Appretur [1]

[254] Appretur, ein so allgemeiner Begriff, daß er sich fast ebenso schwer mit kurzen Worten feststellen läßt wie die Bedeutung des englischen »Finishing«, dem er teilweise, aber nicht im vollen Umfange entspricht. Während das Finishing auch das Bleichen, Färben u.s.w. in sich begreift, also im Deutschen am bellen durch »Veredeln« wiedergegeben wird, verstehen wir unter Appretur im eigentlichen und engeren Sinne des Wortes diejenige Behandlung, Ausrüstung und Zurichtung der rohen, gebleichten oder gefärbten Gewebe, wohl auch Handelsgarne, durch die ihnen ein den wechselnden Wünschen der Mode und des Marktes entsprechendes Aussehen und Anfühlen, ein bestimmter Charakter gegeben wird. Neben dieser gewissermaßen transitiven Bedeutung des Wortes »Appretur« wird es aber auch in intransitivem Sinne gebraucht, wonach es gerade zur Bezeichnung des Charakters selbst dient, den man einer Ware durch die Arbeiten des Ausrüstens und Zurichtens erteilt hat; d.h. je nachdem der Appreteur ein Gewebe behandelt oder appretiert hat, sagt man auch, daß es eine milde, rauhe, weiche, harte, papierene, knisternde, seidige, wollige, glänzende u.s.w. Appretur oder einen derartigen Appret besitzt. Ist von der Appretur im weitesten Sinne des Wortes die Rede, so gehört dazu noch die »Aufmachung«, das Legen, Messen, Heften, Etikettieren, Packen und Pressen der im übrigen für den Versand fertiggestellten Ware.

Wie die Eigenart der Baumwollfaser weittragende Untersuchungen und eingreifende Reformen auf dem Gesamtgebiet der Färberei veranlaßt hat, so verdankt ihr auch die Appretur der Leinen-, Woll- und Seidewaren neue grundlegende Gedanken und ein mehr systematisches Arbeiten. Die Baumwolle, die in den ersten Zeiten ihres Auftretens im Abendland nur in Gesellschaft mit Flachsgarn verwebt wurde, hatte anfänglich einen schweren Stand gegen die Konkurrenz der Leinenfaser. Man suchte die Eigenschaften der letzteren tunlichst durch leinwandartige Appretur der Baumwollgewebe zu erreichen, für die ein kaltes, glattes Anfühlen, milder Glanz, kerniger Griff und runder Faden charakteristisch sind. Der Stärkekleister für Leinwandimitation erhält verschiedene Zusätze (s. Appretmittel) von Dextrin, Leim, Pflanzenschleimen, dann einen aus Fetten und Seifen, Stearin, Wachs u. dergl. bestehenden sogenannten »Fettansatz«, ferner Kaolin, Chinaklay, Talk u.s.w. Die warme Masse wird als Vollappret (s. Appretmaschine) auf das Gewebe aufgetragen und auf einem Trockenapparat oder in der Hänge getrocknet, die getrocknete Ware dann eingesprengt (s. Einsprengmaschine), schließlich gar nicht oder kalt mit ganz schwachem Druck kalandriert, damit der Faden nicht plattgedrückt wird (s. Kalander), in beiden Fällen aber auch wie Leinwand gemangt, wobei der Faden seine natürliche Rundung behält. Spezifizierte Rezepte für besondere Appreturen vorzuführen geht bei dem Ueberfluß von alten, neuen und immer frisch hinzukommenden Baumwollartikeln nicht an und hat auch keinen praktischen Wert, sofern die Vorschriften und Verfahren immer zugleich die Nummer des Garns, die Zahl der Fäden im Gewebe, die Sorte der für das Gespinst verwendeten Rohbaumwolle, namentlich aber auch die verfügbare Einrichtung jeder Appreturanstalt zu berücksichtigen haben. Aehnlich wie der Appret für Leinwandimitation ist der Chiffon- und Shirtingappret zusammengesetzt, der jedoch auf die Mange verzichtet und ausschließlich auf dem mehr oder weniger stark erhitzten Kalander geglättet wird. Baumwollgewebe, die eine rauhe, wollige, matte, z.B. Kretonneappretur erhalten Folien, werden mit Dextrinlösung allein oder ihrer Mischung mit dünnem Stärkekleister, aber ohne jeden Fettansatz gestärkt, höchstens daß man, um den Griff zu mildern, einen schwachen Seifezusatz gibt. Nach dem Stärken und Trocknen wird bei der Mattappretur die Ware nicht eingesprengt,[254] sondern nur aufgerollt und mehrmals umgebaumt (s. Aufbäumstuhl), wohl auch durch die Appretbrechmaschine (s.d.) genommen oder kalt kalandriert, wobei die von dem Stücke berührte Metallwalze, um jeden Glanz auf dem Gewebe zu vermeiden, mit Tuch umwickelt oder von einem endlos laufenden Tuch umfaßt ist. – Sollen gefärbte oder bedruckte Kottone, Mollinos, Texas u.s.w. mit viel Lüster und Griff ausgerüstet werden, so erhalten sie einen an Fettansatz reichen Stärkeappret mit oder ohne Füllmittel, werden nach dem Trocknen stark eingesprengt und nicht bloß heiß, sondern zugleich mit Friktion kalandriert, d.h. glaciert oder lüstriert. Für Hochglanz nimmt man die in gleicher Weise gestärkte Ware vor dem Friktionieren durch die Wachsmaschine oder man kalandriert sie ohne Friktion und läßt sie (wie z.B. leinene Taschentücher oder ihre Imitation in Mollinos) nachträglich unter der Achatrolle der Glacier- oder Glänzmaschine durchgehen. – Buchbinderkalikos, Futter-, Fächerflosse u.s.w. werden wiederholt mit fettreicher Appretmasse gestärkt und zwischenhinein getrocknet, damit sie möglichst viel von ihr aufnehmen, was für das spätere Gaufrieren und Moirieren erste Bedingung ist. Sie werden dann nach dem zweiten oder dritten Trocknen eingesprengt und, um sie zu glätten, leicht kalandriert, nochmals eingesprengt und nun durch den mit Dampf, Gas oder Glühbolzen geheizten Gaufrier- oder Moirierkalander genommen. Bei dieser Gattung von Kalandern ist eine eiserne Walze mit einer vertieften Gravüre von Längs-, Quer- oder Diagonalstreifen, feinen Punkten, Carreaux und ähnlichen Mustern versehen, die sich auf der harten Unterlage einer zweiten Eisenwalze fest in den Appret und das Gewebe des zwischen beiden Walzen durchlaufenden Stückes eindrücken und auf diese Weise Köper-, Croisé- und andre Reliefeffekte auf dem Stoff hervorbringen. Hat man ein unregelmäßiges Wolkenmuster auf die eine Walze graviert, so erhält man wässerig glänzende Moiréeffekte auf der steif appretierten Ware. – Satingewebe, mit weicher, mild glänzender Satinappretur ausgerüstet, imitieren mit schönstem Erfolg die seidenen Stoffe. Wenn nicht ganz, so besteht die Appretmasse doch in der Hauptsache aus einer Seifenlösung, allenfalls vermischt mit dünnem Pflanzenschleim und wenig Glyzerin. Bei Abwesenheit von Stärke genügt es, die Ware nach dem Trocknen und Einsprengen wiederholt und unter starkem Druck durch den heißen Kalander gehen zu lassen, um den erforderlichen Glanz mit der nötigen Geschmeidigkeit des Stoffes zu erreichen. Nähert sich das Gewebe in seiner Zusammensetzung. dem Perkal oder Kaliko und enthält die dünne Satinappretmasse außer Seife, Pflanzenschleim und Glyzerin noch Kartoffelstärke, Wachs oder Paraffin, dazu vielleicht etwas Borax und Natriumsulfat für den Lüster, eventuell auch Kochsalz, um den Baumwollstoff nach Art der Seide knirschend zu machen, so fällt der Satinappret nach dem Trocknen und Kalandrieren zu steif und kräftig aus, weshalb die Ware nachträglich auf der Appretbrechmaschine (s.d.) behandelt wird, um ihr schließlich auf der Beetlemaschine (Stampf- oder Stoßkalander) die gewünschte Weichheit und Milde des Griffs zu verschaffen, oder, wie der Appreteur sagt, um sie zu satinieren. – Bei der Appretur feinfädiger, nicht sehr dichter Baumwollgewebe, z.B. von Jaconnas, Batisten, Musselinen und Organtis, spielt schon das Trocknen vor und nach dem Stärken eine nicht unwichtige Rolle. Damit in diesem Fall das Gewebe seine natürliche Breite und die senkrechte Stellung von Schuß und Kette zueinander behält oder, richtiger gesagt, wieder erhält, und damit der Faden seine natürliche Rundung nicht verliert, werden solche, wie auch dichtere Stoffe, nicht auf Trockenzylindern, sondern auf Spannrahmen getrocknet. Sind die Trockenrahmen beweglich eingerichtet, so daß ihre Längskanten samt den an ihnen befestigten Leisten der Ware parallel zur Kette des Gewebes hin und her geschoben werden können, so wird durch diese horizontalen Schwingungen die Appretmasse verhindert, sich in den Maschen des seinen Gewebes festzusetzen, gleichzeitig wird aber auch der Appret auf dem Faden während des Trocknens gebrochen, damit der Stoff nicht eine bockige, sondern eine »elastische Appretur« erhält, die auch als Briséappretur bezeichnet wird. – Welch wohltätigen Einfluß der eigentliche (Apparatin-)Linksappret (s. Appretmittel) auf das Kolorit der bedruckten Baumwollgewebe ausübt, ist bei Besprechung der Appretmaschinen genügend hervorgehoben worden. Kennzeichnend für die Linksappretur ist aber auch das auf der rechten Seite der Ware weiche und natürliche, auf der Rückseite feste Anfühlen, des Gewebes, wodurch es mit oder ohne Glanz einen lederartigen Griff erhält. Diesem besonderen Griff hat es der Linksapparat weiter zu verdanken, daß er nicht bloß für bedruckte, sondern auch für weiße oder ungefärbte Stoffe Verwendung gefunden hat, wozu noch kommt, daß dieses Verfahren den erhabenen Webmustern der Brillantines, Piqués, Köper u.s.w. ihr volles »Bild« läßt, weil die Ware nicht wie auf der gewöhnlichen Appretmaschine von zwei schweren Metallwalzen zusammengedrückt, also das Webmuster nicht niedergedrückt, nicht gewaltsam zum Verschwinden gebracht wird. Selbstverständlich wird derartig gemusterte Ware nach dem Stärken nicht kalandriert, sondern nur aufgebäumt. – Ueber beschwerte, wasserdichte und unverbrennliche Appretur s. Appretmittel, Wasserdichte bezw. Unverbrennliche Stoffe. Der Baumwollappreteur verfügt überhaupt, außer den hier berührten, über nicht wenige andre Verfahren und zugehörige termini technici, die jedoch an dieser Stelle nicht alle aufgezählt zu werden brauchen, da die meisten von ihnen unter die durch obige Beispiele festgestellten Gesichtspunkte fallen, viele von ihnen rasch mit der Mode kommen und gehen. Es soll nur noch die Appretur der Barchente und andrer Gewebe mit einfachem oder doppeltem Pelz (z.B. Deutschleder) berücksichtigt werden, weil sie einer noch nicht erwähnten Appreturmaschine bedarf. Die Appretmasse besteht aus Dextrin oder Leim und etwas Türkischrotöl. Nach dem Trocknen und Einsprengen wird die Ware ein- bis zweimal, auf einer oder beiden Seiten mittels der Rauhmaschine gerauht, um den durch die vorausgegangenen Manipulationen niedergedrückten Pelz wieder aufzurichten; und gleichfalls mit Rücksicht auf den Pelz läßt man sie hinter der Rauhmaschine nicht auf Rollen auflaufen, sondern breitlegen [1]. – Der kalandrierten, gemangten, satinierten oder gerauhten Ware flehen noch die Operationen der Appretur im weiteren Sinne des Wortes bevor. Sie wird gemessen, unter Umständen auch dubliert, in[255] Falten oder Blätter gelegt, gestempelt, etikettiert, an den Leisten geheftet und schließlich gepreßt. Zwar spielt die kalte Handspindel- oder hydraulische Presse in der Appretur der Baumwoll- und Leinenwaren entfernt nicht die Rolle wie die Warmpresse und Walzenpresse in der Appretur der Wollgewebe; vergleicht man jedoch die appretierten Baumwollstücke vor und nach dem Einlegen in die kalte Presse, so läßt sich nicht verkennen, daß ihr Aussehen durch das Pressen entschieden gewonnen und die Appretur ihre letzte Feile damit erhalten hat [1]. – Das Schlichten der Garne vor dem Verweben ist in der Hauptsache ein Stärken oder Appretieren, gehört jedoch in das Kapitel der Weberei, nicht der Appretur fertiger Waren. Aber es kommen auch im Strähn appretierte Baumwoll- und Leinengarne, Zwirne, Eisengarne, Nähfaden u.s.w. in bedeutenden Mengen auf den Markt. Die Appretmasse, aus Kartoffelstärke, Caragheen- oder Flohsamenschleim, Seifenlösung, etwas Wachs und Stearin bestehend, wird auf der Garnstärkmaschine (s. Appretmaschine) aufgetragen und auf einer Glänzmaschine gebürstet, getrocknet und lüstriert. – Die Leinenbranche kennt noch einige alte Artikel, mit denen der Appreteur nichts zu tun bekommt, denn sie werden verkauft, wie sie vom Handwebstuhl abgenommen werden. Andre Leinenartikel erhalten einen Vollappret, wie Baumwollwaren und werden wie diese auf Stärkmaschinen und mit Appretmassen imprägniert, deren Einrichtung bezw. Zusammensetzung mit den Grundregeln der Baumwollappretur übereinstimmen. Aber ein großer Teil der ganz- oder halbleinenen Waren geht nicht durch die Stärkmaschine, sondern erhält die Appretmasse von der Einsprengmaschine, der übrigens in der Regel die Schlichtmaschine in der Weberei schon entsprechend vorgearbeitet hat. Die Einsprengflüssigkeit ist ein verdünnter Appret, oft auch nur Wasser mit etwas Wasserglas. Die eingesprengte Ware bleibt eine bestimmte Zeit auf dem Haufen liegen, damit die Flüssigkeit Zeit hat, das Gewebe gleichmäßig anzufeuchten. Dann wird letzteres, wenn man gewöhnlichen Glanz erzielen will, wie dies bei vielen halbleinenen und buntfarbigen Stoffen der Fall ist, durch den heißen Kalander genommen oder abwechslungsweise gemangt und kalandriert. Feine Crease, Weißgarne, Damaste u. dergl., auch küpenblaue Leinenware werden nur auf die altehrwürdige Kastenmange gegeben und erhalten auf ihr so viele »Gänge«, bis bei vollkommen gebliebener Rundung des Fadens ein kerniger Griff und das charakteristische Leinenmoiré oder »Wasser« erreicht ist, ohne daß etwa das Weiß infolge schlechter Kettenschlichte seine Klarheit und Reinheit hierbei verlieren darf.

In der Wollwarenfabrikation arbeitet der Appreteur mit wesentlich andern Mitteln als in der Baumwoll- oder Leinenbranche. Seine Tätigkeit ist vor allem von der Art des Waschens, Färbens und Trocknens ebenso abhängig wie von der Beschaffenheit der in der Spinnerei verwendeten Wolle; sie geht neben diesen Operationen her, wird zeitweise von ihnen unterbrochen und je nach ihrem Gelingen oder Nichtgelingen nach der einen oder andern Seite hin beeinflußt. Die Zahl der in der Wollindustrie erzeugten Genres, ihrer Varietäten und Spielarten ist womöglich noch größer und wechselt von Saison zu Saison noch häufiger als in der Baumwoll- und Leinenindustrie. Die hierdurch bedingten Unterschiede zwischen dem einen und andern Appreturverfahren sind jedoch nicht allzu groß, weshalb es genügen dürfte, auch hier nur die Richtung des von der Appretur eingeschlagenen Wegs im allgemeinen durch einen Wegweiser vorzuschreiben, ohne auf die Nebenwege einzugehen. Als Beispiel soll ein im Stück zu färbendes Tuch von mittlerer Qualität dienen, das soeben als sogenanntes »Loden« vom Webstuhl genommen und getrocknet worden ist. Zunächst werden durch das Rohnoppen mit kleinen eisernen Zangen Schußfehler, starke Fäden, Kettenbrüche u. dergl. ausgebessert und Knoten aus dem Gewebe entfernt. Nach dem Noppen wird jedes Stück mit Nummer und eingenähten Zeichen versehen. Nun folgt das Waschen, Entfetten oder »Entgerbern« des Lodens auf der Lochwalke oder Waschmaschine, bestehend in einer Behandlung mit warmer Seifen- und Sodalösung, wohl auch Walkerde, um das Gewebe vom Leim der Schlichte, von der Oel- oder Oleinschmelze des Wollgespinstes und von andern Unreinigkeiten zu befreien. Nach dem Entgerbern wird in reinem Wasser gut gewaschen, auf der Horizontalzentrifuge vorgetrocknet und auf Trockentrommeln, auf der Lufttrockenmaschine oder auf dem Spannrahmen fertig getrocknet. Die auf diese Weise entfetteten Loden kommen trocken in die Walke, die mit nicht zu heißem Wasser, mit Seifelösung, faulem Harn und Walkerde angesetzt ist und die man so lange auf die Ware einwirken läßt, bis der Wollfaden genügend verfilzt, das Gewebe geschlossen und der Stoff auf die verlangte Breite eingeschrumpft oder »eingegangen« ist. Nach dem Waschen, das am bellen von der Breitwaschmaschine besorgt wird, gibt man die Tuche feucht auf die Rauhmaschine, um sie »aus dem Haare zu rauhen«, d.h. um den oberen, »wilden« Filz aufzulockern, der nach dem Trocknen aufgebürstet und von der Schermaschine weggeschnitten wird, worauf man die Stücke wieder mit Wasser netzt, um dann erst das eigentliche Rauhen und nach neuerlichem Trocknen das richtige Scheren, der Reihe nach auf der Longitudinal- und Transversalschermaschine, vorzunehmen. Für matte Ware genügt nunmehr die Behandlung auf der Walzenpresse, worauf das Dämpfen und Dekatieren folgt, um den in der Presse erreichten milden Glanz auf dem weißen Tuche zu fixieren, um den Stoff vor späterem Eingehen beim Naßwerden zu bewahren und um die Lage der Haare bleibend zu erhalten. Nach dem Dekatieren, das schon zur Appretur im engsten Sinne des Wortes gerechnet werden kann, kommen die Stücke zum Färben (wobei der Stoff stets in der Richtung der Strichlage in der Färbmaschine zu laufen hat), werden nach dem Färben gut in Walkerde gewaschen, mit abgenutzten Rauhkarden oder mit der Bürstmaschine sein verstrichen, getrocknet, leicht auf der Transversalschermaschine geschoren, gedämpft, gebürstet und so gelegt, wie die »nadelfertige« Ware auf dem Markt verlangt wird. Jetzt kommt die warme Presse, die den Tuchen die letzte Feile der Appretur gibt. Zwischen die einzelnen Lagen jedes Stücks werden Preßspäne aus Glanzpappe eingelegt, worauf die Stücke, durch dünne Bretter und warme Eisenplatten horizontal voneinander getrennt, in der hydraulischen oder Spindelpresse übereinander geschichtet werden,[256] um bei mehr oder weniger langem Verweilen in dieser Prelle eine glatte Oberfläche und je nach der Stärke des Drucks und der Temperatur der Eisenplatten einen beliebig hohen Glanz zu erhalten, wofür diese Art von Presse sich besser eignet als die weniger Glanz gebende Walzenpresse [2].

Bei der Appretur der Kammgarnstoffe fällt, um alles Filzen zu vermeiden, mit Ausnahme von wenigen stückfarbigen Stoffen, das Walken und meist auch das Rauhen weg. Es werden z.B. stückfarbige Kammgarnherrenstoffe nach dem Weben in Kernseife und wenig Soda auf der Breitwaschmaschine entgerbert, auf der Breitschleudermaschine oder Horizontalzentrifuge vorgetrocknet, gerahmt und getrocknet, worauf das Rohnoppen, Stopfen und Sengen folgt. Nur in seltenen Fällen wird die Ware (und dann mit abgearbeiteten, stumpfen Karden) gerauht, dagegen gerne feucht der Bürstmaschine übergeben, wieder gerahmt und nochmals geschoren, worauf sie in die Presse kommt. Um den Fäden des Gewebes eine feste Lage zueinander zu sichern und um den dem Stoff gegebenen Glanz zu fixieren, werden die Stücke dekatiert oder durch heißes Wasser von 80° C. genommen, was auf dem Brennbock oder auf der Krabbmaschine selbst erfolgen kann. Nach dem Waschen in Walkerde wird die Ware in die Farbe gegeben, gewaschen, bei mäßiger Temperatur getrocknet, gesengt, geschoren, dekatiert und, im Fall daß man einem leichteren Stoff mehr Griff geben will, auf der Gummiermaschine einseitig mit Leimlösung imprägniert, auf der Spindelpresse kalt und auf der Walzenpresse warm gepreßt, womit die Ware nadelfertig ist. Als Beispiel solcher Kammgarnartikel, die, entgegen der Regel, eine Walke erhalten und zugleich als Beispiel, wie auch sonst der Wollappreteur, je nachdem er einen Artikel in Händen hat, vom einen der zwei ihm angewiesenen Wege zeitweilig auf den andern über- und wieder zurückspringt, mögen die auf dem Markt beliebten Kammgarncheviots dienen, von denen milder Griff, ausgesprochener Glanz und eine geschlossene, etwas glattgeschorene Decke verlangt wird. Die vom Webstuhl kommenden Stücke werden geknotet oder im Rohen genoppt, dann entgerbert, wobei man sich einer schwach alkalischen Waschlauge bedient. Bei stückfarbiger Ware wird jetzt das Karbonisieren eingeschoben und dann erst gewalkt. Das Walken mit Seifelösung darf nicht lange dauern, worauf die Ware in lauwarmem Wasser unter Zusatz von wenig Salmiakgeist und hernach mit Walkerde gewaschen wird. Feinere stückfarbige Cheviots werden zuweilen vor dem nunmehr folgenden Färben aufgedockt und einige Zeit gekocht oder auf dem Brennbock behandelt. Nach dem Färben wird die Ware wieder mit Erde gewaschen, zentrifugiert, dann gleich den wollfarbigen Stücken schwach gerauht, naß auf die Dekatierwalze gewickelt, hier 8 Minuten gedämpft und im Freien oder mittels einer Maschine für Lufttrocknung bei mäßiger Temperatur getrocknet. Schließlich wird auf dem Langscherzylinder das wilde Haar »gespitzt«, dann das zweite Noppen und das Warmpressen auf der hydraulischen bezw. Plattenpresse vorgenommen. Nach dem zweimaligen Warmpressen wird die Ware leicht gedämpft, verkühlt und kalt gepreßt, womit sie nadelfertig ist [3].

Die Appretur der Halbwollwaren schließt sich eng an die der Kammgarne an und zerfällt, wenn die Ware zugleich gefärbt werden soll, wieder in zwei durch das Färben getrennte Teile. Die Vorappretur beginnt mit dem Sengen der Stücke, worauf sie auf der Krabbmaschine abwechslungsweise durch Schmierseife und heißes Wasser genommen werden. Es werden hierbei die Schmelze, Schlichte und sonstige, dem rohen Gewebe anhängende Verunreinigungen vom Stoff entfernt, und gleichzeitig verliert das Wollhaar, wie dies von der Appretur der Kammgarne her bekannt ist, die Krimpfähigkeit, d.h. die Eigenschaft, sich zu kräuseln und zu verfilzen. Nach dem Krabben kommen die Stücke für 10 Minuten zum Dämpfen auf die Pfeife (oder Dekatierwalze, Dämpfzylinder, s. Dämpfen) und werden dann auf der Paddingmaschine durch warmes Wasser genommen. Hier bricht die Vorappretur für die Färberware ab, um nach dem inzwischen erfolgten Färben und Spülen mit erneuertem Dämpfen auf der Pfeife, Sengen und Durchnehmen durch die mit warmem Wasser angesetzte Paddingmaschine fortgesetzt bezw. wiederholt zu werden. Geringere Qualitäten von Halbwollstoffen erhalten auf derselben Paddingmaschine einen aus Leimwasser bestehenden Appret. Nach dem Trocknen auf dem Spannrahmen gibt man den geleimten oder nicht geleimten Stücken den erforderlichen Glanz auf der entsprechend warmen hydraulischen Presse [4].

In der Seidenfabrikation spielt die Appretur der Garne eine weit größere Rolle als im übrigen Stoffgewebe; denn es erhalten nicht bloß die gefärbten oder ungefärbten Seidengarne, die als Ganzfabrikate (Nähfaden, Posamenten-, Strickgarn u.s.w.) auf den Markt kommen, eine ihrer späteren Verwendung entsprechende Appretur, sondern auch viele von ihnen, die als Halbfabrikate an den Weber abgeliefert werden, eine Ausrüstung, die als Vorarbeit und Grundlage für die spätere Appretur des gewebten Stoffes betrachtet werden kann. Will man der Garnseide das, was sie bei den verschiedenen Operationen in der Färberei an Glanz verloren hat, wieder zurückgeben, so geschieht dies durch die Avivage, die mit verschiedenen chemischen Mitteln ausgeführt wird, je nachdem das Garn krachend gemacht werden oder ein weiches Anfühlen erhalten soll. Geschmeidig und zugleich krachend macht man gefärbte (z.B. schwarze) Seide in einer mit Zitronensäure angesäuerten Emulsion von Olivenöl, Wasser und Soda oder Pottasche. Für abgekochte Seide rechnet man ungefähr 1–2% Olivenöl (vom Gewicht des Garnes), für Soupleseide 5–15%, für Fransenseide 5–20% Olivenöl. Die Menge des Oels richtet sich außerdem nach der Herkunft der Rohseide, nach ihrer Bestimmung für Schuß oder Kette, für Atlas, Taffets oder andre Webereiartikel. Das Olivenöl wird mit seiner doppelten Menge Wasser von 65 C. und mit Sodalösung zu einer Emulsion verrührt, die man schließlich (für das Krachendmachen) mit 20–25% Zitronensäure versetzt und auf 35° C. abkühlen läßt. In dieser Flüssigkeit zieht man alsdann die Seide rasch um, worauf sie abgerungen und getrocknet wird. Statt der Zitronensäure, die für den krachenden (knitternden, rauschenden) und griffigen Appret am wirksamsten ist, werden auch 10–12% Essigsäure oder durchschnittlich[257] 9% Salzsäure oder endlich verdünnte Schwefelsäure (1:1000) genommen, und bisweilen setzt man auch, um die Seide zugleich griffiger zu machen, einige Prozente Tischlerleim oder Gelatine der Emulsion zu. – Ist die Seide für Artikel bestimmt, die Moiréappret oder Wasserglanz erhalten sollen, so wird sie in einem mit Wasser stark verdünnten, sulfonierten Olivenöl (durch kalte Einwirkung von 1 Teil Schwefelsäurehydrat auf 1 Teil Olivenöl erhalten) rasch mehrmals umgezogen (nicht ausgerungen), getrocknet, und auf diese Weise weich gemacht. Oder man behandelt sie 1/2 Stunde lang in einem 30° C. warmen Seifenbad (25–30% weiße Seife) oder, was besonders für ganz weiche Näh- und Posamentenseide empfohlen wird, man zieht sie 1/2 Stunde lang in einem Wasser um, in dem Walk- oder englische Erde suspendiert ist. In letzterem Fall wird sie wohl auch nachträglich, um ihr zugleich eine Beschwerung zu geben, durch Bleiessig gezogen, getrocknet und mit Olivenöl ohne Säurezusatz imprägniert, so daß eine Beschwerung mit Bleiseife vorliegt, gegen die vom Standpunkt der Hygiene nicht energisch genug protestiert werden kann. – Der mechanische Teil der Seidengarnappretur besteht zunächst im Strecken des Fadens. Die feuchten Garnsträhne werden senkrecht an einen horizontalen Pflock gehängt, ein Arbeiter schiebt einen Stab durch den unteren Sack, führt mit diesem Stab mehrere Schläge von oben nach unten aus, legt auf diese Weise die Fäden des Garns parallel zueinander und dehnt die Seide um 2–3% aus. Um diese Arbeit mit Maschinen ausführen zu können, sind mehrere Apparate konstruiert und auch eingeführt worden. Wenn der Arbeiter mit dem Stabe oder Ringholz nicht bloß den Schlag von oben nach unten, sondern nachträglich noch horizontale Drehungen nach rechts wie links im unteren Sack des Seidesträhns ausführt, so reiben sich die Fäden des Strähns aneinander und machen sich selbst glänzend. Man nennt diese Operation, die insbesondere für die Ausrüstung mancher Näh- und Kordonnetseiden wichtig ist, das Chevillieren oder Glänzendmachen der Seide, und die Maschinen, die, für diesen Zweck erfunden, die Handbewegungen des betreffenden Arbeiters imitieren, heißen Chevilliermaschinen, während auf den Lüstriermaschinen den Garnen durch Reiben an Metallwalzen und gleichzeitige Einwirkung von Dampf in geschlossenem Raum ein besonders hoher Grad von Glanz gegeben wird [5].

Reinseidene Gewebe guter Qualität bedürfen keines Appretmittels; ihre Appretur besteht einfach aus Warmpressen, Mangen oder leichtem Kalandrieren mit oder ohne Friktion. Leichtere Seidenstoffe erhalten einen einseitigen Appret aus zumeist löslichen Substanzen (vgl. Appretmittel), z.B. Leim, Gelatine, Dextrin, Tragant- und arabischem Gummi, Harz- und andrer Seife, weingeistigen Kopal- und Kolophoniumlösungen, Paraffin, Wachs u. dergl. In den häufigsten Fällen wird die Appretmasse nur auf der linken Seite des Stoffes aufgetragen, indem man entweder das Gewebe auf einen Rahmen spannt und von der Rückseite mittels eines Schwammes mit der Appretmasse bestreicht oder indem man es einseitig auf der Gummiermaschine (s. Appretmaschine) appretiert, dann auf der Zylindertrockenmaschine trocknet und durch einen gewöhnlichen Kalander oder, wenn der Stoff gaufriert werden soll, durch einen solchen mit vertieft gravierter Eisenwalze nimmt. – Halbseidene Waren mit mehr oder weniger Baumwolle werden ein- und zweiseitig appretiert. Für einseitigen Appret wird eine Masse empfohlen, die aus 225 g Gelatine, 20 l Wasser, 1,5 kg Paraffin, 450 g weißem Wachs, 1,1 kg Kastoröl und 900 g Seife besteht, und für Vollappret eine Appretmasse, die sich aus 15 kg Leimgallerte, 100 l Wasser, 1/2 l dickem Tragantschleim, 1/2 kg Seife und 1/2 kg Kokosnußöl zusammensetzt [6]. Erhält dann die Ware beim Kalandrieren einen Speckglanz, so ist er durch Dämpfen auf der Pfeife oder auf einer Dekatiermaschine zu mildern und zu verfeinern. Im großen und ganzen aber schließt sich, wie wir gesehen haben, die Appretur der ganzseidenen und halbseidenen Gewebe mehr an die Appretur der Baumwoll- und Leinen- als der Schafwollstoffe an.


Literatur: [1] Dépierre, J., Die Appretur der Baumwollgewebe, Wien 1888. – [2] Meißner, G., Die Maschinen der Appretur, Berlin 1872. – [3] Lehnes Färberzeitung, Berlin 1893j94, S. 83. – [4] Herzfeld, J., Die Praxis der Färberei, Berlin 1892. – [5] Ders., Die Bleicherei, Wäscherei und Karbonisation, Berlin 1890. – [6] Polleyn, Die Appreturmittel, Wien 1886.

(Kielmeyer) R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 254-258.
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