Seife [1]

[44] Seife wird hergestellt durch Behandeln von Fett oder fettem Oel mit Lauge, meist durch Sieden, in einzelnen Fällen durch Zusammenrühren des geschmolzenen Fettes mit der Lauge, bisweilen auch auf halbwarmem Wege. Die Laugen sind entweder Kali- (Pottasche-) oder Natron (Soda-) langen und man unterscheidet danach[44] Kaliseifen und Natronseifen; erstere sind weich, letztere hart. Eine Seife ist ferner um so fester, je mehr Stearin- und Palmitinsäure, und um so weicher, je mehr Oelsäure sie enthält.

Die Laugen werden hergestellt, indem man entweder Lösungen von Pottasche bezw. Soda mit gebranntem Kalk behandelt oder Aetzkali (kaustische Pottasche) bezw. Aetznatron (kaustische Soda, Seifenstein) in Wasser löst.

Von Kali- oder Schmierseifen hat man im wesentlichen drei Arten: 1. eine glatte transparente (Oelseife, Kronseife, schwarze Seife, grüne Seife und ganz helle Glyzerinschmierseife), 2. eine glatte undurchsichtige (Elain-, Schäl-, Silberseife) und 3. eine Seife, die in transparentem Grunde kristallinische Ausscheidungen von stearin- und palmitinsauerm Kali zeigt (Naturkornseife, Talgkornseife). Die Schmierseifen bedürfen zu ihrer Konsistenz eines Gehaltes an kaustischem und kohlensauerm Alkali. Das Verhältnis der letzteren wechselt nach der Jahreszeit: durch Anwendung von mehr kaustischer Lauge wird die Seife härter, durch Anwendung von mehr kohlensaurer weicher. Die glatte transparente Schmierseife wird hauptsächlich aus Leinöl, Hanföl, Tran und Olein (die sogenannte Glyzerinschmierseife fast nur aus gebleichtem Leinöl) mit Pottaschelauge unter Mitverwendung einer geringen Menge Sodalauge, die im Sommer größer sein kann als im Winter, gesotten; die glatte undurchsichtige unter Mitverwendung einer größeren Menge festen Fettes, namentlich Palmöl, und einer größeren Menge Sodalauge (2/51/2 auf 3/51/2 Pottaschelauge), die Naturkornseife ebenfalls unter Mitverwendung von festem Fett, namentlich Talg und Palmöl, aber mit reiner Pottaschelauge. Das natürliche Korn der Naturkornseife wird häufig nachgemacht, indem man einer glatten transparenten Schmierseife körnige Massen, gewöhnlich aus kohlensauerm Kalk, einrührt (Kunstkornseife). Dieses Korn hat selbstverständlich keinen Wert. Die Ausbeute bei Schmierseifen beträgt 240–250%, doch wird sie häufig durch verschiedene Füllungsmittel auf 400% und darüber gebracht.

Die Herstellungsweise der verschiedenen Schmierseifen ([1], S. 502 ff.) ist die gleiche. Zum Verseifen von 100 kg Oel braucht man 155–160 kg Lauge von 23–24° Bé. Man bringt das zu verseifende Oel mit etwa einem Drittel der zur Verseifung erforderlichen Lauge in den Kessel und feuert an. Ist Verbindung zwischen Fett und Alkali eingetreten, was man daran erkennt, daß eine herausgenommene Probe keine Lauge mehr abscheidet, sondern in einer dicken, gleichmäßigen Schmiere am Probespatel läuft, so gibt man ein weiteres Drittel Lauge zu. Ist auch diese aufgenommen, so wird der Rest der Lauge nach und nach in kleinen Portionen zugesetzt. Im Kessel liegt jetzt unter einer dünnen Schaumdecke eine dunkle, ziemlich klare Masse, der Seifenleim. Eine auf eine Glasscheibe genommene Probe zeigt sich zu Anfang klar, aber noch sehr dünn und fadenziehend (die Seife spinnt); beim Erkalten wird sie trübe und gallertartig. Der Schaum und das Fadenziehen sind dem Sieder ein Zeichen, daß noch viel überflüssiges Wasser (Phlegma) in der Seife enthalten ist, das verdampft werden muß. Das Feuer wird deshalb verstärkt. Nach längerem lebhaften Sieden wird der Schaum allmählich verschwinden, die Seife sich dicker, klarer und kürzer zeigen und zu »sprechen« anfangen (Bezeichnung des Geräusches, das der am Kesselboden sich bildende und durch die dicke Seife sich Bahn brechende Dampf hervorruft), in großen Platten übereinander sieden und »Rosen brechen« (an den Stellen, wo der Dampf durchbricht, ähnelt die Seife einer aufbrechenden Rose). Wenn die Seife keine Fäden mehr zieht, auch der Schaum verschwunden ist, schreitet man zur »Abrichtung«, d.h. man fügt die zur richtigen Beschaffenheit der Seife noch erforderliche kaustische oder kohlensaure Lauge zu. Der Seifensieder erkennt an kleinen Proben, die er auf eine Glasscheibe nimmt, ob die Seife richtig getroffen ist oder noch eines Zusatzes von Lauge bedarf.

Setzt man zu einer Lösung von Kaliseife ein Natronsalz (Koch-, Glaubersalz u.s.w.), so wird die Seife zersetzt; es entstehen Natronseife und das entsprechende Kalisalz (Chlorkalium, schwefelsaures Kali). Lange Zeit hat man in Deutschland nur auf diese Weise harte Seife hergestellt. Man verseifte mit Pottaschelauge (aus Holzasche) und führte durch Zugabe von Kochsalz die Kaliseife in Natronseife über. Heute verfährt man bei Herstellung von harten Seifen allgemein in der Weise, daß man direkt mit Natronlauge verseift. Von harten Seifen hat man Kern-, Halbkern- und Leimseifen. Beim Sieden dieser Seifen ([1], S. 374 ff.) ist zu beachten, daß einzelne Fette, z.B. Talg, sich nur mit schwachen Laugen, andre, namentlich Kokos- und Palmkernöl, nur mit starken Laugen verseifen. Das Sieden selbst erfolgt zunächst wie bei den Schmierseifen angegeben. Man kocht das Fett mit der Lauge, bis sich ein klarer Seifenleim gebildet hat. Um daraus eine Kernseife zu machen, setzt man Kochsalz zu, wodurch sich die Seife von dem überschüssigen Wasser und dem Glyzerin trennt; letztere setzen sich im Kessel unten ab (Unterlauge). Die so erhaltene Kernseife wird gewöhnlich noch einige Zeit auf der Unterlauge oder auch noch auf frischer Lauge gesotten, um Schaumkelle, die von unvollkommener Verseifung herrühren, zu beseitigen (Klarsieden). Läßt man die Kernseifen erkalten, so zeigen sie sich nach dem Erstarren, außer wenn sie sehr dick, zu »strotzig« sind, nicht als homogene Masse; es erscheinen vielmehr in einem undurchsichtigen, amorphen Grunde kristallinische Adern (Kern und Fluß). Oefters werden die Kernseifen nach dem Klarsieden noch geschliffen, d.h. sie werden nochmals auf schwacher, salzhaltiger Lauge gesotten, um eine zu strotzige Kernseife etwas zu verdünnen, damit die Flußbildung gehörig vor sich gehen kann und eine gute Marmorierung erzielt wird, dann aber auch, um reine weiße Seife zu erzielen. In letzterem Falle wird viel stärker geschliffen, um die Seife so dünn zu erhalten, daß die in ihr enthaltenen Unreinigkeiten zu Boden gehen können. Außer den soeben erwähnten sogenannten Kernseifen auf Unterlauge gibt es noch Kernseifen auf Leimniederschlag. Man Stellt diese her, indem man zu dem Seifenleim entweder Salz zusetzt oder Lauge im Ueberschuß anwendet, jedoch in beiden Fällen nicht so viel, daß eine vollständige Abscheidung der Seife erfolgt, sondern ein Leimniederschlag sich bildet. Möglich ist dies Verfahren nur bei Mitverwendung[45] von Kokos- oder Palmkernöl. Die Leimseifen werden gewonnen durch bloßes Eindampfen des Seifenleims. Sie enthalten alles Glyzerin des verwandten Fettes sowie alle Verunreinigungen des Fettes und der Lauge. Sie lassen sich nur mit Hilfe von Kokos- oder Palmkernöl herstellen; nur diese Fette bilden Seifen, die noch bei sehr beträchtlichem Wassergehalt fest sind. Diesen Leimseifen lassen sich die verschiedenartigsten Stoffe beimischen, und dies geschieht häufig, um die Ausbeute der Seife zu erhöhen. Die Halbkern- oder Eschweger Seifen lassen sich auch nur mit Hilfe von Palmkern- oder Kokosöl herstellen. Sie werden teils auf direktem, teils auf indirektem Wege gesotten. Bei dem ersten Verfahren wird Kokos- oder Palmkernöl mit Talg, Palmöl, Knochenfett, Walkten gemeinschaftlich versotten, bei dem zweiten dagegen erst aus einem oder mehreren der zuletzt genannten Fette eine Kernseife hergestellt und diese dann einer aus Kokos- oder Palmkernöl gesottenen Leimseife beigegeben. Die Eschweger Seife hat zu ihrer Ausbildung einen bestimmten Gehalt an Salzen nötig. Als solche dienen gewöhnlich die kohlensauern Alkalien; doch lassen sich diese auch bis zu einem gewissen Grade durch andre Salze, z.B. Wasserglas, Chlornatrium, Chlorkalium, ersetzen. Die Eschweger Seifen zeigen etwas Kern- und Flußbildung, die man durch Zugabe färbender Substanzen (Frankfurterschwarz, Ultramarin, Englischrot) stärker hervortreten läßt. Aus 100 kg Fett erhält man ca. 150 kg Kernseife, während die Ausbeute bei Eschweger ca. 200% beträgt. Wo die Grenze der Ausbeute bei den Leimseifen liegt, ist schwer zu sagen. Sie beträgt bei den gewöhnlichen Leimseifen 300 bis 400%; doch kommen auch gefüllte Leimseifen mit 1400% Ausbeute und darüber im Handel vor.

Zur Darstellung sowohl von festen wie von Schmierseifen wird vielfach Harz mit verwendet. Da es nur aus Säuren besteht, verbindet es sich leicht mit kaustischen und kohlensauern Alkalien; es wird aber niemals allein zu Seife verarbeitet, sondern immer in Gemeinschaft mit Fetten. Seifen mit Harzzusatz sind vielfach sehr beliebt, da sie sehr gut schäumen; bei Seifen für Zwecke der Textilindustrie (s. S. 47) wird ein Gehalt an Harz aber beanstandet.

Zur Darstellung der Toiletteseifen [2] hat man im allgemeinen drei Verfahren: 1. Verseifung auf kaltem Wege, d.h. Zusammenrühren von geschmolzenem Kokosöl mit Lauge von 36–40 Bé, 2. Umschmelzen fertiger Seifen im Wasser- oder Dampfbade mit etwas Wasser und 3. Verwandlung fertiger Seife in seine Späne, die man durch Kneten innig mit dem Parfüm und etwaigen Farbstoffen mischt und nachher durch geeignete Maschinen in eine feste Masse verwandelt. Nur auf dem letzteren Wege lassen sich hoch- und feinparfümierte Seifen herstellen.

Die Transparentseifen, auch Kristallseifen genannt, wurden früher stets mit Hilfe von Spiritus hergestellt; neuerdings hat man gelernt, transparente Seifen auch ohne Sprit mit Hilfe von Zucker- und Sodalösung anzufertigen. Bei diesen Seifen kristallisiert nach längerem Liegen die Soda aus.

Bei der Untersuchung der Seifen ([1], S. 598 ff., [3], S. 245 ff., [4], Bd. 2, S. 681 ff.) kommen in Betracht: 1. der Wassergehalt, 2. das Verhältnis von Fettsäure zum Alkali, 3. die Natur des Alkali und der Fettsäure bezw. des Harzes und 4. die absichtliche Beimengung organischer oder unorganischer Substanzen. – Bei der Bestimmung des Wassergehalts ist vor allem darauf zu achten, daß man eine richtige Durchschnittsprobe erhält. Der Wassergehalt der äußeren Teile ist niedriger als der der inneren; man muß deshalb von den harten Seifenstücken dünne Querschnitte und bei den Schmierseifen Proben aus der Mitte des Fasses nehmen. Da die genaue Wasserbestimmung in einer Seife mit Schwierigkeiten verknüpft ist und die ausgetrockneten Seifen obendrein sehr leicht wieder Wasser anziehen, ist es richtiger, den Wassergehalt indirekt zu bestimmen, d.h. man ermittelt alle übrigen Bestandteile der Seife und berechnet das Wasser aus der Differenz. Um den Fettsäuregehalt zu bestimmen, übergießt man 6–10 g Seife in einer Porzellanschale mit ihrem 20–30fachen Gewicht verdünnter Schwefelsäure und erwärmt so lange, bis die klare Fettsäure obenauf schwimmt. Nach dem Erkalten hebt man sie ab, wäscht mit destilliertem Wasser die anhaftende Schwefelsäure ab und trocknet unter einer Glocke neben einem Gefäß mit Schwefelsäure, bis kein Gewichtsverlust mehr eintritt. Man erhält so die Menge der Fettsäure als Hydrat. Um sie als wasserfreie Fettsäure zu erhalten, muß man von dem gefundenen Gewicht 3,25% in Abzug bringen oder, was auf dasselbe hinausläuft, es mit 0,9675 multiplizieren. Um zu bestimmen, ob eine Seife unverseiftes Fett enthält, mischt man sie feingepulvert mit Sand, trocknet bei 100° C. und zieht dann mit Petroläther aus. Der nach dem Verdunsten des letzteren verbleibende Rückstand kann aus Neutralfett oder Kohlenwasserstoffen bestehen. Die Frage, aus welchen Fetten eine Seife dargestellt ist, ist für den Chemiker sehr schwer, häufig gar nicht zu beantworten. Anhaltspunkte lassen sich durch Bestimmung des Schmelzpunktes, der Verseifungszahl und der Jodzahl der abgeschiedenen Fettsäure gewinnen. Ob eine Seife Harz enthält, ist meist an ihrem Geruch und ihrer Farbe leicht zu erkennen; schwerer dagegen ist es, die Menge des Harzes zu bestimmen. Um die Menge des Alkali in einer Seife zu bestimmen, zerlegt man sie durch überschüssige Normalsäure und bestimmt durch Zurücktitrieren mit kaustischem Alkali die Menge der überschüssig zugesetzten Säure. Ob eine Seife freies Alkali, d.h. Aetzalkali oder Karbonat enthält, erkennt man durch Zusatz von etwas Phenolphthalein zur alkoholischen Lösung derselben, wobei Rotfärbung eintritt, ferner, indem man eine frische Schnittfläche mit Quecksilberchloridlösung, wonach Gelbfärbung, oder mit salpetersauerm Quecksilberoxydul, wonach Schwarzfärbung eintritt, betupft. Zur Ermittlung von Beimengungen löst man die feingeschnittene Seife in der 8–10fachen Menge 90 prozentigen Alkohols durch mäßiges Erwärmen auf dem Wasserbade, filtriert, wäscht den Rückstand mit Alkohol, trocknet bei 100° C. und wägt ihn.


Literatur: [1] Deite, Handbuch der Seifenfabrikation, Bd. 1, 3. Aufl., Berlin 1906. – [2] Ders., ebend. Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 1903. – [3] Benedikt, Analyse der Fette und Wachsarten, 4. Aufl., Berlin 1903. – [4] Lewkowitsch, Chemische Technologie und Analyse der Oele, Fette und Wachsarten, Braunschweig 1905.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 44-47.
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