Orientierungsmessungen

[777] Orientierungsmessungen (s.a. Anschlußmessungen, Schachtlotung und Stratameter) bestimmen die Lage einer Vermessung gegen den astronomischen Meridian. Im weiteren Sinne sind sie die Teile der Verbindungsmessungen einzelner Messungsgebiete, welche die Uebertragung einer bekannten Richtung eines Gebietes auf das andre bezwecken.

In der Markscheidekunde handelt es sich meist um die Bestimmung der gegenseitigen Lage der Messungen in verschiedenen Vermessungshorizonten, also der Grubenmessungen gegen die Messungen über Tage und untereinander, so daß eine Projizierung der Grubenbaue auf den Tagessituationsriß – gleichbedeutend mit der Einrechnung der Grubenpolygonpunkte in das allgemeine Koordinatensystem – möglich ist [1]–[3]. Im engeren Sinne versteht man unter Orientierungsmessungen aber vorzugsweise magnetische Messungen, nicht die gewöhnlichen Kompaßmessungen, sondern genaue Messungen der Deklination (s. Erdmagnetismus). Man benutzt zur Ausführung entweder einen Magnettheodolit [4], [5] oder ein auf einen Theodolit aufsetzbares Magnetometer [6], [7]. Da die Genauigkeit der Einstellung des Magnets in den magnetischen Meridian durch die Reibung des schwingenden Magnets beeinflußt wird, so verringert man die Reibung bei der gewöhnlichen Pinnenaufhängung durch geeignete Auswahl des Materials (Saphirhütchen [8] und stark gehärtete, seine Nadelspitzen) oder man hängt den Magnet an einem Quarz- oder Kokonfaden auf; die Pinnenaufhängung hat die größere Haltbarkeit, die Fadenaufhängung die größere Genauigkeit für sich. – Bei der Bestimmung der Deklination hat man den Winkel zwischen einer gegebenen festen Richtung und der Richtung des aufgehängten Magnets zu messen. Die Einstellung auf die Magnetrichtung geschieht entweder mit dem Theodolitfernrohr selbst [4], [5], [7] oder mit einem besonderen kleinen Magnetfernrohr wie beim Fennelschen Magnetometer, beim Hildebrandschen Röhrenkompaß und beim Schmidt-Neumayerschen Deklinatorium. – Bei den magnetischen Orientierungsmessungen hat man die Variationen der Deklination zu berücksichtigen (s. Erdmagnetismus), man benutzt dazu die Registrierkurven eines magnetischen Observatoriums (Potsdam, Bochum, Clausthal, Beuthen, Hermsdorf) oder man läßt gleichzeitig die Variationen an einem zweiten Magnetometer ablesen. Die Ausführung der magnetischen Orientierungsmessungen geschieht dadurch, daß man die Winkel der Meßlinien mit der Magnetrichtung mißt. An der einen Linie erhält man dann aus der gegebenen Richtung die Richtung des Magnets, an der andern aus dieser Magnetrichtung den gesuchten Richtungswinkel der Meßlinie. Die dabei zugrunde gelegte Voraussetzung, daß die Deklination an beiden Punkten dieselbe ist, trifft zu, wenn die Punkte nicht weit voneinander entfernt sind und nicht in einem magnetischen Störungsgebiete liegen [9]. Relative magnetische Messungen genügen, wenn der Kollimationsfehler, in diesem Falle der Winkel zwischen der magnetischen Achse und der Spiegelnormale, sich während der Messung nicht ändert. Die Oertlichkeiten, an denen man die magnetischen Messungen ausführt, müssen in nächster Nähe durchaus und in einiger Entfernung, bis auf etwa 40 m, noch nahezu eisenfrei sein; sie dürfen auch nicht unter dem Einflusse elektrischer Ströme stehen. Trotzdem diese Bedingungen oft nicht leicht zu erfüllen sind, hat die Magnetorientierung in der Grube doch eine große und zunehmende Bedeutung. Nicht nur zur gelegentlichen Verbesserung oder auch zum vollen Ersatze der Anschlußmessungen durch die Schachtlotung, die bei den tiefer gehenden Schächten immer schwieriger wird, sondern auch zur Richtungsverbesserung innerhalb langer Grubenpolygonzüge selbst, bei denen im Gegensatz zu den Tagesmessungen eine Ausgleichung nicht möglich ist und infolge der ungünstigen Fehlerfortpflanzung bei großer Länge leicht eine unzulässige Verschwenkung eintreten könnte.


Literatur: [1] Uhlich, Lehrbuch der Markscheidekunde, Freiberg 1901. – [2] Weiß, Orientierung von Grubentheodolitzügen, Jahrbuch s.d. Berg- u. Hüttenwesen in Sachsen 1896. – [3] Schmidt, M., Praktische Erfahrungen über den Genauigkeitsgrad der Orientierungsmessungen mit dem Lotverfahren, ebend., 1887. – [4] Haußmann, Der Magnettheodolit von Eschenhagen-Tesdorpf, Zeitschr. f. Instrumentenkunde, Berlin 1906. – [5] Breithaupt, Magnettheodolit für Orientierungsmessungen, ebend., Berlin 1888. – [6] Fennel, Das Orientierungsmagnetometer, Mitteil. a. d. Markscheidewesen, Heft 1, Freiberg 1899. – [7] Brathuhn, Eine neue Konstruktion des Borchersschen Magnetkollimators, ebend., Heft 6, Freiberg 1904. – [8] Schmidt, M., Fortschritte in der Ausführung der Orientierungsmessungen mit der Magnetnadel, Jahrbuch s.d. Berg- u. Hüttenwesen in Sachsen 1888. – [9] Haußmann, Das magnetische Störungsgebiet bei Aachen. Mitteil. a. d. Markscheidewesen, Heft 7, Freiberg 1905.

Haußmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 777.
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