären) Markstrahlen; sie bestehen aus mehr oder weniger eckigen Zellen (Parenchymzellen), und speichern in der Ruheperiode Reservenährstoffe (z.B. Stärke) auf. Die Markstrahlen sind entweder schon mit freiem Auge sichtbar (deutliche Markstrahlen) oder erst unter der Lupe (kenntliche) oder nur unter dem Mikroskope (unkenntliche Markstrahlen). Manchmal sind unkenntliche Markstrahlen einander so genähert, daß sie dem freien Auge als ein deutlicher Markstrahl erscheinen (scheinbar deutliche Markstrahlen, Weißbuche). Auch im Holzteil behalten Zellen und Gruppen derselben den parenchymatischen Charakter, sie bilden das Holzparenchym, das für viele Hölzer, so namentlich für das Eichenholz und für exotische Hölzer, in seiner Ausbildung diagnostische Merkmale abgibt. Libriform und Gefäße besitzen vorzugsweise die dicotylen Stämme; die Nadelhölzer bestehen aus gefäßartigen Holzzellen (auch der erste [innerste] Jahresring enthält nur solche und nicht, wie früher irrig angegeben wurde, Gefäße), die sogenannten Tracheiden, die auf der Radialseite durch eine, seltener zwei Reihen gehöfter Tüpfel ausgezeichnet sind. Im Frühjahre, in der Zeit der lebhaftesten Zellentätigkeit, werden diese Zellen nur mit dünnen Wänden und großem Lumen angelegt; in jeder neugebildeten Zellreihe erscheinen die Tracheiden (tangential) schmäler und sind stärker verdickt, die letzten Reihen der Vegetationsperiode sind am stärksten verdickt; daher ist das Frühjahrholz hell, schwammig und weich, das Herbstholz dunkel, dicht und hart. Auf diese Weise kommt beim Nadelholz die deutliche und scharfe Abgrenzung der Jahresringe (richtiger Jahreskegel) zustande. Anders ist dies beim Laubholz. Es werden im Frühjahr sehr viele und große Gefäße (Poren) angelegt, die dem Herbstholz nahezu fehlen: Ringporige Hölzer (Eiche, Nuß, Esche); öderes sind die Gefäße im Gewebe gleichmäßig verteilt: Zerstreutporige Hölzer, und der Jahresring kommt dadurch zustande, daß die letzterzeugten, meist stark verdickten Holzfasern einen ununterbrochenen dichten Ring bilden; bei diesen Hölzern ist daher die Jahresringabgrenzung nicht immer besonders deutlich.

Bei den monocotylen Gewächsen (Palmen, Gräsern) sind die Gefäßbündel im Grundgewebe zerstreut, so daß Holz- und Bastteile nicht zu Zylindern verschmelzen können; Palmenholz hat daher auch wesentlich verschiedene technische Eigenschaften. Eine große Bedeutung für die Art der Verwendung des Holzes haben gewisse stoffliche Veränderungen, die sich durch die Farbe kundgeben. An vielen Hölzern sind die inneren Schichten dunkler gefärbt als die äußeren. Letztere, als die jüngst angelegten, werden Jungholz oder Splint genannt. Behält ein Baumstamm in allen seinen Schichten den Charakter des Splintes, erscheint er an seinem ganzen Querschnitt gleich hell gefärbt, so nennt man ihn Splintbaum (Weißbuche, Birke, Zitterpappel, Erle, Berg- und Spitzahorn, Hasel, Buchs). Trocknen dagegen die inneren Schichten des Baumstammes stark aus, ohne aber ihre Farbe und Härte wesentlich zu verändern, so spricht man von Reifholzbäumen (Fichte, Tanne, Rotbuche, Feldahorn, Weißdorn, Linde, Birnbaum). Sind die inneren Schichten sowohl physikalisch als auch chemisch von den äußeren verschieden, indem sie trockener, härter, dichter, fester, durch Einlagerung von Gummi und Farbkörpern u.s.w. (den sogenannten »Kernstoffen«) dunkler und widerstandsfähiger (gegen Fäulnis) geworden sind, so bezeichnet man diese inneren Schichten als Kernholz und spricht von Kernbäumen (Esche, Eiche, Nuß, Kirsche, Pflaumen- und Apfelbaum, Edelkastanie, Hartriegel, Robinie, Beinholz, Maulbeerbaum, Platane, Weiß- und Schwarzpappel, Föhre, Lärche, Eibe, Wacholder, Zeder, die meisten schweren ausländischen Kunsthölzer und alle Farbhölzer). Bei einigen Hölzern bildet sich zwischen Splint und Kern noch eine Schicht Reisholz: Reifholzkernbäume; das schönste Beispiel hierfür ist die Ulme, die alle drei Holzformen in drei verschiedenen Farben zeigt; ferner noch Rainweide, Salweide, Pfaffenkäppchen, Faulbaum, Kreuzdorn [3], [4]. Ist der Kern nicht gleichmäßig gefärbt, sondern aus hellen und dunkeln Zonen gebildet, so nennt man ihn gewässert, eine für Nuß- und Olivenholz höchst charakteristische Eigenschaft.

Durch die Anlage zahlreicher Knospen, durch Unregelmäßigkeit des Wachstums, durch von Tieren hervorgerufene Verletzungen u.s.w. wird der regelmäßige Verlauf der Faserelemente des Holzes mehr oder weniger gestört; es tritt der sogenannte Maser- oder Wimmerwuchs auf, der die Ursache der bekannten an Kunst- und Furnierholz so sehr geschätzten Maserzeichnungen ist. Ueber die technischen Eigenschaften u.s.w. vgl. Bauholz, Bd. 1, [4] und besonders [5] über die chemische Zusammensetzung und Bedeutung als Brennmaterial den Art. Brennstoffe, Bd. 2, S. 282, und [1]. – Vgl. a. Nutzhölzer.


Literatur: Nebst den Lehr- und Handbüchern über Anatomie der Pflanzen, die im allgemeinen den Bau des Holzes behandeln, sind vorzugsweise anzuführen: [1] Wilhelm, in Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreichs, 2. Aufl., Bd. 2, Leipzig 1906, S. 1–40 u. 872 ff. – [2] Möller, J., Das Holz, Cassel 1883. – [3] Hanausek, T.F., Lehrbuch der Materialienkunde, Wien 1891, Bd. 2, S. 82–102, und Lehrbuch der technischen Mikroskopie, Stuttgart 1901, S. 154 ff. – [4] Nördlinger, Die technischen Eigenschaften der Hölzer, Stuttgart 1860. – [5] Exner, W.F., und Lauböck, G., Abschnitt »Holz« im Handbuch der Architektur, Darmstadt 1883, 1. Teil, Bd. 1, S. 159–169.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 107-109.
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