Hundertfünfundsechzigste Geschichte

[168] geschah: Es kamen zu Rabbi Schmuel dem Chossid drei Galochim (Geistliche) aus fremden Landen. Die haben nun gehört wie er ein köstlicher Mann war. Un die Galochim sagten wider ihn, sie könnten Maasse Schedim (Zauberkünste) un sagten wider den Rabbi[168] Schmuel den Chossid: »Wir haben viel gehört von deinen Künsten un Meisterstücken in allen Landen, so weit als wir gewesen sind. Nun bitten wir dich gar sehr, du wolltest uns was von deinen Künsten sehen lassen, so wollen wir dich auch sehen lassen unsere Kunsten, die größer sollen sein als deine Kunsten, un versag uns die Bitt nit. Denn wir sind gar weit aus fremden Landen dir nach gezogen.« Nun war ein Großer aus seiner Zeit, in einer andern Stadt, der hütet Rabbi Jakew. Da hat der Rabbi Schmuel bei sich gehabt ein Sefer (Buch). Da sprach er zu den Galochim: »Möcht ihr den Sched (Dämon) beschwören, daß er einen Brief von mir möcht nehmen un möcht ihn Rabbi Jakew bringen, als daß er mir das Sefer möcht schicken. Da möcht ich viel von euch halten, daß ihr rechte Meister wärt.« Da sprachen die Galochim zu ihm: »Wir sind zu dir gekommen, daß wir dich wollen ehren. Darum wollen wir noch eine große Kunst tun un gar wol zuwegen bringen.« Un sprachen zu ihm: »Kommt, wir wollen gehn auf das Feld in einen heimlichen Ort. So wirst du gar groß Wunder sehn, wie daß einer von uns dreien einen Kreis soll machen, un unser Gesell soll ihn beschwören, daß ihm seine Seel aus seinem Leib soll gehn. Un wird dir deinen Brief aus deiner Hand nehmen un soll ihn Rabbi Jakew bringen, und soll dir wieder ein Antwort bringen un wird dir dein Sefer auch mit bringen, wie du es selbst von uns begehrt hast. Un derselbige, dem von uns die Seel is ausgegangen, der soll in drei Tagen nit von der Statt kommen, un soll da liegen im Kreis still bis nach den drei Tagen. Un nach den drei Tagen so wird die Seel wieder in seinen Leib kommen. So wird der Leib wieder frisch un gesund werden.« So ging der Chossid mit den drei Galochim auf das Feld un sie täten gleichwie sie haben gesagt. Un da nun die Seel aus dem Galach ging, da sprachen die andern zwei: »Kommt, wir wollen wieder in die Stadt gehn. Was sollen wir haußen tun? Un wenn es kommt am dritten Tag, an die Mittagzeit, so wollen wir wieder heraus gehn. Also wird die Seel wieder in den Leib kommen un wird dir deine Botschaft ausgerichtet haben, wie du von uns begehrt hast.« Also gingen sie nun wieder in die Stadt hinein. Un wie es nun an den dritten Tag kam, da sprachen die zwei Galochim wider Rabbi Schmuel: »Nun wolauf, un laßt uns auf das Feld gehn. So wirst du sehen, wie die Seel wird wieder in unseres Gesellen Leib kommen.« Also ging der Chossid mit ihnen auf das Feld. Nun hat der Chossid gemacht, wenn schon die Seel kommt, daß sie nit könnt wieder in den toten Leib gehn. Un da nun die zwei Galochim sahen, daß der Peger (Leichnam) nit wollt wieder aufstehn, un blieb da liegen wie ein anderer Peger auch, da treiben sie einen großen Jammer um ihren Gesellen un beklagten ihn sehr. Da sagt der Chossid: »Wollt ihr mir bekennen, daß ich mehr kann als ihr, so will ich machen, daß die Seel soll wieder können in den Leib[169] kommen als wie vor.« Da fielen sie alle beide vor seine Füß dernieder un baten den Chossid durch Gottes willen, daß er doch sollt machen, daß ihr Gesellen sollt wieder lebendig werden. Sie wollten ihn gern derkennen, daß er ein großer Meister wär, mehr als sie. Also beschwor der Chossid den Sched (Geist), daß die Seel möcht wieder in Leib gehn. Von Stund an, stund der Galach auf seinen Füßen un gab dem Chossid seinen Brief un das Sefer, das er lang gern gehabt hätt. Die Galochim danken dem Chossid, un gingen wieder ihr Straß un sagten seine Kunst is viel größer als man von ihm gesagt in fremden Landen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 168-170.
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