Hundertsechste Geschichte

[97] geschah, daß der König Salomo, er ruhe in Frieden, das Bethhamikdasch (den heiligen Tempel) sollt bauen, da verbot man ihm, er sollt kein Eisen derzu brauchen. Da wußte er nit, wie er sollt machen, daß er die Stein voneinander bringen sollt. Da schickt er nach den Chachomim (Weisen)[97] sie sollten ihm ein Ezeh (Rat) geben, wie er es sollt damit machen. Da sagten die Chachomim, wir wollen dir sagen: »Es ist ein Wurm worden beschaffen, der heißt Schomir den hat Mojsche Rabbenu, er ruhe in Frieden, auch gebraucht zu den Steinen, die er hat an den Efod (Schulterkleid) gesetzt, un es is kein Ding auf der Welt so hart, oder er schneid es in zwei.« Da sprach der König Salomo: »Wie bekomm ich aber den Schomir?« Da sagten die Chachomim: »Wir wollen es dir sagen, wie man ihn bekommen kann. Geh hin un nimm ein Sched (bösen Geist) un eine Schedes (weibl. Sched) un bezwing sie beieinander. Dieselbigen werden es dir sagen.« Da waren sie zu König Salomo gebracht. Da fragt sie der Melach (König) nach dem Schomir. Da sagten sie: »Wir wissen es nit. Neiert Aschmedaj der König über die Schedim (Geister), Gott sei bei uns, der weiß wo der Schomir is.« Da sprach der König Salomo: »Da will ich euch so lang peinigen, bis ihr werdet sagen wo ich Aschmedaj find.« Da sagten sie: »Wir wollen dir's sagen. Dorten an jenem Berg hat er eine Grub gegraben, die is gefüllt mit Wasser. Un sie is zugedeckt mit einem Stein, der heißt Tinrah. Un derselbige Stein is verchaussemt (versiegelt) mit dem Chaussem (Siegel) von Aschmedaj, denn alle Tag geht er auf den Himmel un lernt auf der Jeschiwe schel male (Lehrhaus im Himmel). Un nach dem Lernen geht er wieder herab. Un wenn er herunter kommt, so is ihm gar warm. Dann trinkt er von dem Wasser. Aber Wein trinkt er nit. Aber doch eh er trinkt so sieht er erst nach seinem Chaussem (Siegel), ob auch keiner drüber is gewesen, der ihm sollt Wein drinnen getan haben. Wenn dann sein Chaussem recht is, dann trinkt er un macht sein Chaussem wieder auf den Stein un geht seiner Straße wieder weg.« Da schickt König Salomo nach seinem Jauez (Rat) Benojohe ben Jehude un gibt ihm eine Kett mit, da war aufgegraben (der Name Gottes) Schemhamforesch, un ein Gebund Woll, daß man ein Loch mit zustopfen kann, un ein Krug mit Wein. Un der Jauez ging bis an die Grub von Aschmedaj, die das Trinken (Wasser) in sich hat. Da ging Benojohe hin un grabt ein Grub unter der Erd, daß das Wasser heraus kann laufen, damit daß das Chaussem (Siegel) ganz blieb. Un stopft das Loch mit der Woll wieder zu. Dernach grabt er ein Grub über die Grub un schütt den Wein drein, daß die Grub wieder voll war mit Wein. Denn wenn er Aschmedaj (Wein) trinkt, da schluft er dervon, dernach konnt man ihn binden. Wie nun der Jauez das alles getan hat, da verbargt er sich un setzt sich auf einen Baum un wartet bis Aschmedaj vom Himmel kam. Wie nun Aschmedaj vom Himmel wiederkam, da lauft er über sein Grub un sah sein Chaussem (Siegel) un tät die Grub auf un wollt trinken. Da schmeckt er, daß es Wein war. Da wollt er nit trinken, denn er sprach: »Wer Wein trinkt, der verliert sein Chochme (Verstand), darum will ich ihn nit trinken.« Aber lesof (endlich)[98] dorscht ihn gar sehr, daß er den Wein mußt trinken. Un wie er nun getrunken hat, so war er voll un legt sich schlufen. Un bald daß er schlaft, da ging der Jauez vom Baum herunter un werft die Kett dem Aschmedaj um den Hals, da der Schemhamforesch drauf stand geschrieben. Da nun Aschmedaj aufwacht, da wollt er die Kett in zwei reißen. Da sprach der Jauez: »Du kannst sie nit zureißen, denn der Name von dem Heiligen, gelobt sei er, steht auf der Kett.« Da er das sah, da ging er gern mit ihm. Un wie sie ein Weil waren miteinander gegangen, da kam Aschmedaj an einen Baum. Da rieb er sich an dem Baum, daß der Baum umfiel. Un ging weiters, da kamen sie an ein Almone-Haus (Witwenhaus). Da wollt der Aschmedaj sich anreiben. Da ging die Almone (Witwe) ihm entgegen un trieb ihm Chanifes (Liebkosungen). Da wollt sich Aschmedaj auf die andere Seit neigen. Da zerbrach er ein Bein. Da sagt Aschmedaj den Posuk (Vers): »Der Mensch, der sich läßt schmeicheln mit guten Worten, der zerbricht sein Bein.« Da gingen sie weiter. Da begegnet ihm ein Blinder, der war verirrt von dem Weg. Da weist ihn Aschmedaj auf den rechten Weg. Da fragt ihn der Jauez: »Lieber, warum hast du den Blinden auf den rechten Weg gewiesen?« Da sprach Aschmedaj: »Der Blinde, der is ein großer Zaddik (Frommer) un man schreit auf ihn aus auf dem Himmel, daß wer ihm eppes Gutes tut, der hat Anteil an aulom hobo (Jener Welt). Derhalben hab ich ihn zu recht gewiesen.« Da gingen sie weiter. Da kamen sie auf ein Breiluft (Hochzeit). Da waren die Leut gar lustig un fröhlich. Da hebt Aschmedaj an zu schreien. Da fragt ihn der Jauez: »Warum schreist du so?« Da sagt Aschmedaj: »Ich schrei darum weil der Chossen (Bräutigam) muß morgen sterben un die Kalle (Braut) muß dreizehn Jahr auf Chalize (Loslösung von der Schwagerehe) warten.« Dernach kamen sie zu ein Schusters Haus. Da sagt einer wider den Schuster: »Mach mir ein Paar Schuch auf sieben Jahr.« Da sprach der Schuster: »Ja, ich will sie machen.« Da lacht Aschmedaj wieder un sprach: »Er will lassen machen ein Paar Schuch auf sieben Jahr, un ich weiß nit ob er wird sieben Tag leben, will verschweigen sieben Jahr.« Da kamen sie weiter, da sah der Aschmedaj einen der trunken war, un war verirrt auf dem Weg. Da weist ihn Aschmedaj auf den rechten Weg. Da sprach der Jauez: »Warum weist du den zurecht?« Da sagt Aschmedaj: »Man schreit auf ihn im Himmel aus, er is ein Rosche (Sünder), so hab ich ihm den rechten Weg gewiesen, daß er sein Sechus (Verdienst) auf der Welt soll haben.« Da gingen sie miteinander weiter. Da sah er einen, der grub nach Geld, un er wollt auch Kischuf (Zauberei) treiben, damit daß er wollt sehen, wo Geld liegen sollt. Da lacht Aschmedaj. Da fragt ihn der Jauez, warum er also lacht. Da sagt Aschmedaj: »Wie soll ich nit lachen, der will Kischuf (Zauberei) treiben un will Gruben graben un[99] den Auzer (Schatz), von dem der König Salomo das Bethhamikdosch (den Tempel) dervon will bauen, liegt unter ihm, un er weiß nit, wie soll er denn das andere wissen?« Wie sie nun kamen an des König Haus, da wollt ihn König Salomo nit vorlassen in drei Tagen. Da sprach Aschmedaj: »Warum laßt mich König Salomo nit vor?« Da sagt man wider ihn: »Der König is krank, er hat zu viel getrunken.« Da sagt Aschmedai: »Gebt ihm noch ein wenig trinken.« Den andern Tag wollt er wieder vor den König, so sagt man ihm: »Der König is krank, er hat zu viel getrunken un zu viel gegessen.« Da sprach Aschmedaj: »Laßt ihn auf das Bethhakisse (Abtritt) gehn.« Am dritten Tag da kam Aschmodai vor den König. Da nahm Aschmedaj ein Ell, da man mit meßt. Un Aschmodai meßt vier Ellen vor dem König. Da fragt ihn der König, was er mit dem Messen meint. Da sprach Aschmedaj: »Ich will dir's sagen. Wenn du sterbst, so hast du nit mehr als vier Ellen vor dich zu nehmen, denn du bist hingegangen un hast den ganzen Aulom (Welt) unter dich gebracht un noch hast du nit genug, bis du mich hast auch müssen bezwingen.« Da sprach der König: »Sei zufrieden, ich begehr nix mehr von dir, als daß du mir sollst den Schomir bringen, denn ich soll das Bethhamikdosch (Tempel) bauen, un darf kein Eisen darzu brauchen, daß ich den Stein dermit spalten soll. Un mit dem Schomir kann man es zuwegen bringen. Derhalben hab ich dich lassen holen, daß du mir ihn sollst behändigen.« Da sprach Aschmedaj: »Mein Herr König, ich laß dich wissen, daß ich kein Gewalt drüber hab. Neiert der Fürst von dem Jam (Meer), der hat ihn zu Gewalt. Un er getraut ihn niemand, denn dem Auerhahn, der muß ihm einen Schwur tun, daß er ihn will wieder bringen.« Da ging der König Salomo un gab den Benojohe ein Glas, un sagt zu ihm, er sollt nach einem Nest suchen mit jungen Hühnern von dem Auerhahn. Da sucht der Benojohe so lang bis er an einen Berg kam, da keine Leut wohnen. Da fand er ein Nest. Da nahm er das Glas un sterzt es über die Jungen. Da kam der Auerhahn un wollt zu seinen Jungen. Da sah er, daß sie verschlossen waren. Da fliegt er zum Fürst am Meer, um den Schomir un legt ihn auf das Glas. Da ging das Glas inzwei. Un wie er nun wollt hinweg fliegen, da derschreckt ihn Benojohe, daß er den Schomir fallen ließ. Wie das Benojohe sah, da nahm er den Schomir un ging hinweg. Un da der Auerhahn das sah, daß er den Schomir verloren hat, da würgt er sich selbert, weil er seinen Schwur nit konnt halten dem Fürsten von dem Meer, denn er konnt ihm den Schomir nit wieder bringen. Un wie König Salomo den Schomir hat gehabt, da bauet er das Bethhamikdosch (den Tempel). Un wie er das Bethhamikdosch so gebauet hat, da war er bei dem Aschmedaj allein in einem Cheder (Zimmer). Da sagt König Salomo: »Was könnt ihr Schedim (Geister) nun mehr als andere Leut?« Da sprach der[100] Aschmedai: »Nimm du die Kett von mir, da du mich mit gebunden hast, un gib du mir dein Siegel, das du an deiner Hand trägst, da will ich dir viel neues weisen.« Da ging König Salomo hin, un nahm die Kett von ihm un gab ihm sein Siegel. Da ging Aschmedaj hin, un stellt ein Bein auf die Erd un das andere Bein in den Himmel un schlang den König ein, un warft ihn über vierhundert Meilen Wegs wieder aus. Un Aschmedaj setzt sich auf des Königs Stuhl als wenn er der König war. Un König Salomo, der sagt das selbige Mal: »Was is nun übrig zum Menschen bei all seiner Arbeit, die er tut auf dieser Welt?« Un ging betteln vor allen Türen, da er kam, um ein Stück Brot. Un sagt derbei: »Ich bin Koheles gewesen ein König über Iisroel zu Jeruscholajim.« Un er ging so lang bis er wieder gen Jeruscholajim kam zu dem Synhedrin (Gelehrtenversammlung). Da sagt er allzeit wo er ging: »Ich bin Koheles ein König über Iisroel zu Jeruscholajim.« Da nun das Synhedrin hörten, daß er also auf einer Rede blieb, da sagten sie: »Ein Narr, der redet nit allezeit einerlei. Wir wollen sehen ob er der König is oder nit.« Da fragten die Chachomim (Weisen) den Benojohe, ob er wär wieder kurz bei dem König gewesen. Da sagt er nein. Da schickten sie nach der Königin un fragten sie, ob der König kurz bei ihr wär gewesen. Da sagt sie ja, er war heut bei ihr gelegen. Da fragten sie die Chachomim: »Hast du ihm nit nach seine Füß gegriffen?« Da sprach die Königin: »Er kommt zu mir in Socken an die Füß, un hat bei mir gewollt liegen.« Da das die Chachomim hörten, da gedachten sie sich, es wird also sein un nahmen König Salomo un gaben ihm die Kett auch, da der Schemhamforesch drauf war geschnitten un das Chaussem, da der Schem war auch drauf gestanden, un führten ihn auf seinen Stuhl. Un wie ihn Aschmedaj sah, da flieht er hinweg. Un König Salomo setzt sich auf den Stuhl. Aber doch fercht sich König Salomo dernach vor Aschmedaj un schreibt Schemes (göttliche Namen) an sein Bett un ließ bei Nacht bei ihm wachen, wie wir finden im Posuk (Schrift), daß alle Nacht sechzig Mannen bei König Salomo wachten. Denn er fercht sich vor Aschmedaj. Gott sei bei uns un neben uns.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 97-101.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon