Zweihundertdreißigste Geschichte

[299] geschah: Rabbi Jehauschue un Rabben Gamliel un Rabbi Akiwe, die wollten in eine Stadt gehn in Erez Jisroel, die da genannt ward Ramah. Da wanderten sie un kamen vor eine Stadt. Da spielten die kleinen Kinder, un machten Häuflich Erde vor der Pforten un sagten: das Häuflein soll Maaßer (der Zehnte) sein, un das Häuflein soll Terumoh (freie Opfergabe) sein, gleich wie die Kinder von den Zeiten in Erez Jisroel gesehen haben. Denn man gibt noch in Erez Jisroel Terumoh un Maaßer aus. Wie nun die drei Rabbonim das hörten, da hebten sie zu einander an, un sagten, da innen wohnen Juden, wir wollen in die Stadt gehn un wollen Brot bei einem Juden essen. Also gingen sie in die Stadt un gingen in ein Judenhaus. Also sagt der Baalhabajis (Hausvater), sie sollten die Hände wäschen, er wollt ihnen Essen geben. Wie nun der Baalhabajis das Essen bracht, so tragt er es vor in ein anderes Cheder (Zimmer) das in der Stuben stund. Da wollten die Rabbonim nix essen, denn sie meinten er hätt ein Götzen, dem er allemal vorher Essen gibt. Un sprachen wider den Baalhabajis: »Lieber, sag uns doch, was meinst du damit, daß du jemandem das Essen vorher hast getragen in das Zimmer ehe du uns das Essen gebracht hast auf den Tisch.« Da hebt der Baalhabajis an: »Das will ich euch sagen. In dem Zimmer hab ich einen alten Vater, dem hab ich das Essen vor gebracht ehe ich es euch auf den Tisch hab gegeben. Denn mein Vater hat ein Neder (Gelübde) getan, er wollt nit aus dem Zimmer gehn bis Chachome Jisroel (Jüd. Weise) werden kommen.« So hebten sie an: »Heiß deinen Vater heraus gehn, denn es sind Chachome Jisroel hinnen.« Also ging der Baalhabajis un sagt es seinem Vater, daß Chachome Jisroel in die Stuben wären gekommen. Also ging der alte Mann heraus zu den Rabbonim in die Stuben. Wie er nun haußen war, da fragten sie den alten Mann warum er ein Neder getan hat, um nit aus seinem Cheder zu gehn bis Chachome Jisroel kommen. Da sprach der alte Mann: »Mein Sohn, der kann keine Kinder kriegen. Darum hab' ich den Neder getan, daß ich nit will heraußen gehn bis Chachome Jisroel kommen. Vielleicht werden sie ihm helfen können, daß er Kinder kriegt.« Da sprach Rabbi Jehauschue: »Bringt mir Samen, so will ich sehen ob ihm Kischef (Zauberei) is geschehen. So will ich ihm helfen.«[299] Denn Rabbi Jehauschue war einer unter dem Synhedrin, un die mußten Kischef können, aber sie durften es keinem antun. Aber von einem ab tun durften sie wol. So brachte man flugs Samen. Da macht er mit Chochme (Klugheit, Kunst), daß der Samen auf ging, un ging auf mit ledigen Ähren. Da sah er wol, daß ihm eine Frau hat Kischef (Zauber) getan. Da macht Rabbi Jehauschue, daß die Frau vor ihn kam, die ihm das Kischef getan hat. Da sprach Rabbi Jehauschue wider die Frau: »Tu dem guten Mann das Kischef wieder ab, daß er kann Kinder kriegen. Un wenn du nit willst abtun, so will ich dich vermassern (verraten) wer du bist.« Da hebt die Frau an: »Ich kann ihm das Kischef nit abtun, denn ich hab keine Gewalt mehr drüber. Denn ich hab es in das Jam (Meer) geworfen.« So verhängte Rabbi Jehauschue auf den Fürsten des Meeres, daß er sollt das Kischef auswerfen. Welches gleich geschah. Also macht er, daß die gute Frau hinweg kam. Un die drei täten Tefille (beteten) auf den Baalhabajis, un gewann einen Sohn, der war geheißen Rabbi Jehude ben Beßere. Der war ein gewaltiger Herr in der Thauroh. Dernach sprachen die drei Rabbonim: »Wären wir anderst nit gekommen in die Stadt, neiert daß wir den Zaddik ben Beßere hätten auf die Welt gebracht, so wär es genug gewesen«.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 299-300.
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