Aether [1]

[92] Aether (Lichtäther). Die Erkenntnis, daß das Licht eine Wellenbewegung sei (Fresnels Interferenzversuch 1821), führte mit Notwendigkeit zur Annahme eines Trägers dieser Bewegung, des Aethers, der bis zu den fernsten Fixsternen den Raum erfüllt und auch in unsrer Luft und den durchsichtigen Körpern der Träger der Wellenbewegung des Lichtes ist.

Der Nachweis von H.Hertz [1], daß den elektrischen Schwingungen dieselben Eigenschaften in betreff von Fortpflanzungsgeschwindigkeit, Brechung, Zurückwerfung, Polarisation zukommen, wie den Lichtschwingungen, lassen den Lichtäther auch als Vermittler und Träger der elektrischen Erscheinungen und wegen des engen Zusammenhangs von elektrischen und magnetischen Erscheinungen auch als Träger der magnetischen Fernwirkung erkennen, um so mehr, als seit Faradays Entdeckung der elektromagnetischen Drehung der Polarisationsebene des Lichts auch Licht und Magnetismus in innigste Beziehung getreten sind. Die ältere, besonders durch A. Fresnel [2] und F.E. Neumann [3] vertretene Optik erklärte die optischen Erscheinungen nach den Gesetzen der Elastizität, indem sie den Lichtäther als ungemein dünne, elastische, nahezu inkompressible Flüssigkeit betrachtete, deren transversal zur Fortpflanzungsrichtung der Wellen gerichtete Schwingungen die Energie der molekularen Schwingungen der leuchtenden Körper nach allen Richtungen fortpflanzen. Th. Young nahm an, der Aether durchdringe alle Körper ohne Widerstand; Euler berechnete seine Dichte zum 39000000. Teil von derjenigen der atmosphärischen Luft. Die neuere, hauptsächlich durch J.C. Maxwell vertretene Optik [4] leitet die Lichterscheinungen nicht aus den Gesetzen der Elastizität, sondern aus den Grundgesetzen der elektromagnetischen Kraft ab, wobei die Frage nach einer mechanischen Erklärung noch offenbleibt. Ueber die Versuche, dem Aether solche Grundeigenschaften und molekulare Bewegungen zuzuschreiben, daß die elektrischen, magnetischen, damit die Licht- und Wärmeerscheinungen, womöglich auch die Gravitation, daraus mechanisch erklärbar werden, sei auf Zöllners Ausführungen [5] verwiesen. Vielleicht gelingt es unter Veränderung der Grundvorstellungen über die mechanische Wechselwirkung der Körper (Elastizitätsgesetze), zu einer die elektromagnetische und die elastische Lichttheorie verbindenden Vorstellung vom Aether zu gelangen [6]. Vgl. auch die Literatur unter Aberration.


Literatur: Hertz, H., Untersuchungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft, Leipzig 1892. – [2] Pogg. Annalen, Bd. 23, S. 372, 494. – [3] Ebendas., Bd. 25, S. 418. – [4] Maxwell, J.C., Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus, deutsch von Weinstein, 4. Teil, Berlin 1883, auch in den Gesammelten Abhandlungen, Göttingen 1891, oder: Maxwell, Scientific papers, Cambridge (University Press) 1890. – [5] Zöllner, Ueber Wirkungen in die Ferne, in den Gesammelten Abhandlungen, Leipzig 1878, Bd. 1, S. 16. – [6] Reiff, R., Elastizität u. Elektrizität, Freiburg und Leipzig 1893.

Aug. Schmidt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 92.
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