Zweihunderteinunddreißigste Geschichte

[300] geschah einem köstlichen Mann, der war gar fromm un war ein Talmidchochom (Schriftgelehrter) un alle seine Söhne, die er mit seinem Weib hat, die sturben ihm alle. Gar wie der Talmidchochom sollt sterben, da sagt er wider seine Talmidim (Schüler): »Ihr habt wol gesehen, wie mir meine Söhne alle bei meinem Leben sind gestorben. Nun weiß ich keine Awere (Sünde), die ich getan hab, sonderlich ich hab eine Schwester gehabt, un die is eine Almone (Witwe) gewesen. Un sie hat sich geschämt mir einen Mann zu fordern. Un ich hab es wol gemerkt, daß sie gern einen Mann hätt gehabt. Un ich hab mich gehalten als ob ich es nit verstund un hab ihr keinen Mann wollen geben, derwartend, daß mir das Geld un die Güter in meiner Hand soll bleiben. Un derweil ich das getan hab, so sind mir alle meine Söhne bei meinem Leben gestorben«.


Das Sprichwort geht: du kommst dahinter als wie Kunz hinter das Viech kommen is. Is zu fragen: wie kam denn Kunz hinter das Viech? Das will ich euch da schreiben.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 300.
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