2. Die Frau und der Gevatter.

[95] Es war, es möge nicht sein.

Es war einmal ein Mann mit seiner Frau. Die Frau aber liebte ihren Mann nicht, sondern den Gevatter, und daher stellte sie sich für den Mann immer krank, und dem Gevatter, wenn er kam, machte sie Eierspeise und Brodkuchen.1 Eines Tages sprach der Mann zu ihr: »Ich will in ein fremdes Land reisen«. Er reiste aber nicht in ein fremdes Land, sondern er täuschte damit nur seine Frau. Er traf draussen einen alten Mann mit einem Esel, der einen Sack trug, und sprach zu ihm: »O alter, stecke mich in diesen Sack und lad mich auf den Esel, aber verrath nicht, dass ich drin bin, sondern sage, du habest Baumwolle«. Der alte nahm ihn und lud ihn auf den Esel; der Mann machte ein Loch in den Sack, um durch zu sehen. Hierauf brachte ihn jener zu seiner Frau – das hatte ihm der Mann aus dem Sacke heraus selbst angegeben – und sprach zu ihr: »Möchtest du mich nicht aufnehmen, o Herrin, dass ich diese Nacht hier schlafen kann? Die Nacht hat mich überrascht, und dazu habe ich noch diese Baumwolle bei mir«. »Gut,« sagte jene, »bleib hier«. Der Mann passte aus dem Schlauche heraus immer auf. Später kam der Gevatter nach seiner Gewohnheit, und die Frau machte[95] ihm ein gebratenes Huhn und Eierspeise und Kuchen; dabei war sie sehr lustig und gab auch dem alten von diesen Speisen. Der arme Greis war zufrieden und sprach zu ihnen: »Wie gut sind diese Speisen!« Hierauf sagte sie dem alten, er solle ein Lied singen. Und der alte begann ein Lied: »O du in den Sack gesteckter, du auf den Esel gehobener, höre, o tauber, sieh, o blinder: mit dem gebratenen Huhn, mit den gesottenen Eiern, mit dem warmen Kuchen«.2 Nun legten sich die Frau und der Gevatter zu Bette, und der alte band den Hals des Sackes auf, und der Mann kam heraus. Er gieng leise und nahm Butter, schmolz sie und goss sie dem Gevatter ins Ohr, welcher sofort starb. Hierauf gieng er wieder zu dem alten, und als es Tag wurde, nahmen die beiden den Sack und giengen fort. Als die Frau erwacht war, sprach sie zum Gevatter: »Steh auf!« Er aber rührte sich nicht. Als sie nun sah, dass er todt war, zog sie ihn aus dem Bette und gieng hin und verschloss ihn im Keller. Als der Mann von der Reise zurück kehrte, stellte sie sich wieder krank. »Warst du nicht gesund, o Frau?« sprach er zu ihr. »Ich bin immerfort krank,« antwortete sie, »denn ich habe keinen Arzt«. »Komm,« sprach er, »wir wollen gehn und ein wenig das Haus auskehren«. Dabei giengen sie auch in den Keller, wo sie den todten fanden. Als die Frau ihn sah, sprach sie: »Ach, darum bin ich immerfort krank«. Hierauf nahmen sie den todten und warfen ihn hinaus. – Ich habe euch kein Märchen u.s.w.


Vgl. das deutsche M. vom alten Hildebrand (Grimm, KHM., Nr. 95, Meier, Volksm. aus Schwaben, Nr. 11, Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung IV, 12, 50, 79, VI, 46) und ein schwedisches in A. Bondesons Halländska Sagor, Lund 1880, Nr. 26. In diesen M. wird ein Bauer, dessen Frau mit dem Pfarrer buhlt, von seinem Gevatter oder seinem Knecht oder sonst irgend wem in einem Tragkorb oder dergleichen in sein Haus getragen und wird so Zeuge davon, wie Frau und Pfarrer sich erlustigen. Nachdem der Pfarrer, die Frau und der Gevatter je zwei auf die Umstände bezügliche Zeilen gesungen, thut dies auch der Bauer und steigt dann aus dem Korb.

R.K.

1

vē tẹ tiganísura, in der Pfanne gebackene Eier. kuljátše »ungesäuerter, in der Asche gebackener Brodkuchen aus Mehl, Wasser und Salz; Ringelbretzel« Hahn. Das Wort ist slavisches Lehnwort.

2

Die Uebersetzung ist wörtlich, die Stelle wol verstümmelt.

Quelle:
Meyer, Gustav: Albanische Märchen. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 12 (1884), S. 95-96.
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