Rohziegelbau

[499] Rohziegelbau, 1. Bau aus rohen, d.i. ungebrannten Ziegeln oder Lehmsteinen (s. Bd. 6, S. 117); 2. Backsteinrohbau, Mauerwerk aus gebrannten Ziegeln ohne Verputz, so daß die Backsteine die sichtbare Mauerfläche bilden und den Einflüssen des Wetters, der Feuchtigkeit und des Frostes ausgesetzt sind.

Um eine erhöhte Haltbarkeit und Dauer solcher Mauern zu erzielen, sind die Außenflächen aus besonders sorgfältig hergestellten Steinen, sogenannten Verblendern, mit ganz gleichmäßigen, wagerechten Fugen zu erstellen; die Fugen sind sodann sorgfältig mit bestem Mörtel oder Zement auszureichen (s. Ausfugen, Bd. 1, S. 398). Außer den Verblendsteinen, welche die Flächen bilden, kommen noch die sogenannten Formsteine oder Formziegel (s. Bd. 4, S. 144 ff.) zur Anwendung, um sowohl die Gurten, Gliederungen und Gesimse als auch die Umrahmungen der Oeffnungen zu bilden; sowie ferner sogenannte Terrakotten (s.d.), das sind gebrannte plastische Tonarbeiten für Füllungen, Friese u. dergl., die in ihrer Formvollendung oft unter Anwendung verschiedenfarbiger glasierter Arbeit, zu einem ausgezeichneten Schmuck des Gebäudes beitragen. Der Rohbau entspricht nicht dem Prinzip der antiken Bauweise. Es zeigen sich daher erst in der späteren römischen Kaiserzeit die ersten Spuren, die dann bei den in Italien eindringenden germanischen Völkern Aufnahme und Weiterbildung fanden, so bei den Ostgoten und Lombarden, welch letztere im Mittelalter manchen bemerkenswerten Bau in dieser Weise zur Ausführung brachten. Besonders schöne Denkmale in Ziegelrohbau zeitigte aber die Frührenaissance, von deren höchster Blüte die Städte Oberitaliens [6] zeugen. Aber auch in den niederdeutschen Landen fand der Ziegelrohbau eine reiche Entwicklung, von der namentlich die Kirchenbauten in Lübeck, Danzig u.s.w. [6] und [8] stattliche Beispiele bieten. Die Einführung der Renaissance war in Deutschland wie in den übrigen Kulturländern dieser Bauweise sehr ungünstig; sie wich zunächst dem Stein- und Putzbau und verschwand im 17. und[499] 18. Jahrhundert fast gänzlich. In der Neuzeit wurde sie jedoch aufs neue gepflegt, besonders durch Architekten, wie Schinkel und Stüler in Berlin, Gärtner und Bürklein in München, Hübsch in Karlsruhe, und fand in der Folge eine solche Ausgestaltung, daß die neueren Monumentalbauten [9] eine hohe Vollkommenheit in technischer und formaler Hinsicht aufweisen (s. Backsteinbau, Bd. 1, S. 433 ff., mit Literatur).


Literatur: [1] Neumann, R., Ueber den Backstein, Berlin 1879. – [2] Ders., Zeitschr. für Bauwesen 1877 und 1878. – [3] Gottgetreu, R., Lehrbuch der Hochbaukonstruktionen, 1. Teil, Maurer- und Steinmetzarbeiten, Berlin 1880. – [4] Breymann, Allgem. Baukonstruktionslehre, Bd. 1, Die Konstruktionen in Stein, Leipzig 1896. – [5] Handbuch der Architektur, Darmstadt 1891, 3. Teil, Bd. 2/2. Heft, Raumumschließende Konstruktionen. – [6] Berlin und seine Bauten, Berlin 1897. – [7] Schatteburg, J.H., Ziegelrohbau, Halle a. S. 1897.

Weinbrenner.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 499-500.
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