Minenwerfer

[459] Minenwerfer als Nahkampfartillerie im Festungskrieg seit Ende des 17. Jahrhunderts verwendet. Bei der Belagerung von Straßburg 1870 wurden aus deutschen glatten 15-cm-Mörsern über 20000 Minen (Bomben) geworfen. Nach den 1904 bei Port Arthur gemachten Erfahrungen waren Deutschland und Frankreich bestrebt, diese Waffe möglichst leistungsfähig auszugestalten. Sie sollte die Artilleriewirkung, deren Streuung und weitreichende Splitterwirkung der detonierenden Geschosse sie für den Festungsnahkampf ungeeignet machte, gegen Hindernisse und andere Sturmabwehrmittel ersetzen. Als Ende 1914 der Stellungskampf einsetzte und dem Gegner mit den vorhandenen Waffen nicht genügend beizukommen war, begann man, auf beiden Seiten umfangreichen Gebrauch von Minenwerfern zu machen. Die Franzosen wendeten sie Anfang 1915 zuerst bei Arras als »Artillerie de tranchée« an. Sie[459] begnügten sich zunächst mit glatten Vorderladern, gingen aber bald, zur Verringerung der Streuung, zu den Flügelminenwerfern über, die infolge der Stabilisierung des Geschoßfluges bessere Treffergebnisse hatten. Schon jetzt wurden Minen bis zu 200 kg Gewicht mit 45 kg Sprengladung verwendet. Da die Flügelminen beim Schuß häufig das Rohr des Minenwerfers beschädigten bezw. die Flügel oft abbrachen, wählte man raketenartig gebaute Flügelminen. Sie wurden von den Franzosen seit Mitte 1915 verwendet und von uns zunächst als Lufttorpedos angesprochen, weil sie die damals außerordentlich große Schußweite[460] von etwa 1500 m erreichten. Infolge des leichten Schießgestells, das beim Schuß nicht feststand, war die Treffähigkeit immer noch mangelhaft. Treffgenauigkeit ist aber eine der wesentlichsten Forderungen an die Minenwerfer. Auf deutscher Seite behalf man sich zunächst mit Konstruktionen, die mit den Mitteln der Truppe ausgeführt werden konnten, bis von dem Minenwerfergerät, das schon 1911 eingeführt, aber vor dem Krieg nur in geringer Zahl hergestellt war, eine genügende Menge vorhanden und ausreichend Mannschaften im Gebrauch der Waffe ausgebildet waren. Im Laufe des Weltkriegs nahm dann die Fertigung von Minenwerfern und ihrer Munition einen außerordentlichen Umfang an.

Wir verwendeten leichte Minenwerfer (Fig. 1) für den Kampf gegen lebende Ziele als Ergänzung der leichten Fernartillerie. Sie haben ein Kaliber von 7,5 bis 9 cm, wiegen etwa 65 kg und verfeuern Minen von 4,5 bis 6 kg Gewicht. Ihre Schußweite reicht bis 800 m.

Die mittleren Minenwerfer (Fig. 2) sollen die leichteren Deckungen des Feindes zerstören. Sie werden in 17–18-cm-Kalibern ausgeführt, wiegen etwa 500 kg, verfeuern Geschosse von 50 kg Gewicht bis auf etwa 1500 m.

Die schweren Minenwerfer (Fig. 3 und 4) zur Zerstörung schwerer Deckungen wiegen etwa 650 kg bei 25 cm Kaliber und 100 kg Geschoßgewicht und reichen bis etwa 2000 m. Gegen Deckungen in Beton oder gegen Panzerungen schwerster Art kommen Minenwerfer von 30 cm Kaliber zur Verwendung. Sie verfeuern Geschosse von 200 kg. Gewicht bis auf 2500 m. Alle diese Minenwerfer, teils Vorder-, teils Hinterlader, haben gezogene Rohre, Rohrrücklauf, ein Seitenrichtfeld von 360° und Höhenrichtfeld von 50 bis 80°. Zur Bekämpfung der Tanks sollten die leichten und mittleren Minenwerfer auch den Flachbahnschuß abgeben können. – Von Flügelminenwerfern kam hauptsächlich ein 24-cm-Kaliber zur Verwendung, welcher ein 100 kg schweres Geschoß bis auf 2500 m werfen konnte. Da die Flügelminen beim Verfeuern mit Pulverladung leicht beschädigt werden, so verwendete man für leichte und mittlere Flügelminen Preßgasminenwerfer (Fig. 5 und 6). Das Preßgas wird in Stahlzylindern[461] oder in Patronenform mitgeführt. Das Wurfrohr muß lang sein, um das Preßgas auszunutzen; es wird zum Laden des Geschosses von der Preßluftladekammer abgekippt. Die Richtung wird der Preßluftladekammer gegeben; die Veränderung der Schußweite wird nicht nur durch veränderte Neigung des Geschützes, sondern meist durch veränderten Luftdruck erzielt. Der Schuß ist rauchlos und hat nur geringen Knall. Die Leistung ist aber im Verhältnis zu der zu transportierenden Masse gering, die Abmessungen entsprechen nicht den Anforderungen an Deckung. Ein Preßgasminenwerfer von 10,5 cm Kaliber wirst ein Geschoß von 6,5 kg bei einem höchsten Druck von 100 Atm. etwa 800 m weit. In Frankreich wurden Preßluftminenwerfer auch als Infanteriebegleitgeschütze verwendet. Sie wurden mitsamt einem Preßluftbehälter von zwei Mann getragen und konnten zwanzig verschiedene Druckstärken für Schußweiten von 50 bis 585 m erzielen. Das Geschoßgewicht betrug 250 g.

An Geschoßarten unterscheidet man Spreng-, Panzerkopf-, Gas-, Rauch-, Brand- und Nachrichtenminen. Die Minen sind meist mit Aufschlagzünder versehen; Minen mit Brennzünder haben eine besonders starke Nervenwirkung. Zum »Sturmreifmachen« einer gut ausgebauten Stellung rechneten die Italiener 1–2 schwere und 3–4 leichte Minen für jeden Meter, zum »Breschelegen« in ein 10 m breites Drahthindernis 3–4 schwere und 10 leichte Minen für jeden Meter. Sie führten schwere Minenwerfer von 24, 32, 40 und 46 cm; die 40er erreichten Schußweiten von 3000 m, die 46 er solche von 3500 m.

F. Wille.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
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Fig. 3.
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Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 459-462.
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Faksimiles:
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