Länge

[29] Länge, geographische, eines Punkts auf der Erdoberfläche, ist der Winkel, den die Meridianebene dieses Punkts mit der Ebene des Nullmeridians, von dem aus die Länge zu zählen ist, einschließt. Die geographische Länge wird aber auch häufig im Zeitmaß ausgedrückt, und dann kann man sagen, es ist der Unterschied, den zwei nach genauer Ortszeit gehende Uhren im gleichen absoluten Moment anzeigen. Würde eine dieser Uhren die Zeit des Nullmeridians angeben, so wäre der Unterschied zugleich die absolute Länge des zweiten Ortes. Aus dem Art. Bogen- und Zeitmaß geht hervor, daß 1° der Länge im Winkelmaß 4m im Zeitmaß entsprechen müssen.[29]

Da man von Längen eigentlich nur mit relativer Beziehung auf einen durch Konvention aufzustellenden Nullmeridian sprechen kann, so ist natürlich die Wahl dieses Meridians von besonderer Bedeutung. Gegenwärtig kommen dafür (in geographischer Hinsicht) nur noch die Meridiane von Greenwich, Paris und Ferro in Betracht; auch die letztere Zählweise nur noch sehr selten und auf älteren Karten. Ferro und Paris sind durch die Annahme, daß als Meridian von Ferro der um 20° westlich von Paris (Mitte des Observatoriums) gelegene aufzunehmen ist, nicht unabhängig voneinander, und der Meridian von Ferro geht bei dieser Annahme gar nicht mehr durch die Insel gleichen Namens. Für astronomische Zwecke rechnet man auch häufig nach demjenigen Meridian, für den das benutzte Jahrbuch (Ephemeridensammlung) angesetzt ist, so z.B. für Berlin (Berliner Astronom. Jahrbuch), Washington, Mailand u.s.w. Die Beziehungen dieser Ausgangsmeridiane zueinander sind durch sehr genaue Längenbestimmungen (s.d.) festgestellt. Da es aber viel schwieriger ist, eine solche Längendifferenz scharf zu bestimmen als z.B. eine astronomische Breite oder ein Azimut, so weisen auch die besten Längenunterschiede noch merkliche Unterschiede auf bei mehrfacher Bestimmung. Abweichungen bis zu 0,2 und 0,3 Zeitsekunden kommen in Europa bei fundamentalen Messungen noch vor, das sind in der Breite von 50° lineare Entfernungen von 9–15 m [1]. Für Punkte außereuropäischer Länder sind die Abweichungen noch erheblich größer; für telegraphische Bestimmungen können sie bis 0,5 Sekunden und für Bestimmungen auf Grund von Mondbeobachtungen bis weit über 1 Sekunde = 450 m (im Aequator) gehen. Um gute Uebereinstimmungen zu erzielen, hat man besonders die genauen Messungen in Europa durch umfassende Ausgleichungen miteinander in Beziehung gebracht [2] und so große Systeme von Längenbestimmungen erhalten. Diese geben nun für etwa 50–60 Hauptpunkte (meist Sternwarten oder trigonometrische Punkte erster Ordnung) die scharfen Längendifferenzen gegen einen Ausgangsmeridian. Solche Hauptpunkte bilden dann wieder die Koordinatenursprungspunkte für die größeren Kartenwerke, auf denen dann durch Längenübertragungen die Positionen der einzelnen Orte abgeleitet und in das Gradnetz der Karte eingetragen sind. Man kann aus Karten im Maßstab von 1/500000 noch Längen bis auf 1–2 Zeitsekunden entnehmen. Die Generalstabskarten in 1/100000 gestatten eine noch etwas größere Genauigkeit, allerdings nur relativ zum Koordinatenursprungspunkt. Da es für die Kenntnis der Gestalt der Erde von großer Wichtigkeit ist, astronomische Längenbestimmungen mit den geodätischen Uebertragungen in Verbindung zu setzen, so werden seitens der »Internationalen Erdmessung« noch fortlaufend Längendifferenzen bestimmt und ihre Resultate in den »Generalberichten der Internationalen Erdmessung« veröffentlicht. Gute Verzeichnisse absoluter Längen, bezogen auf den Greenwicher Meridian, enthält der »Nautical Almanac«, bezogen auf Berlin, das »Berliner Astronom. Jahrbuch«, und bezogen auf Paris, die »Conn. des Temps«. Das letztere Jahrbuch gibt auch die geographischen Koordinaten einer sehr großen Anzahl von Orten in allen Erdteilen, die allerdings von ebenso verschiedener Zuverlässigkeit sind. Aber die Angabe der Quelle, der die Koordinaten entnommen sind, gestattet, sich über die Sicherheit zu orientieren. Außerdem geben auch die verschiedenen nautischen Jahrbücher oder Kalender [3] solche Tabellen, und dort sind besonders die Küstenpunkte, die Leuchtfeuer [4] und Zeitsignalstationen ausgewählt.


Literatur: [1] Die Längenbestimmungen zwischen Greenwich und Paris weichen noch bis auf etwa 0s,2 voneinander ab, soweit sie von englischen bezw. französischen Beobachtern an ihren eignen Instrumenten angestellt worden sind. – [2] Ausgleich von Hilfiker, 93 Längendifferenzen zwischen 39 Stationen, Astronom. Nachr. Nr. 2674, Bd. 112; von van de Sande-Bakhuyzen, 110 Längendifferenzen zwischen 43 Stationen, Résultats d'une compensation du réseau des longitudes en Europe etc., ebend. Nr. 3202, Bd. 134. – [3] Berliner Astron. Jahrbuch, Nautical Almanac, Conn. des Temps, Nautisches Jahrbuch (Berlin), Nautischer Kalender (Wien) u.s.w. – [4] Das alle zwei Jahre erscheinende amtliche Verzeichnis der Leuchttürme aller Meere.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 29-30.
Lizenz:
Faksimiles:
29 | 30
Kategorien: