Schatten [2]

[656] Schatten. Bei den Schattenkonstruktionen (s.d., S. 657) der darstellenden Geometrie nimmt man eine punktförmige Lichtquelle an. Die einen Körper einhüllenden

Strahlen bilden jetzt eine Kegelfläche allgemeinster Art; die Kurve, längs welcher diese Kegelfläche die körperliche Oberfläche berührt, wird »Schattengrenze« oder »Streiflinie« genannt; sie zerlegt die Oberfläche in einen beleuchteten und einen unbeleuchteten Teil, der als Eigen- oder Körperschatten bezeichnet wird. Befindet sich hinter dem Körper irgendeine Fläche, so zeigt sich auf dieser der »Schlagschatten« des Körpers; sein Umriß ist die Schnittlinie dieser Fläche mit der erwähnten Kegelfläche, also der Schlagschatten der Streiflinie. – Sind zwei Körper I und II (vgl. die nebenstehende Figur) vorhanden, so erzeugt die Lichtquelle L auf jedem eine Streiflinie und auf der hinter ihnen befindlichen – hier als Ebene dargestellten – Fläche von jedem einen Schlagschatten.

Befindet sich nun der Körper II im Sinne der einfallenden Strahlen teilweise hinter dem Körper I, so wirst I einen Schlagschatten auf II; sein Umriß ist, wie wir wissen, der Schlagschatten der Streiflinie von I, und er durchschneidet die Streiflinie von II in den Punkten A und B. Gleichzeitig aber durchschneiden sich auch die Schlagschattenumrisse I' und II' in Punkten A' und B', und man erkennt sofort, daß A' auf dem Strahle L A, B' auf dem Strahle L B liegen muß; A' und B' sind also die Schlagschatten von A und B.[656]

Liegt der Punkt L in unendlicher Ferne, so sind alle Strahlen parallel und die Kegelfläche geht in eine Zylinderfläche über. Dieser Fall liegt bei der Sonne oder dem Monde vor, wenn von deren keineswegs unerheblicher scheinbarer Größe abgesehen wird. Die Folge dieser Vernachlässigung ist das Verschwinden der Unterscheidung zwischen Kern- und Halbschatten, das Verschwinden der eben durch die scheinbare Größe der Lichtquelle erzeugten verschwommenen Ränder der Schlagschatten. – Außerdem ist bei dieser ganzen, rein geometrischen Betrachtungsweise der Einfluß der Beugung vernachlässigt worden.

Die Literatur über Schattenkonstruktionen ist sehr reichhaltig; in erster Linie ist Wiener, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, 2. Bd., Leipzig 1884–1887, zu erwähnen; von den vielen kleineren Büchern sei hier Meisel, Lehrbuch der Perspektive, Leipzig 1908, genannt, in dem die perspektivische Schattenkonstruktion eingehend behandelt ist. s.

Meisel.

Schatten [2]
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 656-657.
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