Warum es gut ist, daß die Menschen sterben.1
Eine Sage der Eingeborenen vom Viktoriasee.

[96] Im Anfange gab es auf der Erde zwei Menschen, einen Mann und eine Frau. Die Frau hieß Mbaele, der Mann Kassangero. Diese beiden ersten Menschen hatten viele Kinder, die wiederum Kinder bekamen. Der Mann Kassangero wünschte, daß alle seine Kinder und ihre Nachkommen für immer am Leben bleiben sollten; aber sein Weib riet ihm ab, zur Erfüllung dieses törichten Wunsches Medizin zu machen. Wenn der Menschen zu viele würden, meinte sie, könnten sie keinen Platz finden, um Felder zu bauen, und kein Holz zum Feuer, um ihr Essen zu kochen. Da gab der erste Mann sein Vorhaben auf und ließ die Menschen sterben.

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Wie es kommt, daß die Nase des Hasen gespalten ist (Hottentotten); Warum es gut ist, daß die Menschen sterben (Sage vom Viktoriasee); Sage vom Chamäleon (Haussastamm); Warum der Mensch stirbt (Goldküste); Wie der Tod in die Welt kam (Zulu) sind alles Sagen des gleichen Inhaltes in mehr oder minder veränderter Form. Eine wunderbare Gleichheit der Mythologie der Bantuvölker in dem weiten afrikanischen Gebiet ist in diesen Sagen enthalten, in allen liegt der tiefe Gedanke an die Vergänglichkeit alles Bestehenden.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 96.
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