Quelle

[323] Quelle, im allgemeinen, der Austritt einer Flüssigkeit aus der Erde, speziell das Zutagetreten von Grundwasser, wobei die Bezeichnung sowohl den Ort des Austrittes als auch das austretende Wasser einbegreift. Das Grundwasser (s. Bd. 4, S. 660 ff.) wird in der Hauptsache durch Absinken der im Boden flüssig bleibenden Infiltrationen (die direkt atmosphärischer Herkunft sein oder von bestehenden offenen Gewässern herrühren können) sowie aus Verdichtungen von Wasserdampf innerhalb der Bodenporen geliefert [1]; von Natur undurchlässige oder durch andauernde Benetzung undurchlässig gewordene Bodenschichten drängen es auf die Oberfläche zurück. Erfolgt das Zutagetreten aufsteigend unter lebhaften[323] vertikalen Bewegungen, so hat man einen Sprudel. Vielfach werden die Quellen auch als Brunnen bezeichnet.

Die Größe des Auslaufquantums hängt von dem Infiltrationsgebiet der Quelle und der Größe und Beschaffenheit des Grundwasserreservoirs ab. Ist das letztere groß und kann ein Ablauf nur durch die Quelle erfolgen, so besteht ein Gleichgewichtszustand zwischen dem in den Boden infiltrierten und dem an der Quelle auslaufenden Wasser, der jedoch zeitlich keineswegs parallele. Ergebnisse hat. Das Grundwasserreservoir sammelt die nur periodisch zugehenden Infiltrationen und regelt den Ausgleich zwischen Zufluß und Abfluß. Der letztere wird wesentlich erleichtert, wenn große nichtkapillare Wege für das Wasser gegen den Auslauf bestehen und umgekehrt. Setzt die Bodeninfiltration lange aus, so kann also im ersten Falle sich das Grundwasserreservoir rasch entleeren und der Auslauf eventuell auf Null herabsinken (die Quelle versiegt); in letzterem Falle wird eine weniger rasche Abnahme des Ablaufs stattfinden und ein Versiegen der Quelle nicht eintreten. Demgemäß ist eine stets gleichbleibende Ausflußmenge nicht denkbar, und man findet in der Tat nirgends eine Quelle von konstanter Ergiebigkeit [2], § 22–27.

Sehr häufig bildet die Quelle nicht den einzigen Auslauf für das Grundwasser, sondern nur den Ueberlauf eines unter dem Quellenorte oder in der Nähe desselben fließenden Grundwasserstromes. In diesem Falle werden sowohl durch den sichtbaren wie den unsichtbaren Wasserlauf dem Grundwasserreservoir die Vorräte entzogen. Sinkt der Spiegel im unsichtbaren Wasserlauf unter ein gewisses Maß, so versiegt der sichtbare Wasserlauf (die Quelle). Das Absinken des Spiegels im unsichtbaren Wasserlaufe kann durch allgemeines allmähliches Absinken der Grundwasserwelle im Gebirge veranlaßt sein oder aber durch ein innerhalb kurzer Perioden sich einstellendes Heben und Senken, der Flutwelle im unterirdischen Ablaufkanale, was besonders bei auf kurzen Strecken wechselndem Gefälle und Querschnitt, kaskadenförmigem oder heberartigem Ablaufe u.s.w. eintritt. Wenn das Grundwasserreservoir in der Regel nur die unsichtbar laufende Strömung speist und erst bei starken Anschwellungen Wasser aus der Quelle austritt, so nennt man die letztere in unserm Klima Hungerbrunnen oder Maibrunnen (auch Wedel), weil ihrer Entstehung lange andauernde, der Vegetation schädliche Regenfälle vorangehen; erfolgt das Entstehen und Versiegen der Quelle innerhalb kurzer Perioden, so nennt man sie eine intermittierende [2], S. 229.

Die in den Boden eindringenden Infiltrationen, welche die Quellen bezw. den Grundwasserstrom speisen, sind hauptsächlich dreierlei Art: 1. Versickerungen von Regenwasser über dem Gelände durch Poren, Klüfte und Spalten; 2. Versinken eines Teils offen fließender Wasser in den Untergrund und 3. Schneeschmelzen über dem durchlässigen Gebirge. Da die sub 1. genannten Infiltrationen in der heißen Jahreszeit und im strengen Winter sehr gering sind, werden die ausschließlich durch sie gespeisten Quellen während und nach dieser Zeit ihre Minima zeigen. Die sub 2. genannten Infiltrationen sind geeignet, jederzeit große, nachhaltige Quellen zu speisen, die aber hygienisch nicht immer einwandfrei sind. Die sub 3. genannten, besonders die im Hochgebirge im Sommer aus Schnee- und Gletscherschmelzen hervorgehenden Infiltrationen liefern meist sehr reines und, weil in der heißen Jahreszeit am reichlichsten fließend, für Wasserversorgungen vortrefflich geeignetes kühles Quellwasser; dabei treten die Minima im Winter und Frühjahr auf.

Die Temperatur der Quellen ist von jener der einziehenden Infiltration, der Zeitdauer des Aufenthaltes derselben im Untergrund und der Tieflage, in welcher sie sich bewegt, abhängig. Da in unserm Klima in der Tiefe von 30 m unter Terrain die Temperatur ungefähr gleich der mittleren Jahrestemperatur an dem betreffenden Orte ist, so beweisen geringe Abweichungen der Quellentemperatur von dieser, daß der unterirdische Weg die Infiltrationen zunächst tiefer als 30 m und dann erst wieder in geringerer Tiefe der Quelle zuführt. Solche Quellen sind in der Regel rein. Große Schwankungen in der Temperatur des Quellwassers weisen auf eine geringe Tiefe des Eindringens der Infiltrationen oder auf ein rasches Durchfließen der Zwischenräume des Gebirges hin. Letzteres läßt sehr häufig auch eine Trübung der Quelle zum Vorschein kommen. Die Qualität des Wassers ist dann eine Zweifelhafte. Quellen, welche eine größere als die mittlere Jahrestemperatur zeigen, heißt man Thermen (heiße Quellen). Ueber ihre Entstehungsursache weiß man in der Regel nichts Genaues; um so reichlicher sprießen die Hypothesen, die wir übergehen (Literatur s. [2], S. 241). Quellen mit konstanter Temperatur gibt es nicht.

Chemische Prozesse während der Infiltration, chemische Angriffe des Wasserdampfes und des flüssigen Wassers sowie mechanische Arbeit des letzteren an dem Träger des Grundwassers bewirken sowohl eine Auslaugung als auch eine mechanische Umbildung desselben. Die chemischen Lösungen zeigen sich im Wasser der Quelle und lassen häufig erkennen, welche Gesteinsschichten von dem Grundwasser unterirdisch berührt bezw. durchflossen wurden. In der Regel ist die Quantität dieser Lösungen relativ nicht sehr bedeutend; erreichen sie eine größere Konzentration, so nennt man die Quellen Mineralquellen (Literatur s. [2], S. 247). Am häufigsten zeigen sich eisenhaltige Wasser. Die im Wasser gelösten Stoffe werden nie in konstanten, sondern je nach Jahreszeit, Wassermenge der Quelle und Temperatur verschiedenen Mengen vorgefunden [1]. Die mechanischen Ablösungen des Wassers bewirken Ablagerungen teils im Gebirgsinnern, teils an der Quelle selbst; sie können zur Ursache des Entstehens von nichtkapillaren Spalten werden, wodurch die Wasserwirtschaft an der Quelle sowie die hygienische und chemische Beschaffenheit derselben meist ungünstig beeinflußt wird.

An vielen Quellen steigt die Ergiebigkeit, wenn der Luftdruck abnimmt; man nennt sie dann Wetterbrunnen. Die Erscheinung erklärt sich daraus, daß über der tief unter dem Boden liegenden Grundwasserwelle der Luftdruck sich nicht so rasch ändern kann wie an dem Auslaufe, weil bei der Ausgleichung des Drucks über der Grundwasserwelle bedeutende Bewegungswiderstände in den Bodenporen zu überwinden sind.[324]

Die Ergiebigkeit einer Quelle ist um so geringer, je geringer ihr Infiltrationsgebiet bezw. je kleiner das sie speisende Grundwasserreservoir und je weniger durchlässig der Grundwasserträger ist und umgekehrt. Die Durchlässigkeit des letzteren ist aber nicht allein von der Porosität des Gesteins an sich, sondern auch von der Zertrümmerung desselben in Schollen, Fetzen, Schotter u.s.w. abhängig. Bei kleinem Grundwasserreservoir können oft nur geringe Bruchteile der atmosphärischen Niederschläge als Bodeninfiltrationen einziehen; bei größerem werden alle dienstbar gemacht. Innerhalb regelmäßig geschichteter Formationen treten die Quellen stets am Ausgehenden der Schichten zutage. Sehr häufig findet man Quellen an dem Uferrande alter Hochgestade oder in dem Mittelpunkte amphitheatralischer Terrainbildungen. In der Nähe eruptiver Durchbrüche finden sich stets Quellen oder größere Grundwasseransammlungen; ebenso dort, wo Gebirgsdetritus in großer Menge mit regelmäßig geschichtetem Gestein zusammenliegt, durchlässige über undurchlässige Schichten gelagert sind, oder durchlässige Gebirge von tonigen Gesteinen mantelartig umhüllt werden. Erdfälle, in Reihen vorhanden, weisen in ihrer Verlängerung stets auf eine Quelle oder auf Grundwasser hin. Aus Gebirgsspalten, wenn sie Verwerfungen bilden, drängen in der Regel Quellen hervor. In den Schnee- und Eisregionen von rund 3000 m ü. d. M. hören die Quellen auf. Näheres hierüber in [2], § 31 und 32. Die Reinheit des Wassers einer Quelle ist ganz wesentlich von der natürlichen Filtration desselben im Untergrunde abhängig; Quellen aus nichtkapillaren Spalten, die große Wassermengen liefern, sind in der Regel der Infektion ausgesetzt, besonders in stark besiedelten Einzugsgebieten.


Literatur: [1] Daubrée, A., Les eaux souterraines, Paris 1888. – [2] Lueger, O., Wasserversorgung, Abschn. II, Darmstadt 1895, mit zahlreichen weiteren Literaturangaben.

Lueger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 323-325.
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