Von dem Topf, der auf dem Kopfe sitzt1

[167] Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Frauen die eine hieß Mbango, die andere Loko, und der Mann hieß Tanga. Der Mann aber liebte Loko und konnte Mbango nicht leiden. Und Tanga ging in alle Vereine, ja er war der Oberste in den Vereinen und bekam die Abgaben bei jeder Zusammenkunft. Und was er bekommen hatte, das brachte er nach Hause und gab es der Loko. Und Loko kochte für ihn, und wenn er aß, gab er der armen Mbango nicht ein klein wenig. Mbango aber sammelte die Knochen und legte sie auf den Boden. Als sie nun viele Knochen gesammelt und sie auf dem Boden getrocknet hatte, da holte sie sie eines Tages herunter und stampfte sie ganz klein und mischte sie mit allerlei Gewürzen, deren schönen Geruch man weithin riechen konnte. Sie kochte aber auch Pisang, und als nun ihr Mann im Verein war, da aßen sie und ihr Kind ein wenig Pisang und von dem schönen Knochengericht. Von den Knochen blieb aber eine ziemliche Menge übrig, und sie nahm es und versteckte es auf dem Boden und ging[167] aufs Feld. Ihrem Kinde aber hatte sie gesagt, wenn der Vater aus dem Vereinshause käme, sollte es ihm nur Pisang zu essen geben, und wenn der Vater fragte: »Was ist das für ein schöner Geruch?« dann sollte es nicht sagen, daß sie das schöne Knochengericht gekocht hätte. Tanga kam nun nach Hause, ging hinein und wollte essen, und sein Kind nahm nur den Pisang und gab ihm davon, wie seine Mutter ihm gesagt hatte. Aber Tanga roch den Geruch, der vom Boden kam, und er fragte sein Kind: »Was hat denn deine Mutter gekocht, wovon es so schön riecht?« Das Kind aber sagte zu ihm: »Mutter hat nichts weiter gekocht.« Wie nun Tanga so da saß, war sein Herz nicht zufrieden, weil er den schönen Geruch roch, und er holte eine Leiter, setzte sie an und stieg auf den Boden. Dort fing er an unter den Töpfen auf dem Boden zu suchen, und er fand den Topf und brachte ihn mit herunter. Dann schöpfte er ein wenig mit dem Löffel und kostete, und das Knochengericht schmeckte ihm sehr süß. Da nahm er noch ein wenig, nahm und nahm und aß es schließlich ganz und gar auf. Als er es nun ganz aufgegessen hatte, bewog ihn der Geschmack, den Topf inwendig mit dem Munde auszulecken. Da aber umschloß der Topf seinen Kopf und saß auch gleich fest. So lief Tanga nun mit dem Topf umher und stieß mit dem Kopf gegen den Pfeiler der Hütte, daß es krachte, damit der Topf zerbrechen sollte. Aber er wollte nicht und sagte nur: »Kling! Klang!« (Mbango aber war noch auf dem Felde.) Da sprang er hinaus auf die Straße und traf einen sehr großen Stein, der da lag. Dagegen stieß er mehrere mal mit dem[168] Kopf. Aber der Topf klang nur, als wollte er sagen: »Mein lieber Freund, wir beide trennen uns nicht mehr.« Da kam Mbango vom Felde und fragte ihr Kind: »Was ist mit dem Topf geschehen, daß er deinem Vater auf dem Kopfe sitzt?« Das Kind antwortete: »Du hattest mir von dem Topf gesagt, ich sollte dem Vater nichts davon erzählen. Aber er stieg auf den Boden, um da zu suchen. Als er aber den Geruch gerochen hatte, da fand er ihn und fing an zu essen. Und dann machte er sich dabei, ihn mit der Zunge auszulecken. Da saß ihm der Topf auf dem Kopf.« Mbango ging hinein, klopfte mit der Hand auf ihren Schenkel und sagte: »Du, Topf! So gewiß du auf diesem Schenkel gedreht bist, sollst du jetzt gleich von Tangas Kopf weggehen!« Da hob sich der Topf langsam vom Kopf. Als Tanga nun sah, daß er den Topf los war, ergriff er Mbango und schlug sie, schlug und schlug sie. Und Mbango schrie unter den Schlägen: »O weh! du Topf! so gewiß ich dich gedreht habe, komme wieder auf Tangas Kopf!« Und er setzte sich wieder fest auf seinem Kopf und bedeckte ihm ganz die Augen. Da hörte er Mbango auf zu schlagen. Und Mbango stand auf, und ohne zu zögern lief sie fort und kam wieder in ihres Vaters Haus. Da hieß es denn bald, daß sie geschieden wären. Aber heute und diesen Tag noch sitzt der Topf auf Tangas Kopf.

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Aufgezeichnet und übersetzt von C. Meinhof.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 167-169.
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