I.

Abdallah Ibn Eselam, einer der ersten [Rand: Dschami. 718.] Rechtgläubigen, hatte einen Freund Namens Zeid, den er mehr als einmal zur Annahme des wahren Glaubens eingeladen hatte, doch immer ohne Erfolg. Eines Tages, als er in die Moschee gieng, erblickte er denselben, zu seinem nicht geringen Erstaunen, unter den Moslimen. Er fragte ihn, was ihn denn zur Annahme des Islams bewogen, da ihn des Freundes Zureden nicht hätte bewegen können; Zeid bekannte, daß die überaus große Sanftmuth des Propheten ihn auf den wahren Weg gebracht habe, und erzählte ihm die Veranlassung seiner Bekehrung folgendermaßen:

Ich las eines Tages im Buche der Weisheit, als ich eben den Ruf in die Moschee vernahm. Ich will doch hingehn, dachte ich bey mir, um zu sehen, ob Mohammed dem Bilde eines Weisen entspricht. Ich setzte meine Besuche mehrere Tage hindurch fort, und hingerissen von dem Strome seiner Beredsamkeit, bewunderte ich doch noch weit mehr seine außerordentliche Sanftmuth. Einmal, in der Mitte der Predigt,[1] kam ein Araber auf einem Dromedar angetrabet. Er sprang herab, und als ein wahrer Beduine, schrie er sogleich den Propheten, ohne die geringste Rücksicht für ihn oder seine Zuhörer, an.

Mein Stamm, schrie er, sendet mich zu dir. Wir haben deinen Glauben angenommen, allein wir haben nichts zu essen, rette uns. Der Prophet wandte sich mit seiner gewöhnlichen Milde gegen Ali und sprach: Ist uns etwas geblieben von unserm Vorratthe? Als er mit Nein antwortete, schritt ich hervor und sagte: Ich will dir Geld leihen, Mohammed, bis auf die Dattelerndte. Der Prophet nahm das Geld und gab es dem Beduinen. Als die Zeit der Dattelerndte herangekommen war, gieng ich über Feld, und fand den Propheten, der eben bey einem Grabe ein Todtengebet verrichtete. Ich gieng mit vieler Unverschämtheit auf ihn los und packte ihn hart an: Sohn Abdallah's, schrie ich, gieb mir Geld oder Datteln, und bestiehl ehrliche Leute nicht um ihr Haab' und Gut.

In diesem Augenblicke hörte ich ein Geschrey hinter mir. Ich sah mich um, und es war Omar, der schon das Schwerdt gezogen hatte, mir den Kopf zu spalten. Der Prophet hielt ihn zurück; Omar, sagte er, hier bedarf es nicht des Schwertes, sondern Datteln. Geh' und befriedige den Mann, und gieb ihm zwanzig Bündel mehr für das Schrecken, das du ihm eingejagt. Omar steckte das Schwerdt in die[2] Scheide, und ich konnte solcher Milde und Sanftmuth nicht länger widerstreben, sondern gieng in mich und ward Moslim1.

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Dieser Zug ist charakteristisch zu Mohammeds Charakter, der die größte Sanftmuth mit der größten Energie vereinigte. Nur solche Naturen sind dazu gemacht, das Feuer der Begeisterung ihres Genius weit um sich zu verbreiten. Harte und heftige Menschen können Völker beherrschen mit eiserner Ruthe, aber nur Sanftmuth und Seelengüte begeistert die Untergebenen mit Liebe.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 1-3.
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