Schweremessungen

[577] Schweremessungen. Zu den in Bd. 8, S. 15, und im Ergbd. I, S. 703, mitgeteilten Methoden der Messung des Wertes für die Schwerkraft und die nötigen theoretischen Entwicklungen ist während der Kriegsjahre neues Material nur in sehr beschränktem Umfange hinzugekommen.

In ersterer Beziehung ist die Ausgestaltung der Eötvösschen Drehwage und ihre Anwendung zu differentialen Schweremessungen von Bedeutung geworden (vgl. Aufschlußarbeiten) und ein von L. Briggs [1] angegebener neuer Apparat, der die Messungen der Schwerkraft auf dem Meere zuverlässiger gestalten soll (vgl. die Methode von Hecker, Bd. 8, S. 16). Derselbe besteht im wesentlichen aus einer Glasröhre, welche eine eigentümliche Form besitzt. Eine etwa 740 mm hohe Quecksilbersäule befindet sich in der Kapillare C (s. die Figur), deren unteres Ende in das in der Gaskammer D enthaltene Quecksilber eintaucht, während sie oben mit dieser verschmolzen ist. Der darüber hervorragende Teil der Röhre ist zu einer federnden Zickzackform gebogen und endet in die Kugel B von etwa 2 cm Durchmesser. In diese ist ein Platindraht eingeschmolzen, welcher in eine beinahe zur Kugelmitte herabreichende stählerne Spitze P ausläuft. Diese Kugel ruht auf einem Schieber, mit dem sie sich in einer Schlittenführung auf und ab bewegen läßt. Die Schienen dieser Führung sind fest mit dem Gasrohr verbunden. Mittels einer Mikrometerschraube kann die Verschiebung im vertikalen Sinne gemessen werden. Das Gasrohr wird bei S2 und die obere Kugel bei S1 gut evakuiert und diese bei S1 zugeschmolzen. Bei S2 ist zunächst ein Hahn angefügt, durch den trockener Stickstoff unter erhöhtem Druck eingeführt werden kann. Nachdem der Apparat in schmelzendes Eis eingesetzt ist, wird der Gasdruck so weit erniedrigt, bis bei mittlerer Stellung der Kugel B die Stahlspitze die Quecksilberoberfläche gerade berührt; dabei wird der Druck in D mit einem Manometer, welches mit S2 verbunden ist, gemessen. Dieses gibt den Höhenunterschied der beiden Quecksilberoberflächen und damit die Konstante des Apparates. Darauf wird auch die Oeffnung- bei S2 zugeschmolzen, so daß das ganze Instrument gasdicht ist. – Der ganze Apparat wird beim Gebrauch in einen Eisbehälter gesenkt, der gut isoliert ist und längere Zeit die Nulltemperatur verbürgt. Auf See ist für kardanische Aufhängung gesorgt, die außerdem durch Einfügung von Sendern gegen Stoßen und Stampfen des Schiffes Schutz bietet. – Da durch Verschieben der Kugel B das Quecksilber immer auf gleiche Höhe eingestellt wird, also das Gasvolumen dasselbe bleibt und damit wegen der gleichen Temperatur auch der Gasdruck p konstant ist, so hat man p = ς g h = ς g' h', wenn ς die Dichte des Quecksilbers und g, g' und h, h' die Endbeschleunigungen und die Höhen der Quecksilbersäulen an zwei Beobachtungspunkten bedeuten. Damit findet sich die relative Verschiedenheit von g und g' aus g : g' = (1– d h) : h, wo d h die mittels der Mikrometerschraube gemessene Differenz zwischen h und h' bedeutet. Es scheint, daß sich mittels dieser Einrichtung g bis auf einige Hunderttausendstel seines Wertes bestimmen lassen wird; allerdings haben die bisherigen Messungen noch das Vorhandensein gewisser systematischer Unterschiede gegen das Heckersche Verfahren vermuten lassen, deren Beseitigung aber möglich sein wird. – Bezüglich der theoretischen Behandlung ist auf die Arbeiten von H. Wolf [2] hinzuweisen, der bei Gelegenheit einer Neuberechnung der auf dem Atlantischen Ozean ausgeführten Messungen auf die rechnerische Behandlung eingeht, auch bezüglich einer Korrektion, die sich aus der Bewegung des Schiffes bei Ost- oder Westkurs wegen Aenderung der Zentrifugalkraft herleitet.

Zusammenstellungen der bisher vorliegenden Schweremessungen sind von Borraß in den Verhandlungen der Internationalen Erdmessung gegeben und dort mit den nötigen geographischen Koordinaten, den Höhen der Stationen und den normalen, aus der Rechnung folgenden Werten zusammengestellt [3]. Die Zahl der Stationen betrug bis zum Ende des Jahres 1917 über 3000. Von besonderer Wichtigkeit unter den neueren Messungen sind die von Alessio, der auf der De Filippischen Expedition durch das Karakorumgebirge eine größere Zahl solcher Beobachtungen durchgeführt hat [4], welche die Verbindung zwischen den russischen Stationen und den indischen über das Himalajagebirge hinweg herstellen. Außerdem bieten sie weitere Kontrollen für die Referenzstationen Taschkent und Dehra-Dun, die für die Geophysik besonders wichtig sind,


Literatur: [1] L.J. Briggs, Eine neue Methode zur Messung der Schwerebeschleunigung auf See, Proc. Nat. Acad. of Sciences, 2, 1916, S. 399. Dazu ausführliches Referat von H. Lehmann in Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1917 (XXXVII), S. 232. – [2] H. Wolff, Die Schwerkraft auf dem Meere und die Hypothese von Pratt, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1916 (XLV), S. 1 u. 33; auch Dissertation d. philos. Fakultät, Berlin 1913; Ders., Die normale Schwerkraft im[577] Meeresniveau, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1916 (XLV), S. 239; Ders., Neue Berechnung der Schwerestörungen auf dem Atlantischen Ozean, ebend. 1918 (XLVII), S. 33; in den angeführten Artikeln sind weitere Literaturnachweise in reichern Maße gegeben. – [3] Verhandlungen der 16. und der 17. Allgemeinen Konferenz der Internationalen Erdmessung; Berichte von Borraß; im ersteren die Messungen bis 1912, im zweiten Bericht diejenigen bis 1915. – [4] Jahresbericht d. Direktors d. Kgl. Geodät. Instituts für 1914–1915, S. 16, Berlin 1915.

L. Ambronn.

Schweremessungen
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 577-578.
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